Vermisstes Mädchen
Es war eine emotionale Suche nach Julia

Bei der MZ-Gala in Regensburg berichten Retter um Furths Polizeichef Sven Buhl über den außergewöhnlichen Einsatz am Cerchov.

08.12.2021 | Stand 15.09.2023, 22:37 Uhr
Sven Buhl, der Leiter der Polizeiinspektion Furth im Wald, im Interview bei der MZ-Gala 2021 −Foto: Tino Lex

Eine vermisste Achtjährige am Cerchov bei Waldmünchen – und die Zeit wird immer knapper für Hunderte Retter. Was die Einsatzkräfte im Oktober im Fall der vermissten Julia erlebt haben, hat es so im Landkreis Cham noch nie gegeben. Furths Polizeichef Sven Buhl erzählt bei der MZ-Gala in Regensburg vom Einsatz:

Herr Buhl, wie erinnern Sie sich an den Moment, als die Nachricht verkündet wurde, dass Julia gefunden worden ist? Wie haben Sie es erfahren?

Ja, ein Kollege hat mir das mitgeteilt. Er hat Kontakt zur tschechischen Polizei gehalten und das Handy noch am Ohr. Er hat mir gesagt: Sie haben wohl das Mädchen gefunden. Es lebt und es ist scheinbar unverletzt. Das war natürlich erst einmal eine große Freude. Allerdings mit angezogener Handbremse. Ich wollte es erst bestätigt wissen. Es hat sich dann kurze Zeit darauf Gott sei Dank bestätigt, was ich dann im Kreise der Einsatzleitung verkünden durfte. Das war dann schon sehr emotional. Wie ich im Nachhinein erfahren habe, wohl nicht nur bei uns, sondern auch bei scheinbar völlig Unbeteiligten in der ganzen Republik. Man hat mir erzählt, wie nah ihnen das gegangen ist. Es war ein sehr emotionaler Moment.

Was würden Sie sagen, hat diesen Fall so besonders gemacht? War es die Tatsache, dass es ein kleines Mädchen war? Ich weiß jetzt, Sie haben selber drei kleine Kinder zu Hause. Packt einen das noch mal anders?

Das ist sicher ein Aspekt des ganzen Einsatzes gewesen, dass man, wie Sie eingangs schon gesagt haben, die Vorstellung hat, ein kleines Mädchen alleine in der Dunkelheit im Wald. Also das ist das Schlimmste, was man sich als Familienvater vorstellen kann für seine Kinder oder eines der schlimmsten Dinge. Für uns hat es die Gesamtsituation erschwert. Das Ganze war auf tschechischem Hoheitsgebiet. Es war dicht bewaldet, Steilhänge, Dunkelheit, Kälte. Das macht den Einsatz nicht leichter. Wenn man sich natürlich wieder vorstellt, dass das Mädchen dem ausgesetzt ist, geht es einem nahe. Aber das muss man dann ausblenden und funktionieren.

Es war ja ein unglaublich großer Einsatz. Ganz viel Organisation steckt da auch dahinter. Was waren denn genau Ihre Aufgaben bei diesem Einsatz?

Ich war Gesamt-Einsatzleiter. Das heißt, in erster Linie ist es eine koordinierende Funktion. Der Einsatz ist ja nicht alleine durch die Polizei bewältigt worden. Auch die Feuerwehr und die Hilfsorganisationen haben hier zahlreich mitgewirkt, vor allem in der in der ersten Phase des Einsatzes. Mit großer Manpower, Logistik und der Fachlichkeit, insbesondere der Bergwacht, die das Gelände einfach gut kennt. Ja, und diese Dinge zusammen- zuführen, in die richtigen Bahnen zu lenken, das war dann meine Aufgabe.

Sie haben ja gesagt, tausende Helfer waren bei dieser Suche beteiligt und ich glaube, es ist Ihnen auch wichtig zu sagen, ohne diese große Hilfe wäre dieser Einsatz auch gar nicht so möglich gewesen.

Sie haben ja noch ein paar stellvertretende Retter mitgebracht und die wollen wir natürlich noch kurz vorstellen. Zunächst einmal den Kreisbrandrat Michael Stahl, dann Tobias Muhr, den stellvertretenden Rettungsdienstleiter des BRK, Andreas Kaufmann von der Bergwacht Furth im Wald und Christina Hartmann von der Rettungs-Hundestaffel Straubing-Bogen mit ihrer dreijährigen Hündin Maya. Frau Hartmann, als Sie mit Ihrer Hündin angefordert wurden, musste es ja ganz schnell gehen. Was ist da zu tun?

Ja, bei uns ist immer sehr viel zu tun. Wir werden ja von der Integrierten Leitstelle alarmiert. Das passiert übers Handy. Bei uns war das so um halb elf abends, also die Zeit, wo man normalerweise ins Bett geht. Und dann müssen wir natürlich schnell zusammenpacken. Wir brauchen für uns die Einsatzkleidung und wir brauchen für die Hunde das Einsatzmaterial. Und wir brauchen natürlich unser Einsatzfahrzeug, mit dem wir solche Einsätze abwickeln können.

Situation:Rettung:
Alleine im Wald herumirren, vielleicht sogar eine Nacht. Genau das ist der achtjährigen Julia aus Berlin bei einer Wanderung am Cerchov passiert.Nach zwei Tagen und Nächten wurde das Kind gerettet.

Wie war das? Es waren ja hunderte Hunde im Einsatz. Ist Maja dann ruhig geblieben?

Maja war nicht im Einsatz, weil ich ja die Einsatzleitung hatte. Wir hatten über 120 Hunde zu koordinieren. Und deswegen haben meine Kollegin Diana Köck und ich gesagt: Wir bleiben vor Ort in der Einsatzleitung. Unsere Hunde suchen nicht, sondern wir koordinieren die Hunde, die dann rausgehen.

Noch eine Frage zu den Rettungshunden: Ist der Einsatz für die Rettungshunde eigentlich genauso aufregend wie für die Menschen?

Für die Hunde selber erst mal nicht. Die spüren natürlich die Aufregung der Menschen und lassen sich dadurch mit anstecken.

Herr Buhl, eine abschließende Frage noch an Sie. Sie haben mir eine total nette Geschichte erzählt, was Sie nämlich zu Hause nach dem Einsatz erwartet hat. Wollen Sie es noch mal erzählen?

Ja, genau. Als ich nach dem Auffinden des Mädchens nach Hause gekommen bin, kam mein Sohn mir schon entgegen, freudestrahlend. Die ganze Küche war voll mit Playmobil, Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst. Also er hat den Einsatz zu Hause nachgespielt und war ganz erleichtert. Er hat sich gefreut, dass das Mädchen gefunden wurde. Und das war für mich dann schon ein besonderer Moment.

Das kann ich mir vorstellen. Der größte Fan zu Hause.