Prozess
Ex-Frau getötet: acht Jahre Haft

Kurt N. hat seine todkranke Lebensgefährtin mit drei Kopfschüssen getötet.Das Landgericht Weiden verurteilte den 64-jährigen wegen Totschlags.

14.08.2014 | Stand 16.09.2023, 7:15 Uhr

Der ehemalige Bauunternehmer Kurt N. war am letzten Verhandlungstag sichtlich gezeichnet. Foto: Gabi Schönberger

Zur Salzsäule erstarrt nahm der des Totschlags an seiner todkranken Ex-Ehefrau angeklagte 64-jährige ehemalige Bauunternehmer aus Bodenwöhr das Urteil des Vorsitzenden des Weidener Schwurgerichts, Walter Leupold, zur Kenntnis. Acht Jahre Haft wegen Totschlags und siebenfachem, gewerbsmäßigem Sozialbetrug verkündete Leupold am fünften Verhandlungstag und machte in seiner Begründung deutlich, dass die Urteilsfindung nicht leicht gefallen sei.

Hatte der Angeklagte aus Mitleid, aus psychischem Leid und Überforderung am 4. Oktober letzten Jahres den Qualen seiner unheilbar an Krebs erkrankten Exfrau ein jähes Ende gesetzt? Die 61-Jährige war durch drei Schüsse aus zwei verschiedenen Waffen getötet worden. Zwei davon hatte laut Geständnis der Angeklagte abgegeben. Den ersten Schuss in dem Kopf aber soll, wie der Lebensgefährte beharrlich behauptete, die todkranke Frau selbst abgegeben haben. Unter den geschiedenen Eheleuten war vereinbart worden, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden.

In seinem Plädoyer widerlegte Staatsanwalt Peter Frischholz die Angaben eines geplanten, gemeinsamen Suizids. Der Angeklagte habe lange im Vorfeld der Tat auf eine Testamentsänderung zu seinen Gunsten hingearbeitet und seiner todkranken Lebensgefährtin vorgetäuscht, selbst nach ihrem Tod aus dem Leben scheiden zu wollen. Die Angaben des Angeklagten, dass seine Exfrau den ersten Schuss selber abgegeben habe, seien durch die Ermittlungen des Landeskriminalamtes und der Sachverständigen widerlegt worden. „Der Plan des Angeklagten, einen Suizid vorzutäuschen, ist gescheitert“, war sich Frischholz sicher. „Das Opfer wollte nicht in dieser Nacht und nicht durch einen Schuss sterben“. Sowohl an den Händen des Opfers, als auch beim Angeklagten seien keine Schmauchspuren festgestellt worden. Das bedeute, rekapitulierte der Staatsanwalt, „er schießt der schlafenden Frau in die rechte Schläfe, er trägt Handschuhe und benutzt ein Kissen, um den Knall zu dämpfen.“ Es deute nichts darauf hin, dass es sich um eine Tötung auf Verlangen gehandelt habe. Zur Last legte der Staatsanwalt dem Angeklagten, dass er sich bereits in den Vernehmungen durch die Polizei in Widersprüche verwickelt habe.

„Er hat ein Lügengebilde aufgebaut. Seine Geschichte zur Tötung auf Verlangen funktioniert nicht.“ Auch die Angaben zur Testamentsänderung seien nicht nachvollziehbar. „Von Tötung auf Verlangen bis Mord ist alles denkbar“, machte der Staatsanwalt die Schwierigkeit der Schuldfrage deutlich und stellte den Antrag auf acht Jahre Haft wegen Totschlags und Betrugs. Der Nebenkläger, der Bruder des Opfers, verzichtete auf einen eigenen Antrag.

Der Verteidiger Tobias Konze lieferte den Medien gleich eine Überschrift: Angeklagter erschießt Frau. Der Titel werde der Tragödie aber nicht gerecht, appellierte Konze an die für den Angeklagten „unvorstellbare“ seelische Ausnahmesituation, die in einer Depression mündete. Die unheilbare Krebserkrankung der Lebensgefährtin habe eine Achterbahn der Gefühle ausgelöst, „für Manipulationen und Intrigen das Erbe zu sichern war keine Zeit“, argumentierte die Verteidigung. Zudem habe das Opfer medizinische Behandlungen abgelehnt. Miteinander habe man Abmachungen und Vorkehrungen für einen gemeinsamen Tod getroffen. Auch das Verhalten des Angeklagten nach der Tat, die Fahrt nach Starnberg zur Nichte, die 175 000 Euro im Auto, die er der Erbin übergeben wollte, der späte Anruf beim Rettungsdienst – all das sei eine Folge des seelischen Ausnahmezustandes seines Mandanten. Konze stellte das Strafmaß in das Ermessen des Gerichts und bat um eine „Bemessung, so dass mein Mandant seinen Lebensabend noch selbstbestimmt verbringen kann“.

In seiner Urteilsbegründung hatte der Vorsitzende Richter Walter Leupold durchaus auf die bedrückenden Umstände durch die Krebserkrankung der Lebensgefährtin Rücksicht genommen. Doch auch Leupold irritierte, dass der Angeklagte seine Aussagen „gewechselt hat wie andere ihr Hemd und nur das gesagt hat, was für ihn opportun war“. Dass die Frau den ersten Schuss auf sich abgegeben habe, sei falsch, „das schließt die Naturwissenschaft aus“. Das Opfer habe in der Schweiz schmerzfrei und nicht durch Schüsse sterben wollen. Leupold stellte auch infrage, dass der Angeklagte tatsächlich mit aus dem Leben scheiden wollte. „Der Angeklagte wollte mit der Testamentsänderung eine vermögensrechtliche Situation schaffen, mit der er seinen Lebensstandard halten kann“. Die Tat sei zwar heimtückisch gewesen, weil die Lebensgefährtin schlief, die Zielrichtung sei aber nicht „feindlich“ gewesen. In Abwägung aller Fakten schloss Leupold Heimtücke als Motiv aus.