Handwerk
Fliesen Fritsch kündigt 19 Fliesenlegern

Der Firmenchef beklagt den Niedergang des Berufsstands – verursacht durch die neue Handwerksordnung. Er setzt nun auf den Großhandel.

20.10.2014 | Stand 16.09.2023, 7:14 Uhr
Die Firma Fliesen Fritsch in Bodenwöhr konzentriert sich künftig verstärkt auf den Großhandel. −Foto: tgl

„Handwerk hat goldenen Boden.“ Dieses Sprichwort gilt längst nicht mehr für jede Branche. Der Fliesenleger zählt beispielsweise zu jenen Berufszweigen, die von der Novellierung der Handwerksordnung, die 2004 in Kraft getreten ist, am stärksten betroffen sind. Der Wegfall der Meisterpflicht hat dazu geführt, dass sich auch Leute, die das Verarbeiten keramischer Bodenplatten und Wandverkleidungen nie von der Pike auf gelernt haben, in das Handwerker-Verzeichnis aufnehmen lassen dürfen. Die Zahl der Betriebe ist bundesweit regelrecht explodiert. Die Preise aber gerieten massiv unter Druck – bei steigenden Löhnen und Nebenkosten für qualifizierte Mitarbeiter.

Viele alteingesessene Meisterbetriebe haben darunter sehr gelitten – und die Konsequenzen gezogen. Wie jetzt auch Christoph Fritsch jun., Chef des 1963 gegründeten, gleichnamigen Unternehmens in Bodenwöhr. Zum 26. September hatte er eine Versammlung einberufen, um mitzuteilen, dass allen 19 Fliesenlegergesellen, die bei Fritsch ihr Brot verdienen, gekündigt werde. Für die ersten Mitarbeiter kommt schon „in den nächsten Wochen“ das Aus, der letzte Fliesenleger wird am 30. April seinen Hut nehmen. Damit gibt es in ganz Bayern nur noch einen Innungsbetrieb mit mehr als 20 Mitarbeitern.

„Entscheidung fällt einem schwer“

„Sie können mir glauben: Solche Entscheidungen und solche Bekanntmachungen fallen einem sehr schwer“, beteuert Christoph Fritsch, der 1991 das Geschäft von seinem Vater übernommen hat. Damals waren die Zeiten für Fliesenleger noch ganz andere, der Slogan vom Handwerk mit goldenem Boden stimmte noch. Mit der Novellierung der Handwerksordnung, die trotz vieler mahnender Worte Ende 2003 von der Politik beschlossen wurde, sollte die heile Welt ins Wanken geraten.

Die Tatsache, dass heute quasi jeder, der sich dazu berufen fühlt, seine Dienste als Fliesenleger anbieten kann, hat dazu geführt, dass eine Unzahl von Ein-Mann-Betrieben entstanden ist, die mit Dumpingpreisen klassische Meisterbetriebe in die Bredouille bringen. Christoph Fritsch nennt ein Beispiel: Vor dreißig Jahren sei es üblich gewesen, für das Fliesen eines Bades 50 Mark pro Quadratmeter zu veranschlagen. Wer heute in einem Angebot mit 25 Euro kalkuliere, werde vom Bauherrn oft schon als zu teuer abqualifiziert. „Dabei sind unsere Personalkosten für gelernte Leute ja gestiegen!“, sagt Christoph Fritsch. Die Gesellenstunde schlage mit knapp 19 Euro zu Buche, „damals“ seien es rund 14 Mark gewesen.

Den permanenten Unterbietungswettkampf will Fritsch nun nicht mehr mitmachen. Nach reiflicher Überlegung traf er die Entscheidung, seinen Betrieb umzustrukturieren und die Fliesenlegertätigkeit aus seiner Angebotspalette zu streichen. Die betroffenen Mitarbeiter, die von den Turbulenzen in ihrer Branche sicher schon gehört haben dürften, zeigten sich von der Kündigung gleichwohl überrascht und reagierten dementsprechend geschockt. Bei Fliesen Fritsch, so glaubten sie, brauchten sie sich um ihre Zukunft nicht zu sorgen.

Hilfe bei der Jobvermittlung

Der Firmenchef hat ihnen bei der Neuorientierung Hilfe angeboten. Tatsächlich soll schon jeder zweite Mitarbeiter, der seinen Job verloren hat, einen neuen gefunden haben. Laut Fritsch stehen die meisten jetzt bei Ein-Mann-Betrieben unter Vertrag. Auch jenen, die die Branche wechseln wollten, werde man nach Möglichkeit unter die Arme greifen.

Toni Hinterdobler, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Regensburg, zeigte sich in einer ersten Reaktion über die Veränderungen bei Fliesen Fritsch in Bodenwöhr verwundert. Zwar bestätigte er die drastische Zunahme von Ein-Mann-Betrieben ohne Meisterqualifikation, doch die Auftragslage im Handwerk sei allgemein sehr gut. „Viele Hausbesitzer investieren lieber, als dass sie ihr Geld für null Zinsen zur Bank tragen.“ Auch gebe es noch immer etliche junge Leute, die sich für den Meisterkurs anmelden. „Die Leute wissen, wie der Markt ausschaut und lassen sich trotzdem bewusst drauf ein.“ Hinterdobler bestärkt sie in ihrer Zuversicht und glaubt, „dass es immer Leute geben wird, die bereit sind, für meisterliche Qualität Geld auszugeben.“

Die von Christoph Fritsch beklagte Novelle der Handwerksordnung war auch von der Kammer bekämpft worden. Letztlich habe der Gesetzgeber aber den Argumenten, die für eine Liberalisierung sprachen, den Vorzug gegeben. Wenn heute immer stärker die Nachteile daraus erkennbar würden, so werde das laut Hinterdobler auch von der Politik nicht mehr geleugnet. Gleichwohl bestehe mittelfristig keine Hoffnung, dass sich das Rad wieder zurückdrehen lasse. Hinterdobler: „Auf EU-Ebene werden alle reglementierten Berufe auf den Prüfstand gestellt.“