MZ-Serie
Frauenpower an der Sudpfanne

Braumeisterinnen sind in der Oberpfalz eine Rarität. In Plößberg im Landkreis Tirschenreuth steht Angela Riedl am Sudkessel.

21.08.2016 | Stand 16.09.2023, 6:41 Uhr
Braumeisterin Angela Riedl prüft mit Kennerblick, ob die Würze schon klar wird. −Foto: Schönberger

Die alten Holztreppen sind steil und ausgetreten. Angela Riedl könnte sie auch im Stockdunklen rauf und runter laufen. Sie ist hier aufgewachsen, fast ihr ganzes Leben hat sie in der Familienbrauerei in Plößberg (Lkr. Tirschenreuth) verbracht. Über dem dazugehörigen Gasthaus wohnt sie noch heute. Wie viele Kilometer sie schon – treppauf, treppab – auf dem Weg vom Malzboden über das Sudhaus bis zum Lagekeller hinter sich gebracht, hat die 46-Jährige nicht mitgezählt. Aber sie stecken ihr in den Gliedern. Dazu das viele Bücken und Tragen, der ständige Wechsel von Kalt und Warm, die Nässe, der Staub, die schweren Schläuche und Malzsäcke. „Hier geht nichts automatisch, das ist alles Handarbeit“, sagt die Oberpfälzerin mit Nachdruck. Seit 14 Jahren leitet sie den Betrieb, in vierter Generation. Angela Riedl ist die erste Braumeisterin in ihrer Familie – und damit auch in der Oberpfalz eine Rarität.

Schon während ihrer Brauer- und Mälzer-Lehre in den 1980er Jahren war sie die einzige Frau. Später, auf der Doemens-Braumeisterschule in Gräfelfing gab es in ihrer Klasse außer ihr nur Männer. Für Angela Riedl kein Problem. Sie sei nie gemobbt oder gehänselt worden. „Aber es kam schon vor, dass mich jemand nicht für voll genommen haben“, erzählt sie. Sogar ihr eigener Onkel, damals Braumeister bei Paulaner in München, habe ein paar Jahre gebraucht, um zu realisieren, dass sie es mit ihrer Berufswahl ernst meint. „Braumeisterin zu werden, ist für eine Frau einfach nicht naheliegend“, sagt Angela Riedl, „bei mir halt schon, weil es den elterlichen Betrieb gab“. Ihre Schwester habe sich dagegen nie für die Brauerei interessiert und sei lieber Ärztin geworden. „Ich bin der Praktiker.“

Lieber Wasser als Bier

Die Oberpfälzerin packt lieber an – steigt, wenn der Bierfahrer ausfällt, selber in den Lkw und liefert Kisten aus, erledigt Reparaturen oder Verwaltungskram im Büro. Ihre graue Arbeitskleidung und die türkisen Schlupfschuhe aus Gummi machen alles mit. Abends, wenn die Arbeit in der Brauerei ruht, steht sie in der Gastwirtschaft am Zapfhahn und versorgt die Stammtischrunden. Bier trinkt sie fast nie, Wasser ist der Braumeisterin lieber: „Ich muss dauernd fit sein, Biertrinken passt da nicht.“ Zur Entspannung arbeitet sie im Garten oder schaut zwischendurch kurz Nachrichten in ihrer Wohnung, macht dazu ein bisschen Gymnastik und hat gar keine Zeit darüber nachzudenken, wie viel sie um die Ohren hat. Daran hat auch der wöchentlichen Ruhetag in der Gastwirtschaft, den sie vor einem Jahr eingeführt hat, nicht viel verändert. Ihre Eltern helfen zwar auch noch im Betrieb mit, doch die Hauptlast liegt bei Angela Riedl.

Einmal in der Woche – immer am Mittwoch – wird in der Brauerei der Sudkessel angeheizt. Pro Sud sind es rund 34 Hektoliter, knapp 1000 Hektoliter Bier im Jahr – größere Brauereien schaffen diese Menge an einem Tag. Zwei Drittel davon ist Helles, der Rest Märzen, Pils, Bock und auch Zoigl-Bier. Mehrere Wochen dauert der Brauvorgang, erst dann ist das Bier fertig und hat – so wie Angela Riedl auch – eine ordentliche Wegstrecke quer durch die kleine Brauerei zurückgelegt.

Am höchsten Punkt, auf dem Malzboden im vierten Stock, nimmt das Bier seinen Anfang. Die 50-Kilo-Malzsäcke werden von Außen über einen Aufzug hochgehieft. Zehn Zentner davon landen in der Mühle, das Schrot wird anschließend mit Wasser gemischt, damit sich der Zucker löst. Dieses Zuckerwasser, die sogenannte Würze, wird mit Hopfen rund eineinhalb Stunden im Sudkessel gekocht, abgekühlt und mit Hefe vergoren. Die Hauptgärung im offenen Bottich dauert eine Woche, anschließend lagert das Bier vier bis sechs Wochen im Tank – bestimmte Biersorten auch länger. Dann wird die Flüssigkeit filtriert, in Flaschen abgefüllt, etikettiert und in die Träger sortiert. Kurz und klar erläutert Angela Riedl die einzelnen Schritte.

Sehen Sie hier Angela Riedl beim Prüfen der Würze im Video:

Alle zwei Wochen ist Abfülltag in der Brauerei. „Da fällt viel Handarbeit an, dabei helfen mir zwei Hausfrauen aus dem Ort“, erzählt die Braumeisterin. Auch das Putzen der Tanks und der Kühlbehälter wird in Plößberg noch per Hand erledigt. Es gibt keine Elektronik, sogar die Malzwaage ist mechanisch – aus dem Jahr 1910. „Wir brauen wie früher“, sagt die Braumeisterin. Ihr Betrieb hat Museumscharakter – und ist damit eigentlich einem aktuellen Trend voraus: Die sogenannte Craft-Bier-Bewegung feiert gerade das handwerklich gebraute Bier kleiner, unabhängiger Brauereien.

Mit Herz dabei

Auf die Craft-Bierwelle will Angela Riedl aber nicht aufspringen, sie hat andere Pläne: Für das Brauen will sie sich künftig Hilfe holen, um selbst mehr Zeit für die Vermarktung zu haben. Regelmäßige Brauereiführungen sind geplant, außerdem hat die Braumeisterin vor kurzem eine Zoigl-Stube in der Brauerei eingerichtet, die im Herbst eingeweiht wird. Auch aus ihrer zimmergroßen Sammlung von Bierflaschen- und gläsern aus aller Welt ließe sich noch mehr machen. Die körperliche Belastung des Bierbrauens ist Angela Riedl inzwischen zu anstrengend, aber den Beruf kann sie dennoch nur empfehlen. Abwechslungsreich sei er und nie langweilig. Man müsse aber das richtige Gefühl dafür entwickeln, Bier sei ein „lebendiges Produkt“, betont sie und fügt hinzu: „Fürs Brauen braucht man Herz.“

Weitere Teile unserer Bier-Serie finden Sie hier.

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