Konzert
Gitarrenheld der alten Schule

Alt und ewig jung – Bluesrock mit Chicken Shack: Gitarrist Stan Webb und seine Band hatten viel Spaß im Leeren Beutel.

16.10.2019 | Stand 16.09.2023, 5:22 Uhr
Alois C. Braun

Stan Webb (links) und Chicken Shack in Regensburg Foto: Alois Braun

Ja, es ist ein Fest für Freunde des Bluesrocks, das Chicken Shack im Leeren Beutel den Fans bieten. Und ein Gitarrenheld der alten Schule ist Stan Webb allemal. Er hat die 1965 gegründete Band schon immer maßgeblich geprägt. Wie bei vielen Formationen aus dieser Zeit gingen jedoch die Bandmitglieder teilweise ein und aus. Das brachte frisches Blut, sorgte aber auch immer wieder für Unruhe und fehlende Kontinuität. Wer weiß, was bei einem stabileren Line-up aus Chicken Shack hätte werden können, hatte man doch mit „I’d Rather Go Blind“ und „Poor Boy“ auch Hits geschaffen und über die Jahrzehnte Substanz bewiesen.

In Regensburg kommen die vier Musiker gut gelaunt auf die Bühne und beginnen den Set mit „The Thrill Is Gone“. Die Band spielt kompakt und liefert ein starkes Fundament für Originalmitglied Stan Webb. Der ist mit 73 Jahren immer noch sehr gut bei Stimme und lässt vor allem die Gitarrenfreaks jubeln, ist der gesamte Set doch auf lange Soli aufgebaut. Es wird viel improvisiert. Das macht sich auch schon beim ersten Song bemerkbar, als Webb offensichtlich ein kürzeres Solo spielt als üblich. Sein Zeichen, den Song zu beenden, sehen Teile der Band zu spät, und so gerät der Schluss etwas wacklig. Ein klarer Beleg, dass hier lebendige Musik geboten wird und keine kalte Inszenierung von Perfektion.

Entsprechend ist das Publikum auch gleich gefangen – von der Band und vor allem von Webbs Gitarrenstil. Der Mann lacht und blödelt mit seinen Musikern herum. Bei „You shook me“ von Muddy Waters brilliert er erstmals an der Slidegitarre und zeigt seine eigene Technik. Statt sich den Bottleneck über den Finger zu stülpen, hält Webb das Teil zwischen den Fingern, wenn er auf den Gitarrenhals hin und her rutscht. So, als würde er eine auf dem Schoß liegende Steel-Gitarre spielen.

Stan Webb animiert die Fans

„The Sweetest Little Thing“ ist ein eher getragener Titel, der schon lange im Live-Repertoire von Chicken Shack zu finden ist. Wie fast alle Lieder des Abends kommt er in einer ausschweifenden Version. Im Mittelteil wird mit reggaeartiger Rhythmik experimentiert. Webbs Solo geht zunächst etwas unter, da der Hall auf der Gitarre des zweiten Gitarristen falsch getimet ist und dem Songrhythmus entgegenläuft. Das hat was von akustischem Chaos. Aber die Musiker bringt das nicht aus der Ruhe. Der Hall wird im Spielen umgestellt und lachend geht es mit einem bissigen Solo weiter. Als danach das Gesangsmikro ausgeschaltet ist, lacht Webb in Richtung Mischpult, winkt und sagt: „Hallo, ist da wer?“

Der Mann lebt noch immer seine Musik

Der Sound ist insgesamt sehr rauh und erdig. Das tut der Musik sehr gut. Webb zeigt nicht nur auf der Gitarre seine Ausnahmestellung im Bluesrock, sondern singt auch voller Hingabe. Der Mann lebt immer noch seine Musik. Ohne Kompromisse lässt er seine Stimme ertönen. In der für ihn typischen Pose hält er sich bei den hohen Tönen immer wieder mit der Hand das rechte Ohr zu, um die Töne besser zu kontrollieren. „The End (Prisoner)“ ist ein treibender Blues, bei dem erneut ein Slidesolo eingebaut ist und auch die zweistimmigen Gitarrensoli überzeugen.

Als die Bassdrum den Rhythmus vorgibt und Webb die ersten Töne spielt, wissen die Fans: das ist „Poor Boy“, einer der beliebtesten Songs der Band. Das dynamische Arrangement, das harte Riff und die Interpretation überzeugen vollends. Webb ist absolut gelöst, dirigiert das Publikum, lässt die Worte „Heya Heya“ mitsingen und freut sich ob der fast 100-prozentigen Mitmachquote. Dann singt er solo zur Gitarre und lässt es mit dem stampfenden „Dr. Brown“ richtig krachen.

Rückblick:Bekannte Gesichter:
Chicken Shack wurde 1965 gegründet. Gitarrist Stan Webb ist das einzige Originalmitglied. Ende der 60er Jahre war auch Keyboarderin Christine Perfect in der Band. Sie spielt mit Unterbrechungen bis heute als Christine McVie bei Fleetwood Mac.Weitere Musiker, die im Laufe der Jahr bei Chicken Shack spielten, sind u. a.: Paul Raymond (UFO), Bob Daisley (Ozzy Osbourne), John Glascock (Jethro Tull), Ric Lee (Ten Years After) und Miller Anderson. (mua)

Das Konzert befindet sich da bereits in der Zielgeraden, denn mit „Daughter Of The Hillside“ aus dem Album „Imagination Lady“ ist der reguläre Teil beendet. Natürlich will das begeisterte Publikum mehr. Als Zugabe gibt es den Klassiker „Shake Your Moneymaker“ und nach knapp 90 Minuten ist endgültig Schluss. Chicken Shack hatten Regensburg in den Vorjahren nicht mehr auf dem Tourplan. Nach diesem feurigen und packenden Konzert kann man nur hoffen, dass sich das in Zukunft wieder ändert.

Hier geht es zur Kultur