Landwirtschaft
Größter Milchviehstall im Landkreis

Johannes Pöppel aus Arresting im Kreis Kelheim hat es durchgerechnet und in einen großen Kuhstall investiert.

01.07.2018 | Stand 16.09.2023, 6:10 Uhr

Kühe stehen in ihrer Stallanlage. In Arresting entsteht derzeit die wohl größte Milchviehanlage im Landkreis Kelheim. Foto: Bernd Settnik, dpa

In einem der kleinsten Dörfer des Landkreises Kelheim, in Arresting, einem Ortsteil von Neustadt mit gerade einmal hundert Einwohnern, vollzieht sich derzeit eine landwirtschaftliche Zeitenwende. In wenigen Tagen geht in diesem Dorf, in dem es fast nur noch Nebenerwerbslandwirte gibt, der größte Milchviehstall des Landkreises in Betrieb – trotz aller Unkenrufe über dieZukunft der Landwirtschaftund trotz des ständigen Preisdrucks durch die Supermarktketten.

„Wir sind seit dem Jahr 1624 als Landwirte in Arresting“, sagt Johannes Pöppel. „Wir sehen uns als mittelständischen Betrieb.“ Mittelständisch bedeutet in diesem Fall, dass der neue Hof, der etwas außerhalb des Dorfes entsteht, über einen Stall für 285 Milchkühe verfügt, was ihm nach Einschätzung von Thomas Obster, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), den Titel alsgrößter Milchviehhalter des Landkreiseseinbringt. Johannes Pöppel, 37 Jahre alt, hat das bisher so noch nicht gesehen.

Debatte im Bauausschuss

Doch die Größe des Hofes hat die Einwohner irritiert. Zunächst jedenfalls. Die Arrestinger hatten Sorgen u.a. wegen deranfallenden Güllemengenund der Fahrerei von und zum neuen Hof der Pöppels. Dabei hatte der Bauausschuss des Neustädter Stadtrats, der vor rund zweieinhalb Jahren über den Bauantrag der Pöppels diskutierte, schon grünes Licht für das Projekt gegeben. Zur Belastung durch Gülle stellte Albert Moser, Sachgebietsleiter im Bauamt, seinerzeit fest: „Wenn der Landwirt die Gülle ordentlich ausbringt, können wir von unserer Seite nichts machen.“ Und Bürgermeister Reimer gab zu bedenken, entscheidend für die Bürger und die Kommune sei, auf welchen Flächen Gülle ausgebracht werde. „Wir müssen nachdenken, wie sich das auf die Natur auswirkt“, betonte der Bürgermeister.

Futter gegen Gülle

Am Ende der Diskussion wurde dem Bauvorhaben zugestimmt, wobei es in der Sitzung lediglich um die baulichen Aspekte des Projektes gegangen war. Die Stadträte Karl Zettl und Werner Reichl meinten fast schon versöhnlich: „In Arresting muss ein Kuhstall möglich sein.“ Inzwischen ist das heikle Thema Gülle vom Tisch. Weil Johannes Pöppel Futter für seine Kühe zukauft, hat er mit den Lieferanten vereinbart, dass sie im Gegenzug auch Gülle abnehmen. Weitere Sorgen der Bürger konnten in Gesprächen ausgeräumt werden.

Betrieb mit Personal

Manch einer wundert sich jedoch heute noch, wie in Zeiten, wo allenthalben von sinkenden Erzeugerpreisen berichtet wird, ein Vorhaben wie der Milchviehstall von Arresting umgesetzt werden kann. Zu den Milchpreisen sagt Johannes Pöppel: „Wir haben uns entschieden, zu einer privaten Molkerei zu wechseln.“ Mit der könne man verhandeln. Außerdem geht es dem 37-Jährigen um die Zukunft und seine persönliche Lebensgestaltung. „Bei 120 Kühen kann und muss man alles alleine machen“, erläutert er. Bei der von ihm angepeilten Größe gehe es nicht mehr ohne Personal. Der Vorteil: Da könne man auch mal Urlaub machen.

Drei Millionen Euro hat Pöppel dafür investiert. Dafür entstehen 250 Meter außerhalb Arrestings ein Milchviehlaufstall mit Melkgebäude und Milchkammer sowie zwei Güllebehälter mit jeweils 3000 Kubikmeter Volumen, Löschwasserbehälter und ein Betriebsgebäude, in dem u.a. Duschen und Toiletten für das Personal untergebracht sind. Der Tank für die Milch fasst 15000 Liter. Alle zwei Tage ist er voll, dann kommt ein Lastzug und holt die Milch, die u.a. zu Käse der Sorte „Grünländer“ verarbeitet wird.

Stolz ist der 37-jährige Landwirt auf die Modernität des neuen Hofes. Zwei Jahre hatte er einst als Betriebsleiter bei Bremerhaven gearbeitet, sich dabei um 600 Milchkühe gekümmert und viele Erfahrungen gesammelt. Davon ist etliches in das Arrestinger Projekt eingeflossen. „Jede Kuh hat zwölf Quadratmeter zur Verfügung“, sagt er und seine Frau Elisabeth, die Erzieherin von Beruf ist, sagt: „Da haben viele Kinder kleinere Zimmer.“ Die Tiere können selbstständig vom Stall zu den Außenlaufplätzen gehen. Mehrere Kuhbürsten sorgen für die nötige PortionWellness und Wohlbefindenbei den Tieren.

Für den Betrieb sind permanent drei Vollarbeitskräfte erforderlich, sagt Pöppel, einer als festangestellter Herdenmanager und zwei Teilzeitkräfte fürs Melken. Die Melkanlage ist einer der Teile des Neubaus, auf die der Landwirt besonders stolz ist. Sie ist eine „Doppel-12-side-by-side“-Anlage, mit der 24 Kühe auf einmal gemolken werden können. Wichtig für den Melker: Er setzt das Melkgeschirr nicht mehr von der Seite, sondern von hinten an. Das bedeutet Komfort und kurze Wege.

Ein Weg in die Zukunft

Möglicherweise ist der Weg der Pöppels dieZukunft der Landwirtschaft. Auch in der Bauernschaft wurde deshalb das Projekt diskutiert. BBV-Obmann Obster stellt fest: „Vor 30 Jahren hatten wir noch 500 Milchviehhalter im Landkreis, heute sind es 100.“ Die Zahl der Tiere, erläutert Obster, sei in dem Zeitraum ungefähr gleich geblieben, die Leistung der Kühe jedoch gestiegen. Und zu den immer wieder stattfindenden Debatten um die Milchpreise sagt der BBV-Obmann: „Die Preise gehen rauf und runter.Es hat immer wieder gute Zeiten geben, jetzt sind die Preise gerade in der Mitte.“ Und zur Größe des Hofes meint er: „Es gibt sicher auch einen gewissen Rationalisierungseffekt bei dieser Größe.“

Die Bürger können sich am Sonntag, 1. Juli, von 10 bis 17 Uhr beim „Tag der offenen Tür“ bei den Pöppels einen eigenen Eindruck verschaffen. Für Essen und Trinken ist gesorgt, die Einnahmen kommen einem wohltätigen Zweck zugute.

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