Es gibt Momente in der Laufbahn eines Unternehmens, da geht es um alles oder nichts. An diesen Sprung kann sich auch Hannelore Gruber noch gut erinnern: 1400 Quadratmeter Einkaufsfläche, untergebracht in einem vierstöckigen Neubau. Zur Auswahl steht nur Herrenmode und das auch noch in der totgesagten Chamer Innenstadt! „Damals haben uns viele Leute mit unseren Umbauplänen für verrückt erklärt“, erinnert sich die Chefin des Modehauses Gruber heute zurück. Nur: „Wir waren damals einfach zu jung, um nichts zu tun.“
Warum sich das gelohnt hat, davon kann sich die Herrenwelt heute in der Fuhrmannstraße überzeugen: Mit Sakkos, Jeans, Retro-Fliegen und Schiebermützen hält das Familienunternehmen eine Erfolgsgeschichte am Leben, die in diesem Jahr das 85. Jubiläum feiert.
Keine billige Jubiläumsaktion
Andere Unternehmen locken die Kunden bei solchen Anlässen mit Rabattaktionen und Kampfpreisen – „das war uns aber zu wenig“, sagt Katharina Gruber, die ihrer Mutter seit zwei Jahren als Juniorchefin zur Seite steht. Stattdessen bekommen ihre Kunden das in die Hand, was im Familienunternehmen bis heute groß geschrieben wird. „Anziehend. Lokal.“ prangt auf dem Cover des zwanzigseitigen Geburtstags-Magazins, für das die Modeexperten 13 Unternehmen als Partner mit ins Boot geholt haben.
Einen eigenen Webshop habe das Modehaus noch nicht eingerichtet – in Sachen Herrenmode sei das auch gar nicht so wichtig, sagt Juniorchefin Katharina, die in Nagold bei Stuttgart Mode-Management studiert hat.
„Männern ist es meistens viel zu umständlich, ein Sakko im Web zu bestellen und – wenn es nicht passt – zurückzuschicken. Viele wollen es im Laden anprobieren und hier zählt eine gute Beratung und das Vertrauen in die Verkäufer.“ 15 Mitarbeiter kümmern sich im Haus um die Beratung der Herren. Das wichtigste Talent: die Sakko-Größe mit dem Auge erkennen, den richtigen Stil für den Kunden finden, vor allem aber – keine Zeit verschwenden. Denn anders als Frauen gehen die Herren nicht shoppen, sondern kaufen gezielt ein, wie Katharina Gruber erklärt. „Spätestens die dritte Hose muss sitzen, sonst reißt der Geduldsfaden.“
Retro-Look für Chamer
Wobei sich die Chamer Herren in Stilfragen nicht gerne auf einen Trend festlegen wollen. Je nach Typ zählen klassische Anzüge und Hemden nach wie vor zu den Verkaufsschlagern – die jüngeren Kunden greifen lieber mit Schiebermützen, Hosenträgern und Fliegen zum Retro-Look. Elegant soll es sein, aber auch bequem, weshalb sich auch die sogenannten Jog-Pants großer Beliebtheit erfreuen, die sich am Bein wie Jogginghosen anfühlen, erklären die Modeexpertinnen.
Einen Unterschied gibt es aber an der Verkaufstheke: „Inzwischen legen viel mehr Herren wieder Wert auf gute Qualität und die Marke und nicht mehr so sehr auf die Masse“, sagt Hannelore Gruber.
Wie das Modehaus aussehen soll, wenn das Unternehmen das 100-Jährige knackt, da machen die zwei Gruberinnen nur vorsichtige Andeutungen. Zwar sei die Verkaufsfläche nach dem Neubau fast doppelt so groß wie vorher – „ausgeschlossen wäre es aber nicht, noch größer zu werden“, sagt Hannelore Gruber.
Zwei Jahre ist es her, als sie mit ihrer Familie einen schweren Schicksalschlag hinnehmen musste,nachdem ihr Mann Volker im Alter von 52 Jahren überraschend verstarb.Für Katharina Gruber sei es eine Ehre, das Unternehmen als Juniorchefin in die vierte Generation zu führen, sagt sie. Und auch Schwester Magdalena steht derzeit mit einem Modestudium in den Startlöchern für das nächste Kapitel eines Chamer Modeurgesteins.
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Die Fassade das Modehauses Gruber in den 1950er Jahren Foto: Archiv
