Seenotrettung
Gründer von Sea-Eye geht von der Brücke

Michael Buschheuer zieht sich aus dem Vorstand der Hilfsorganisation zurück. Er bleibt aber ihr Gesicht und Aktivist.

26.03.2018 | Stand 16.09.2023, 6:12 Uhr

Sea-Eye-Gründer Michael Buschheuer – er bleibt aktiv an Bord des Vereins, hat aber das Kommando über das Alltagsgeschäft abgegeben. Foto: Dietmar Gust/Sea-Eye/MZ-Archiv

Intern hatte Michael Buschheuer bereits angekündigt, sich aus dem Vorstand von Sea-Eye zurückzuziehen. Ende vergangener Woche hat er den Schritt vollzogen. Der weit über Regensburger hinaus bekannte Gründer des Seenotrettungsvereins übergibt die Führung an eine neue Generation. „Ich bleibe uns voll erhalten und werde mich weiterhin finanziell, aktiv und repräsentativ einbringen“, versichert Buschheuer in einem auf der Website des Vereins veröffentlichen Schreiben an die Mitglieder.

Völlig neu sind die nun verantwortlichen Vorstände nicht: Professor Tylmann Mischkowsky agiert bereits seit zwei Jahren an der Spitze des Vereins, der IT-Trainer Chris Orlamünder seit einem Jahr. Weitere Vorstände sind Dr. Jan Ribbeck, ein Klinikleiter aus dem Allgäu, und Gorden Isler. Letzterer ist Immobilien- und Finanzmakler in Hamburg und hat laut Buschheuer bereits entscheidend dabei geholfen, das zweite Schiff des Vereins zu finanzieren.

„Sea-Eye“ hat in ihrem Einsatzgebiet vor der libyschen Küste viele Tausend Menschen vor dem Tod bewahrt.

Für Buschheuer ist es jetzt keineswegs Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Denn er ziehe sich ja nur davon zurück, ständig aktuelle Entscheidungen treffen zu müssen. „Wenn ich ein Schiff leite, dann muss ich 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche voll zur Verfügung stehen. Da gibt es keine Gnade“, erklärte er. Und das könne er auf die Dauer nicht garantieren, sagt der Unternehmer und Familienvater. Buschheuer sieht den Stabwechsel als gesunde Vereinsentwicklung. Erst am Wochenende begleitete er in Hamburg die Gründung einer neuen Vereinsgruppe.

Die Finanzen sind stets knapp

Sea-Eye sei, was die Selbstorganisation des Vereins betrifft, „hervorragend aufgestellt, um den notwendigen Dienst weiter zu tun“. Dank der Spenden „haben wir unser Auskommen“, sagte Buschheuer gestern zur MZ. Gestartet sei der Verein ohne jegliches Geld. Inzwischen betreibt er zwei Schiffe, die Spenden seien mit den Aktivitäten mitgewachsen.

Er räumt aber ein, dass es in mehrerlei Hinsicht besser laufen könnte. „Wir schlagen uns schon durch“, beschreibt Buschheuer die stets knappe finanzielle Situation. Sea-Eye könnte besser helfen, wenn man sich ein sinnvolleres Schiff leisten könnte. Der Haushalt des Vereins umfasse jährlich 600 000 Euro. So richtig professionelles Arbeiten gelinge damit nicht. „Wir sind lauter Laien ohne Mittel“, erklärt Buschheuer.

Wir sind froh und überrascht, dass wir uns überhaupt finanzieren können.“ Michael Buschheuer

Nach wie vor reiche die finanzielle Ausstattung nicht aus, um sich eine(n) Angestellte(n) zu leisten. Das ist, so schildert es der Gründer, ein Problem. Denn ein Verein mit 350 Mitgliedern will organisiert sein. Vor allem das sogenannte Crewing, also das Management der Schiffe und deren Besatzung, sei ein Vollzeitjob. Das macht bei Sea-Eye ein Freiwilliger, der aber nach einem Jahr abgelöst werden müsse, um ihn nicht zu überstrapazieren. „Wir fahren mit zwei Schiffen pro Jahr insgesamt drei Mal um die Welt“, verdeutlicht Buschheuer den Aufwand. Pro Schiff und Jahr würden 100 Crewmitglieder benötigt, allesamt Freiwillige, die auf eigene Kosten und in ihrer Freizeit helfen. Um die Arbeit von Sea-Eye möglichst wirkungsvoll fortzuführen, wünscht sich Buschheuer zusätzliche Mitglieder.

„Wir sind unerwünschte Zeugen“

Immerhin fließen die Spenden in den vergangenen Monaten konstant. Und das trotz reichlich Gegenwind: Von politischer Seite erfahre Sea-Eye keinerlei Unterstützung, noch nicht einmal Zuspruch; auch nicht von der deutschen Bundesregierung. Erst vor zwei Wochen habe Libyen wieder ein Boot beschlagnahmt – die „Open Arms“ einer befreundeten Organisation.

Libyen gehe immer brutaler gegen die Menschen vor. Buschheuer bringt es auf die Formel: „Die Libyer sollen für Europa die Dreckarbeit machen. Wir, die Seenothelfer, sind die unerwünschten Zeugen.“

Die verbalen Attacken aus der italienischen Politik im Sommer vergangenen Jahres gegen die helfenden Nichtregierungsorganisationen hatten die Spendenbereitschaft spürbar gedrückt.Bis heute schadeten dem Verein die Vorwürfe des italienischen Staatsanwalts Zuccaro aus Catania, der behauptete, dass einige NGOs direkten Kontakt zu Menschenhändlern in Libyen unterhalten würden.Sea-Eye und die anderen Helfer seien Schlepper.Buschheuer sagt: Auf dem Meer gehe es schlicht um die Frage „Lasse ich die Menschen ertrinken oder nicht?“ Und er versichert: „Wir wollen nicht gegen eine Nation oder eine Bevölkerung arbeiten.“ Sea-Eye sei die Lobby von Menschen in Not.

Die wichtigsten Informationen des Tages direkt auf das Mobilgerät:Mit MZ und WhatsApp bleiben Sie stets auf dem Laufenden.