Menschen
„Hallo Rudi!“ Wiedersehen nach 30 Jahren

Der Oktoberfest-Pfarrer Rainer M. Schießler und unser Bischof ... – Freunde? Aber hallo! Die Zwei waren gemeinsam im Seminar.

24.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:31 Uhr
Helmut Wanner

Der Bischof und der Fernsehpfarrer bei der Primiz im Pfarrgarten von Bad Kohlgrub Rudolf Voderholzer, Primizprediger P. Roland Stemmler und Rainer Maria Schießler (von links)Foto: Schießler

Vom Giebel des Priesterseminars am Bismarckplatz flattert die frisch gewaschene Kirchenfahne: Heute um 8.30 Uhr weiht Bischof Dr. Rudolf Voderholzer im Regensburger Dom sechs Diakone zu Neupriestern..

„Rudi lief als Seminarist mit einer meterlangen Bayern-Fahne ins Stadion.“Rainer M. Schießler

Diesmal ist es ein ganz besonderer Tag für Rudolf Voderholzer. Er hat vor 30 Jahren im Freisinger Dom selbst sein „adsum“ gesprochen. Er war bereit zum priesterlichen Dienst. Mehr als ein Dutzend Pfarrer aus dem Bistum München-Freising haben deswegen am Montag um 11 Uhr einen gemeinsamen Termin im Dom St. Peter. Dr. Voderholzer hat anlässlich des Priesterjubiläum seinen Weihekurs eingeladen. Unter den Gästen ist ein Pfarrer-Original: Rainer M. Schießler, Bayerns bekanntester Pfarrer. Er hat beim BR eine eigene Talkshow: „Pfarrer Schießler - Gäste & Geschichten“.

Bayern-Fan und Löwenfreund

Im Juni 1987 hat Kardinal Wetter 18 Diakone, heute alles Männer Ende 50, zum Priester geweiht. Der bekannteste von ihnen ist der Pfarrer von St. Maximilian, Rainer M. Schießler. Er schätzt den Regensburger Bischof als Freund, obwohl die beiden Theologen Welten trennen – sportliche Welten: „Ich hab ihm schon damals gesagt: Du bist beim falschen Fußballclub. Ich bin ein Blauer, ein Löwe, er ist ein Roter. Rudi lief als Seminarist mit einer meterlangen Bayern-Fahne ins Stadion.“

Voderholzer war schlau und setzte schon damals aufs richtige Pferd. Schießler, der Underdog aus München-Laim, folgt seinem Herzen. Mit unkonventionellen Methoden hat er sich im Markt des Heils zur Marke gemacht. „Man muss nicht Bischof sein, um berühmt zu werden“, sagt Schießler am Autotelefon. Als einfacher Gemeindepfarrer hat er den Vorteil, seine eigene Pressestelle zu sein. Man erreicht ihn immer und zu jeder Zeit. Er ist unterwegs zu einem Vortrag beim deutschen Handwerkstag, ruft auf eine Mail-Anfrage hin selber aus dem Auto an. Im Gepäck hat er sein neuestes Buch mit dem (für einen Pfarrer) unerhörten Titel:„Himmel, Herrgott, Sakrament – Auftreten statt Austreten“. Ein – Pardon! – sauehrliches Buch. In seiner Pfarrei hat Schießler die meisten Neueintritte in einer Pfarrei bundesweit. 40 bis 60 kommen pro Jahr wieder zurück. Aber 120 gehen. Das tut Rainer M. Schießler weh.

Dr. Voderholzer ist Bischof. Schießler kennt man auch ohne Amt. Sieben Jahre opferte der Pfarrer von St. Max seinen Urlaub und verdingte sich als Bedienung im Schottenhamel-Zelt beim Oktoberfest. Noch heute lässt er zur Wiesn Oktoberfest-Bedienungen bei sich im Pfarrhaus übernachten. Den Erlös seiner Kellnertätigkeit spendete er für afrikanische Kinder.

Für ihn war das ein künstlerisches Projekt, wie der unkonventionelle Seelsorger in einem Interview bekannte: „Ich habe hier angefangen, weil mich immer das Verhältnis zwischen Kirche und Arbeiterschaft interessiert hat. Ich dachte: Wenn der Kirche die Leute davonlaufen, dann komme ich zu ihnen und laufe ihnen hinterher, mit Masskrügen in der Hand.“

Im Domkapitel ist die Verbindung Schießler und Voderholzer nicht bekannt. Aber einigen Domherren ist aufgefallen, dass der Bischof noch nie ein schlechtes Wort über „diesen Pfarrer Schießler“ hat fallen lassen. Die beiden sehen sich zwar nicht, aber ziehen voreinander den Hut. Schießler nennt ihn „ein ungemein gescheites Haus“ aus einer gescheiten Familie. „Ein Bruder leitet die Roseneck-Klinik am Chiemsee, ein anderer Bruder ist Internist in Berlin.“ Seine Karriere sei nicht vom Himmel gefallen. „Er hatte ein Einser-Abitur. Das was er jetzt ist, das kommt nicht von ungefähr.“

Nach seiner Bischofsweihe hat ihm Schießler gratuliert. „Du bist der richtige.“ Schießler verfolgt mit Hochachtung, wie Bischof Voderholzer den Missbrauchsskandal aufgearbeitet hat. „Es hat ihm wirklich in der Seele wehgetan, dass so etwas passiert ist.“

Der Kontakt zwischen den Männern besteht aus einem weiteren Grund. Rainer M. Schießler: „Wir haben fast gleichzeitig Geburtstag. Ich am 7. Oktober, Rudi am 9. Oktober. Wir schreiben uns.“ Schießler ist mit 57 Jahren der Jüngere von Beiden. Am Montag sehen sie sich nach 30 Jahren wieder: Da sind treffen sie nicht als der „plakative Reformer“ und der „konservative Bischof“ aufeinander, sondern als Rudi und Rainer. „Weißt du noch wie wir im Priesterseminar die Zeitung Rundbogen machten?“ Rudi war selbstverständlich „federführend“.

Gemeinsamer Primizsegen

Es gibt Bilder von den Beiden. Auf zweien sieht man Rainer M. Schießler und Rudolf Voderholzer am Tag von Schießlers Primiz in Bad Kohlgrub am 28. Juni 1987. Sie spenden den Primizsegen. Primizprediger ist P. Roland Stemmler, lange Militärdekan in Regensburg. Heute leitet er das Kapuzinerkloster Clemenswerth in Sögel, Niedersachsen. Schießler steht auf dem Bild da wie „Kindlein“ aus den Lausbubengeschichten. Voderholzer ist der in sich gekehrte Intellektuelle.

Seit 1981 waren die beiden ungleichen Freunde gemeinsam im Seminar. Zu den Beweggründen, Priester zu werden, äußerte sich Bischof Voderholzer anlässlich der Priesterweihe 2013 im MZ-Interview so: „Meine Entscheidung ist langsam gewachsen – noch in den letzten Jahren des Gymnasiums. Ich habe den Glauben kennengelernt als Kraft, die das ganze Leben befruchtet, also auch im Deutschunterricht, in der Physik oder im Kunstunterricht der entscheidende Orientierungspunkt ist.“ Rainer Schießler dagegen zeigte sich überwältigt von einem Erlebnis bei den Kennenlerntagen bei den Kapuzinern. Er lebte das Gebet der Mönche als „reinen Klang“, als „Einssein mit der Schöpfung“, schreibt er in seinem Buch „Himmel, Herrgott, Sakrament“.

Schießler trat bei den Kapuzinern ein (und wieder aus), Voderholzer leistete Militärdienst. Selbst in der Grundausbildung hatte er immer ein gelbes Heftchen aus der Reklam -Universalbibliothek dabei. Er las die „Confessiones“ von Augustinus. Während Schießler später mit seinem Theologiestudium vollauf beschäftigt war, studierte Voderholzer noch nebenbei bei den Jesuiten Philosophie. Schießler sagt das „ohne Neid und Zorn“. „Rudi war kein Streber. Er hat nie angegeben, das macht ihn mir sympathisch.“