Medizin
Hausarzt-Rekord an der Regensburger Uni

Nirgendwo anders entscheiden sich so viele Studenten für die Allgemeinmedizin – und wollen sich in der Region niederlassen.

29.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:30 Uhr
Heinz Klein

Allgemeinmediziner werden als Generalisten gerade angesichts der Altersstruktur der Bevölkerung immer mehr gefragt sein. Um so erfreulicher ist, dass viele Medizinstudenten aus der Region kommen und sich als Hausärzte hier auch niederlassen wollen. Foto: dpa

Die Region Regensburg darf sich glücklich schätzen, denn die künftige Versorgung mit Hausärzten scheint langfristig gesichert zu sein. Unter den Studenten, die an der Regensburger Universität Medizin studieren, entschieden sich in den letzten Jahren 25 Prozent der Absolventen für eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin. Viele von ihnen wollen sich nach der fünfjährigen Facharztausbildung auch in Regensburg oder den ländlichen Regionen Oberpfalz und Niederbayern niederlassen. Diese hohe Hausarzt-Quote und die Verbundenheit mit der Region schlagen alle Rekorde. Im bundesweiten Durchschnitt entscheiden sich nur etwa zehn Prozent der angehenden Medizinder für die Facharztausbildung in Allgemeinmedizin.

72 Praxen engagieren sich in Lehre

Das gute Renommee der Allgemeinmedizin und der Regensburger Rekordwert haben wohl auch etwas mit der Ausbildungsstruktur zu tun, die durch eine eng verzahnte Kooperation von niedergelassenen Allgemeinmedizinern und der Universität gewährleistet wird. Ein Modell, das heuer sein 20-jähriges Bestehen feiern kann. Aus der Taufe gehoben wurde das „Projekt Allgemeinmedizin“ 1997 von Dr. Brigitte Ernst und Dr. Michael Braun. Bald war auch Dr. Carl Rauscher mit im Boot, der die Aus- und Weiterbildung der Allgemeinmediziner auch als persönliche Herzensangelegenheit vorantrieb und seit 2003 das Fach an der Universität Regensburg lehrt. Ab Sommer 2017 tut er dies im Rahmen einer Honorarprofessur.

Aus anfänglich zwölf Lehrpraxen, die sich mit einer didaktischen Schulung auf die Lehre im Fach Allgemeinmedizin vorbereiteten und diese dann 1998 begannen, sind mittlerweile 72 Lehrpraxen geworden, die nach Qualitätskriterien ausgewählt werden. Im Jahr 2007 wurde das Projekt mit Gründung einer Lehr- und Forschungseinheit Allgemeinmedizin formalisiert. 2011 bauten die Kooperationspartner zusätzlich zur Ausbildung im Studium auch die Strukturen für die Weiterbildung auf und gründeten gemeinsam mit regionalen Kliniken den Weiterbildungsverbund Ostbayern-Mitte. Der organisiert und regelt die fünfjährige Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, in deren Rahmen die jungen Mediziner drei Jahre in Kliniken und zwei Jahre in Praxen niedergelassener Ärzte arbeiten.

Prof. Dr. Carl Rauscher sieht für die Allgemeinmedizin ohnehin eine große Zukunft. Das liegt schon in der Aufwertung begründet, die dem Fach mit dem Masterplan 2020 bevorsteht. Neben der Inneren Medizin und der Chirurgie gewinnt die Allgemeinmedizin als drittes Hauptfach des Medizinstudiums wesentlich an Bedeutung. „Neben all den Spezialisten werden vor allem Generalisten gebraucht, die den Patienten als Ganzes sehen und Krankheitsbilder zusammenfassen können“, sagt Rauscher. Die Allgemeinmediziner sind es dann auch, die gerade beim älteren Patienten, der an mehreren Krankheitsbildern leidet, den Überblick bewahren müssen. Internisten und Allgemeinmediziner werden diese Generalisten sein, ist Prof. Rauscher überzeugt.

Während man in den 80er Jahren eine Weiterbildung zum praktischen Arzt noch in einem halben Jahr absolvieren konnte, sind die Anforderungen heute in der Aus- und Weiterbildung hoch. „Die Allgemeinmediziner müssen echt was können“, bestätigt Carl Rauscher, der seit 2001 als Prüfer an die bayerische Landesärztekammer berufen wurde. „Es ist herrlich zu sehen, wie der Qualitätsstand nach oben geht“, schwärmt der Prüfarzt.

Interessant ist zudem, dass etwa 70 Prozent der Absolventen des Medizinstudiums an der Universität Regensburg in der Region geboren und in der Region verwurzelt sind und die Bereitschaft offenbar hoch ist, sich nach der Ausbildung auch in der Region niederzulassen. „Doch ohne das Angebot einer gut strukturierten und eng verzahnten Aus- und Weiterbildung dürfte es trotz aller Verwurzelung nicht gelingen, so viele Kollegen für das Fach Allgemeinmedizin und zur definitiven Entscheidung für eine Niederlassung zu motivieren“, ist sich Prof. Rauscher sicher.

Drohende Überalterung der Ärzte

Seit 15 Jahren kommt Carl Rauscher dem Lehrauftrag an der Universität nach. Der rührige Allgemeinmediziner ist in vielen medizinischen Gremien vertreten, war Gründer des Regensburger Ärztenetzes mit vielen Qualitätszirkeln und ist seit langem Vorstandsmitglied im Ärztlichen Kreisverband Oberpfalz.

Obwohl im Rahmen von Spezialisierungen vieler Fächer regional eine Überversorgung mit Ärzten besteht, darf die demografische Entwicklung nicht übersehen werden. Die daraus resultierenden geriatrischen Probleme werden eine echte Herausforderung darstellen. Es besteht akut Handlungsbedarf, um die zu erwartenden Polymorbidität der Zukunft zu stemmen.Etwa 45 Prozent der Allgemeinmediziner in der Stadt sind aber älter als 55 Jahre. Es werden sich durch die Überalterung auch der Ärzte bald Lücken auftun, kündigt Rauscher an: „Wir werden in den nächsten fünf, sechs Jahren viel nachbesetzen müssen.“ Und trotz des Nachschubs vieler Allgemeinmediziner werde das den Bedarf zunächst nicht decken können.