Premiere
Hemauer Stadtrat schrieb erste Kömödie

Stefan Mirbeth hat ein abendfüllendes Lustspiel geschrieben. Es zeigt, was hinter geschlossenen Rathaus-Türen passiert.

24.10.2018 | Stand 16.09.2023, 5:57 Uhr
Heiner Stöcker

Im Zehentstadel laufen die Proben. Autor und Regisseur Stefan Mirbeth hat alles im Auge. Fotos: Stöcker

Sabine Hiltl und Klaus Schmidmeister starren sich an. „Ja, was ist denn hernach?“, ruft er halb klagend, halb anklagend und voll genervt aus. Zum zehnten Mal wirft sie ihm triumphierend eine blaue Schürze über den Kopf. „Gratuliere! Du bist der Mittelpunkt Europas!“ Und Schmidmeister ist erstmal reichlich perplex.

Zumindest scheint er das zu sein. Denn es ist alles nur gespielt. Die beiden proben eine Szene aus dem neuen Stück „Der Mittelpunkt Europas“. Das stammt aus der Tastatur von Stefan Mirbeth. Es ist sein erstes abendfüllendes Lustspiel als Stückeschreiber. Aber nicht als Regisseur. Mirbeth ist studierter Theaterwissenschaftler und bringt regelmäßig bayerische Klassiker und Komödien mit der Theatergruppe des Hemauer Kulturstadels auf die Bühne.

Aus Spiel wurde Ernst

Die kleine Theatertruppe gibt es seit 2006. „Eigentlich wollten wir mit dem Projekt gar nicht auftreten“, sagt Sabine Hiltl in einer Probenpause. Der Kreis traf sich und las Thoma-Texte. Aber aus Spiel wurde Ernst, und irgendwann hat das Team die Texte dann doch aufgeführt.

Das war vor 12 Jahren die Initialzündung. Die bislang größte Öffentlichkeit erreichte die Theatergruppe 2017: Kabarettist Jürgen Kirner hatte sein erstes Theaterstück geschrieben. In Hemau wurde es uraufgeführt, im März 2018 war TV-Premiere.

In dem Dreiakter war zwar der Großvater – ganz in Bauerntheater-Tradition – immer noch ein Schlitzohr. Aber der junge Erbe brauchte nicht mehr zwangsläufig eine Frau fürs große Glück. Bei Kirner durfte es auch ein Mann sein. Die „Bäcker braucht Frau oder die Liebe ist für alle da“-Premiere feierte einen riesen Erfolg. Und so manches, was der seit 36 Jahren in München lebende Kabarettist und Musiker (Couplet AG) in seiner Realsatire verarbeitet hat, war autobiografisch.

So auch Mirbeths „Der Mittelpunkt Europas“. Als langjähriger Kommunalpolitiker kann er über die Gerüchte und Vorgänge in einem kleinen Rathaus, über die andere nur spekulieren können, aus erster Hand berichten. „Wir werden ja die Landrätin, den Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker bei der Premiere am Donnerstag als Ehrengäste da haben – ich bin gespannt, wie die reagieren“, sagt Stadtrat Mirbeth. Er freut sich drauf.

„Ich weiß selber nicht, wie viel von dem, was wir da gerade Proben, aus der Realität stammt“, sagt Wolfgang Kamm. Interessieren würde es ihn aber schon. Es sind Laien, die die Stücke in Hemau zum Leben erwecken. Kleines Budget, wenig Aufwand – aber dafür die pure Lust am Spielen. „Und das macht für mich den Reiz aus“, sagt die Rampensau Kamm.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit in der Verwaltung eines Krankenhauses tingelt er als Kleinkünstler mit seiner Gitarre und einem Koffer voller Charaktere jede Woche über die Bühnen des Freistaats. Aber dem Theater gehört seine große Leidenschaft. „Seit 1990. Da haben wir Maler und Lackierer mitbekommen, dass in dem Gebäude, das wir gerade sanieren, unter dem Dach ein Theater entstehen soll.“ Das war das Turmtheater in Regensburg und da hat Kamm Blut geleckt. „Da wollte ich mitmachen.“ Seitdem hat Kamm mindestens in einer Produktion pro Jahr mitgewirkt. „Aber in den letzten Jahren hat sich das eher auf zwei bis drei ausgeweitet. Da kann’s dann mal passieren, dass der Hubert Treml von ‚die Ladenhüter‘ anruft, mir einen Text schickt, und sagt, in zwei Wochen ist Premiere‘.“

Und Kamm kann. Sei es als Theaterdirektor Striese im „Raub der Sabinerinnen“ oder als indischer Pfarrer im Kirner-Dreiakter von 2017 – „Mir macht’s Spaß.“ Da schreckt er auch vor Sprachunterricht beim „Native Speaker“ nicht zurück. „Ich musste mal ein ganzes Stück sächsisch reden. Zum Glück gab’s in der Arbeit ein paar muttersprachliche Kollegen, die ich um Hilfe bitten konnte.“

Stücke werden rar

Kamm, Hiltl und Schmidmeister sehen die Problematik: „Stefan (Mirbeth) hat ein sehr gutes Händchen damit, Stücke auszuwählen, die beim Publikum ankommen und die zu unserer kleinen Truppe passen. Aber: Die Stücke werden immer weniger. Kein Wunder also, dass er sich jetzt selber mal hingesetzt und was zu Papier gebracht hat.“

„Das stimmt schon“, sagt Mirbeth. Aber es sei auch etwas anderes gewesen. „Ich hatte die Idee schon lange im Kopf – und dann hat ein Radio-Feature genau zu dem Thema den Ausschlag gegeben.“ Worum es geht, wolle er noch nicht verraten. „Wir müssen jetzt erstmal den Erwartungen gerecht werden.“ In Rekordzeit waren die geplanten sieben Aufführungen ausverkauft. Kurzfristig hat das Team dann noch eine Zusatzvorstellung auf die Beine gestellt. „Jetzt schauen wir mal, wie’s überhaupt ankommt.“ Vielleicht bringt die Theatergruppe das Stück dann noch mal auf die Bühne.