Lesung
Heribert Prantls verlorene Geliebte

Der bekannte SZ-Journalist und gebürtige Oberpfälzer Heribert Prantl stellte in Regensburg sein neues Buch „Kindheit“ vor.

08.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:59 Uhr
Claudia Böckel

Heribert Prantl ist in Nittenau aufgewachsen. Regelmäßig zieht es ihn in die Oberpfalz zurück. Foto MZ-Archiv/altrofoto.de

Bis auf den letzten Platz ist das Auditorium im Thon-Dittmer-Palais gefüllt: Heribert Prantl liest auf Einladung der VHS, der Montessorischule und der Regensburger Eltern aus seinem neuen Buch „Kindheit. Erste Heimat“. (Mitveranstalter: KJF und Buchhandlung Dombrowsky.) Es gibt nur wenige Menschen, die so offene Worte sprechen und schreiben wie der Journalist, Jurist und Spitzen-Medien-Mann Prantl – und die das auch noch auf so launige Art und Weise tun. Für ihn sei diese Veranstaltung so was wie ein Heimatabend, sagt er. Und: Die Kindheit bewege jeden Menschen, sie sei aber auch ein politisches Thema. Mit den im Buch abgedruckten Leitartikeln für die Süddeutsche Zeitung, meist zu den Festtagen geschrieben, wirft er Schlaglichter auf die Fragen nach einer glücklichen Kindheit, danach, „was Familie ist“, nach autoritären und antiautoritären Methoden, nach Erziehung vor und nach Rousseau.

Der Unterbau für das ganze Leben

Und er findet Antworten, bringt sie auch mal in Form eines Aphorismus an den Mann/die Frau: „Familie ist der Ort, an dem der Mensch zu Ende geboren werden kann. Eine gute Kindheit ist eine Kindheit, die getragen wird von der antiautoritären Autorität des Herzens.“ Ein Unterbau für ein ganzes Leben eben.

Prantl macht einen Versuch über die Lehrer: Ein guter Lehrer sei einer, der nicht Biologie unterrichte, sondern in Biologie. Er sei ein Künstler, der ein Tor zur Welt öffnen könne. Und: Eine Gesellschaft, die schlecht mit ihren Lehrern umginge, habe Glück, wenn die Lehrer gut mit den Schülern umgingen. In einem seiner Lieblingstexte sieht Prantl den Heiligen Josef als modernen Helden, macht sich Gedanken über die Jungfrauengeburt und darüber, dass ohne Zutun männlicher Potenz etwas ganz Neues zur Welt kommt. „Es bräuchte eine Vermehrung der Josefs in dieser Welt; dann würde sie menschlicher.“

Die Hymne könnte von Gluck sein

Regensburg sieht Prantl als eine verlorene Geliebte, berichtet über die ihm gestellte Frage, welchen Ort sein Europa habe: „Mein Europa sind drei Möbelstücke, sehr alt, sie gehören nicht mir, sie stehen nicht bei mir. Eine lange Bank, ein grüner Tisch, ein Konfekttischchen.“ Für ihn ist Regensburg ein europäischer Ort, von 1663 bis 1806 Mittelpunkt Europas, der heute vielleicht wieder das Zeug hätte, europäische Identitäten zu verfestigen. Ein Hymne fiele ihm auch gleich ein für das Land zwischen Regensburg und Prag:Glucks „Reigen seliger Geister“.

Zum Thema Einwanderer will er nur einen Satz sagen, dem das Auditorium gebannt lauscht. Das Land müsse Heimat bleiben für die Altbürger und Heimat werden für die Neubürger. Er wünsche sich, dass unser Land zukunftsstabil werde, dass vielleicht aus dem Land Europa und dem Land zwischen Regensburg und Prag etwas entstehen könne, worauf wir in 20 Jahren stolz sein können. Man kann mit einem Vorspruch aus seinem neuen Buch sagen:Es ist ein Glück für uns, wenn wir Heribert Prantls Geschichten, Texten und Ausführungen zuhören, die Angst vertreiben und Neugier wecken.

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