Heimat
Hort in Stamsried hat eine lange Geschichte

Im Jahr 1878 erhielt die damalige „Anstalt“ für arme, elternlose Kinder den kirchlichen Segen. Seitdem hat sich viel verändert

26.01.2022 | Stand 15.09.2023, 21:34 Uhr
Jakob Moro
Bei kirchlichen und gesellschaftlichen Ereignissen waren und sind Kinder der Gerhardinger Kindertagesstätte stets dabei; im Hintergrund der erste Kindergarten am Marktplatz (heute Zahnarztpraxis) −Foto: Jakob Moro

Der Stamsrieder Kindergarten hat eine lange Geschichte. Die Anfänge gehen weit über das vorige Jahrhundert hinaus, als es noch keine derartigen Einrichtungen gab.

Unter dem Namen „Kleinkinderbewahranstalt“ wurde der Hort auf Initiative einiger Stamsrieder ins Leben gerufen. Die „Anstalt“, so hieß damals der Kindergarten, wurde am 15. Oktober 1878, am Namenstag der hl. Theresia, der Namensgeberin, gesegnet. Die Weihe nahm Pfarrer Wolfgang Schreiner, ein gebürtiger Stamsrieder, vor.

Die Kinderbewahranstalt war eine doppelte Einrichtung: ein Waisenhaus für arme und elternlose Kinder und ein Kindergarten für vorschulpflichtige Kinder. Über 20 Jahre dauerte es bis zur Eröffnung. Bereits 1854 erkannte Lehrer Adam Handl die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung.

Er schenkte den Armen Schulschwestern 150 Gulden und schrieb Bittbriefe an fast alle Bischöfe der Welt. Da gab es viele Wohltäter, an der Spitze Pfarrer Georg Hofmann aus Stamsried, der 12 000 Mark für die Betreuung armer Mädchen gab. Hofmann war Müllerssohn von der Pointmühle. Pfarrer Moritz Kießling kaufte das Rotbäckerhaus Nr. 120 am Marktplatz bei der Kirche. Das Stiftsvermögen wurde dafür verwendet. An die Stelle des Hauses wurde ein neues, stattliches Gebäude (heute Zahnarztpraxis) errichtet. Kießling überzeugte den Orden der Armen Schulschwestern von seinem Vorhaben.

Eine Erziehungsschwester des Ordens betreute die Kinder. 16 arme Mädchen aus dem Bezirk Roding fanden Aufnahme, erhielten Pflege und Unterricht. Die Armen Schulschwestern übernahmen die Betreuung. Die Kleinkinder Stamsrieds standen kostenlos von morgens bis abends unter Aufsicht, wurden belehrt und beschäftigt. Die „menschenfreundliche Einrichtung“ war in der Zeit des Dritten Reichs in Gefahr. In einem Brief vom 9. August 1938 an den Bischof von Regensburg bat die Generaloberin der Armen Schulschwestern um die Auflösung der Erziehungsanstalt, da sie nur noch fünf Mädchen zählte. Mit dem Abbau der klösterlichen Schulstellen durch die Nationalsozialisten mussten die vier Lehrschwestern ihre Dienstwohnung im Mädchenschulhaus räumen und in das ordenseigene Haus am Marktplatz übersiedeln.

Mit Schreiben vom 31. Juli 1941 des Landratsamtes Roding wurde den Schulschwestern Stamsried mitgeteilt, dass der konfessionelle Kindergarten mit sofortiger Wirkung aufgelöst wird. Es wurde ein NS-Kindergarten eingerichtet. Die NS-Verwaltung von Roding wollte das Haus um jeden Preis für ihre Zwecke in Beschlag nehmen, was jedoch nicht gelang.

1945 wurde die Leitung des Kindergartens wieder den Schulschwestern übertragen. Schwester Carina Bäuml übernahm die Betreuung. 1971 entsprach der Hort nicht mehr dem Kindergartengesetz. Die Räume erwiesen sich später als zu klein. Die Kirchenverwaltung beschloss, neu zu bauen (Gerhardinger Straße) und übernahm die Trägerschaft des Kindergartens. Heute hat der Hort zwei Gruppen (Marienkäfer, Schmetterling) und eine Kinderkrippe für zwölf Kinder (Die Schneckerln) in der Trägerschaft der Katholischen Kirchenstiftung. (rjm)