Natur
Im grünen Reich der Raritäten

In der Peisinger Gartenstraße gärtnern zwei Bäuerleins. Sie hegen und pflegen hier über 5000 Pflanzensorten und -arten.

04.04.2019 | Stand 16.09.2023, 5:40 Uhr
Gabi Hueber-Lutz

Horst Bäuerlein ist nicht nur Rettungsassistenz sondern hat auch ein gutes Händchen für Pflanzen. Foto: Hueber-Lutz

Manche Reaktionen kommen etwas zeitverzögert. Gibt es „Bäuerleins Grüne Stube“ nicht mehr, fragte eine Bad Abbacher Spaziergängerin kürzlich in unserer Redaktion nach. Der Grund: Die große Fläche der Gärtnerei in der westlichen Gartenstraße trägt keine Blüten mehr. Die Gärtnerei gibt es trotzdem noch.

Die ganze Pracht ist jetzt nur ein paar hundert Meter weiter in der südlichen Gartenstraße zu bestaunen. Dort haben sich Ingrid und Horst Bäuerlein zwar schon vor längerer Zeit angesiedelt. Die Fläche weiter unten haben sie aber nun aufgegeben. Schon vor vielen Jahren haben sie begonnen, auf der neuen Fläche ihren Garten anzulegen.

Vier Hände, 8 000 Quadratmeter

Die erste Anpflanzung auf dem neuen Grundstück ist schon älter. Zunächst legten Bäuerleins eine Buchenhecke an, um den Wind an dieser zugigen Stelle etwas fern zu halten. Eine Zeit lang hat das Ehepaar dann beide Flächen parallel kultiviert. Aber zweimal jeweils fast 8 000 Quadratmeter Fläche zu bepflanzen und zu pflegen, das kann man zu zweit nicht auf die Dauer leisten, sagt Ingrid Bäuerlein. Beide sind sie 57 Jahre alt und haben sich entschlossen, dass einmal 8 000 Quadratmeter auch reichen. Zumal Horst Bäuerlein auch noch als Rettungsassistent beim Roten Kreuz arbeitet.

Das Gärtnern ist zwar eine gemeinsame Leidenschaft, die schafft aber auch Leiden. Zum Beispiel, wenn der Rücken anfängt zu zwicken. Trotzdem ist die Liebe zum Garten ungebrochen. Rein wirtschaftlich dürfe man das nicht betrachten, da sind sich beide einig. „Sein Einkommen könnte man in weniger Zeit und mit weniger Aufwand auch erreichen“, betont Horst Bäuerlein. Und seine Frau kommt fast ein wenig ins Philosophieren: Wegen des Einkommens sei wohl noch nie jemand Gärtner geworden. So ein Garten will seinen Herrn quasi täglich sehen. Wenn man einmal drei Tage nichts macht, kennt man das am vierten Tag. Im Winter ist natürlich Ruhezeit, aber selbst da wären zwei Wochen Urlaub schon zu viel. Spezialitäten spielen eine große Rolle in der Grünen Stube. Auf die Pflanzen, die von Großgärtnereien produziert werden, verzichten Bäuerleins. Dafür finden sich weit über 5 000 verschiedene Pflanzenarten und -sorten in ihrem Garten.

Online-Handel keine Konkurrenz

Der Online-Versandhandel betrachten beide nicht als große Konkurrenz. Auch sie nutzen diesen Vertriebsweg, denn oft wollen Kunden aus weit entfernten Orten einige der Spezialitäten haben, die bei Bäuerleins heranwachsen. Eine wesentliche Rolle spielt der Online-Vertrieb für sie aber nicht. Sicher gebe es viele Betriebe die davon leben. Zum einen wolle man das aber nicht, Zum andern ist es mit einem Sortiment, das viel auf Raritäten setzt, gar nicht so möglich. „Immer alles parat zu haben, funktioniert mit Raritäten nicht.“ Aber ein echter Liebhaber weiß, dass Pflanzen keine Massenware sind und wartet auch mal ein wenig. Die Kunden der Gärtnerei sind ganz unterschiedlich. Die Jäger und Raritätensammler sind genauso dabei wie die Einsteiger, die noch keine Ahnung haben und die Beratung schätzen oder die Familie, die den Garten ihres neuen Hauses anlegen möchte.

Weil Bäuerleins immer wieder etwas Neues ausprobieren, ist auch das Sortiment immer wieder anders. Sehr viele Wildpflanzen sind dabei. Zum Beispiel Seseli gummiferum, eine Pflanze mit silbergrauem Laub, einer rosa Knospe und weißer Blüte. Sie stammt aus Steppengebieten und Bäuerleins haben sie im Austausch mit anderen Gärtnern kennengelernt. Jedes Jahr werden unter Gärtnern Sämereien getauscht. Wenn man Glück hat, bekommt man auch ein paar Samen von Neulingen.

So ein Neuling in der eigenen Pflanzenpalette wird dann erst einmal über mehrere Jahre hinweg beobachtet. Zum Beispiel Seseli gummiferum, das Trockenheit gut vertragen kann. Das Stichwort dazu ist klar: Klimawandel. Für das Gärtnerehepaar steht der außer Frage: „Wer den Klimawandel leugnet, sitzt den ganzen Tag in einem klimatisierten Büro.“ Ihre Beobachtung ist, dass der Wind immer zunimmt. Und so viel gegossen wie dieses Jahr im März hätten sie auch noch nicht.

Wie auf der ersten Fläche, die sie bewirtschaftet haben, wachsen auch in dem neuen Garten immer noch mehrere hundert Sorten Pfingstrosen heran. Oft sei es so, dass die Kunden zur Blütezeit kommen, sich Pflanzen aussuchen und sie dann im Herbst zur Pflanzzeit als Wurzelware abholen. Noch steht die große Explosion der Farben und Formen in dem liebevoll angelegten Gärtnereigrundstück bevor. Im Moment ziehen deshalb ein paar lebensgroße Deko-Schafe mit farbigen Pullovern die Blicke noch auf sich. Als Zuckerl für den Enkel wohnen schon seit einige Zeit im Birkenhain der Großeltern.

Weitere Nachrichten aus dem Landkreis Kelheim finden Sie hier