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Influencer spalten die Gemüter

Werbe-Ikonen zeigen auf Instagram eine perfekte Welt. Studien warnen vor dem Einfluss. Oberpfälzer sehen das differenziert.

11.05.2018 | Stand 11.05.2018, 5:30 Uhr

Mehr als 170 000 Fans folgen Anna Wilken auf Instagram. Sie stammt aus dem niedersächsischen Wittmund und ist im Vorjahr nach Regensburg gezogen – aus Liebe zu Jahnspieler Sargis Adamyan. Bekannt wurde sie durch „Germany’s Next Topmodel“. Foto: altrofoto.de

Anna Wilken aus Regensburg postet Instagram-Bilder aus dem kalifornischen Desert Hot Springs. Sie trägt Flechtfrisur und Hippie-Bluse. Das ist der Look fürs Coachella Music Festival, das sie dort besucht. Fabian Nießl aus Schwandorf zeigt Muskeln und die tätowierte Brust. Ligia Krol-Osesek aus Sulzbach-Rosenberg tritt alle paar Tage in einem neuen, superengen Minirock auf. In glamourösen Kleidern und auf Urlaub im exklusiven Gstaad posiert Elisabeth von Thurn und Taxis. Die Vier gelten als Influencer, vom englischen „to influence“ (beeinflussen). Tausende von jungen Leuten folgen ihnen auf der Plattform.

Die Fotowelt der Influencer wirkt auf den ersten Blick perfekt. Sie werben für Mode, Fitness, Kosmetik und Reisen. Die Follower bewundern oder kritisieren den Lebensstil, beschäftigen sich jedenfalls damit. Ideal für Modelabels oder Hersteller von Fitnessnahrung: Sie erreichen die Zielgruppe direkt.

Die Jugendlichen, die den Influencern folgen, und vielleicht nicht ganz so polyglott, mager oder muskulös sind, leiden oft darunter. Das sagen zwei Studien. Ein neues Gutachten der DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf behauptet, dass rund 100 000 Kinder und Jugendliche (2,6 Prozent) von Social Media abhängig sind. Jungen und Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren verbringen demnach im Schnitt zweieinhalb Stunden täglich mit sozialen Medien. Spitzenreiter in der Nutzung ist WhatsApp, gefolgt von Instagram. „Viele Kinder und Jugendliche chatten, posten und liken von früh bis in die Nacht“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. Die Krankenkassenstudie stellt einen Zusammenhang zwischen Social-Media-Abhängigkeit und Depressionen her. Bei Kinder- und Jugendpsychiatern gehen die Meinungen darüber auseinander.

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Eine Studie der britischen Royal Society for Public Health im vergangenen Jahr kritisiert Instagram stark. Es sei das soziale Netzwerk mit den schlechtesten Einflüssen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Nutzer.

Die Angst vor der Reaktion

Anna Fieber aus Kulmbach, die in Regensburg Betriebswirtschaft studiert, hat das selbst erlebt. Sie hatte 30 000 Follower, also Leute, die ihr auf Instagram folgten und ihre Fotos betrachteten. Anfang 2018 empfand sie das nur noch als Druck und hatte genug vom schönen Schein. „Bilder zu posten, machte mir keinen Spaß mehr, da ich ‚Angst‘ vor der Anzahl der Likes hatte“, schreibt sie in ihrem Blog. „Was mich am meisten gestört hat, war, dass die Instagram-Welt teilweise so oberflächlich geworden ist“, sagt die beinahe 20-Jährige zur Mittelbayerischen. „Was einst eine Seite war, die zum Austausch, Tipps geben und Inspiration holen diente, ist heute ein großer Wettbewerb.“ Anna Fieber schloss den Account.

Die Abiturientinnen Anna Teuschl und Kassandra Schneider aus Regensburg nutzen Instagram sehr gerne. Sie sind aber überzeugt, dass die Foto-Plattform mit ihrer geschönten Welt Jugendlichen in der Pubertät durchaus schaden kann. „Jüngere lassen sich moralisch und sprachlich beeinflussen“, beobachtet Anna (18). Freundin Kassandra (19) pflichtet ihr bei: „Vor allem für Jugendliche zwischen 13 und 15, also in einem Alter, in dem man sich noch selbst sucht, könnte es gefährlich sein. Instagram kann Stimmung und Handeln beeinflussen.“ Die jungen Frauen lassen sich gerne von Profifotografen und anderen Kreativen auf der Plattform inspirieren. Influencern folgen sie kaum. „Was die zeigen, entspricht nicht immer der Realität“, urteilt Anna.

Ist das eigene Leben langweiliger?

Trotzdem erwischt auch sie sich bei dem Gedanken, ob ihr eigenes Leben langweiliger sei. Schließlich paukt sie täglich für die Abiturprüfungen. Kassandra meint: „Ich bin in einem Alter, wo ich ganz gut weiß, wer ich bin und was mir guttut.“ Emil von Schwartzenberg, ein Regensburger, betrachtet Instagram aus ökonomischer Sicht. Der 18-Jährige beobachtet, wie sich Marken und Influencer darstellen. Er möchte Modefotograf werden und sich eine hohe Followerzahl aufbauen.

Wieder anders nähert sich der frühere Lehrer Josef R. Mulzer (69) dem sozialen Medium. Er inszeniert sich gerne.

Anna Fieber aus Kulmbach konnte Instagram doch nicht ganz lassen und fing im Februar 2018 klein wieder an. „Ich wollte Instagram wieder zu einer Seite machen, die mir Spaß macht und guttut. Ich will anderen Menschen zeigen, dass ich ein ganz normales Leben führe, auch mal schlechte Tage vorkommen und dass ich weiß Gott kein perfektes Leben habe“, erzählt sie.

Auf diese Idee käme Elisabeth von Thurn und Taxis nie. Ihre Welt zwischen London und New York soll perfekt erscheinen. Für Ligia Krol-Osesek aus Sulzbach-Rosenberg, Influencerin mit 58 000 Abonnenten, ist Instagram eine Flucht aus der realen Welt. „Mein Profil dort ist das perfekte Leben, das ich gerne hätte“, mailt sie der MZ.

Andere Influencer aus der Region lassen im Netz zunehmend durchblicken, wer sie wirklich sind und geben Privates preis. Bodybuilder Fabian Nießl beantwortet jeden Kommentar seiner 120 000 Follower. „Die schätzen mich als Menschen, das möchte ich ihnen zurückgeben. Ohne Community wäre ich nichts.“ Er filmt Instagram-Stories mit Hund oder beim Einkaufen. Anna Wilken beleuchtet nicht nur die Modelseite, sondern spricht über ihre Endometriose, eine chronische Krankheit. Das zieht natürlich weitere Fans an.

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