Lebensmittel
Irinas wunderbare Welt der Tomaten

Für Liebhaber der roten Frucht ist der Blattenhof bei Maxhütte-Haidhof ein Paradies. Geschaffen hat es Irina Zacharias.

12.05.2017 | Stand 16.09.2023, 6:34 Uhr
Marion Lanzl

Irina Zacharias inmitten ihrer Lieblinge: Tomatenpflanzen in allen Formen und FarbenFotos: Lanzl

Sie stammt aus Mittelamerika, kommt bei uns zumeist aus Holland oder Spanien und wurde in den vergangenen Jahrzehnten zu einem schnittfesten, aber meist geschmacklosen Massenprodukt gezüchtet: die Tomate. Auf einem kleinen Hof in der Oberpfalz erleben die Vielfalt und der Geschmacksreichtum der roten Frucht eine Renaissance – in Irinas Tomatenparadies.

„Sie ist rot, kalorienarm und vitaminreich und voller Glückshormone, und sie versendet ein Signal von unwiderstehlicher Wirkung!“, verheißt der mehrfach prämierte Film von Maria Magdalena Koller „Triumph der Tomate“. Vor rund 500 Jahren wurde die Pflanze als „Tomatl“ von den spanischen Konquistadoren wegen der Leuchtkraft der gelben Blüten aus Südamerika importiert. Erst als Speise verkannt, startete das Gemüse einen weltweiten Triumphzug, denn die anfangs unscheinbare, blasse Frucht verwandelt sich durch das produzierte Lycopin in eine verlockend rote Schönheit und fand so im ausgehenden 19. Jahrhundert zunächst auf der Pizza Margherita Einzug auf die königlichen Tafeln in Neapel und dann in die Küchen der ganzen Welt.

Mit viel Liebe und Leidenschaft hat Irina Zacharias vor mehr als zehn Jahren begonnen, alte Sorten zu erhalten, neu zu kultivieren und Neue zu entwickeln. Mit 15 Tomatensorten, die meisten mitgebracht aus der alten Heimat Moskau, fing alles an. Heute kann Irina auf dem Einödhof, ihrem Zuhause, über 900 Tomatensorten, 180 verschiedene Chili- und Paprikasorten und zahllose Kräuter anbieten. Sie kennt ihre Zöglinge in- und auswendig, weiß um ihre Vorlieben, ihre Vorzüge und ihre Ansprüche. Auch kennt sie jede Nuance des Geschmacks und ihre beste Verwertung.

Die Leidenschaft zur exotischen Frucht wurde Irina schon in die Wiege gelegt. „Mein Vater hat in Russland schon alte Sorten gesammelt und gepflegt. Das war notwendig, um etwas auf den Tisch zu bekommen, und wurde dann auch zu seiner Passion“, erzählt Irina zwischen Hunderten von Pflänzchen und üppigen Blumenampeln im Treibhaus. Freundlich hilft sie ihren Kunden, die richtige Pflanze für den heimischen Balkon oder Garten aus den unendlich vielen Sorten auszusuchen. „Tomaten kann man auch prima im Topf ziehen!“, bestätigen auch einige Stammkunden.

Hof inmitten gelber Rapsfelder

Er ist nicht leicht zu finden, der kleine Blattenhof inmitten gelber Rapsfelder bei Maxhütte-Haidhof (Landkreis Schwandorf). Und doch stehen Autos aus Regensburg, München und Würzburg vor dem Anwesen. Zu Irinas Tomatensorten pilgern jährlich auch Kenner der universellen Frucht aus Österreich, der Schweiz und von der Nordseeküste. Qualität spricht sich eben rum.

„Seit zehn Jahren komme ich schon zu Irinas Tomaten. Ich nehme heute 100 Pflanzen mit, für uns und für Freunde und Bekannte“, erklärt eine Dame aus Franken. Sie hat eine Liste mit vielen Nummern und Namen in der Hand. Darunter die Sacharnaja sliva (Russisch: Zuckerpflaume), das Venus-Brüstchen, eine knackige Naschtomate, die ihrem Namen alle Ehre macht, und die Himbeerrote. Fantastische Titel, die Appetit machen. Auch die „Neuen“ im Mai, die dunkle sibirische Schwarze Tanne und Olirose de San Domingo, klingen nach mehr. „Zu den Bestsellern gehören das Ochsenherz, die Schlesische Himbeere und das Early Wonder“, freut sich Irina in ihrer kleinen Welt der Tomaten, Paprika und Kräutern.

„Dieses Jahr ist der Verkauf ab Hof noch ein bisschen schöner und vielfältiger geworden. Wie immer mit ein paar Spinnereien, die sich ein kleiner Betrieb wie wir erlauben darf. So haben wir auch vorgezogene Stangenbohnen in Grün, Gelb oder Lila, kunterbunte Salatjungpflanzen in einem Topf, vorgezogene bunte Rote Bete und etliche Minzesorten“, berichtet Irina voll Stolz. „Wir sind jetzt weniger auf Märkten, dafür aber mehr auf unserem eigenen schönen Einödhof anwesend. Ein wenig Unkrauttoleranz muss man zu uns schon mitbringen“, sagt die Frau mit den schönen blauen Augen und dem schwarzen Zopf und lacht, „weil wir oft alles wachsen lassen, was wächst und blüht.“

Nicht nur geschmacklich tut sich hier auf dem Hof eine Vielfalt auf, die man bei dem unscheinbaren Früchtchen im Supermarkt nicht vermuten würde. Auch das Farbspektrum scheint grenzenlos: Von den verschiedenen Rotfärbungen bis zu den dunklen Sorten wie dem Schwarzen Prinz, der Purple Russian und dem Schwarzen Eiszapfen bringen mehr farbliche Abwechslung aber auch einen ganz besonderen Genuss auf den Tisch. Letztere ist wie viele der Sorten hoch ertragreich und ähnelt in Form und Farbe dunklen Oliven, so steht es auf der Homepage zu lesen. Ein vorzügliches, warmes, rundes, mild-süßes Aroma entfaltet sich beim Genuss. Meist ohne die übliche Säure, ob pur oder als besondere Komponente im Salat.

Überraschung auf dem Teller

Auch als „Grünzeug“ sorgt die Tomate als Smaragdbirne oder Green Moldovan für echte Gaumenfreuden und Überraschung auf dem Teller. Der Paradeiser, wie sie bei unseren Nachbarn in Österreich genannt wird, weiß sich in Szene zu setzen. „Vermutlich hielt man das exotische Gemüse deshalb auch lange für eine gefährliche Frucht, denn sie würde bei Frauen verbotene Gelüste wecken!“, sagt Irina. Heute weiß man aber um die wertvollen Nährstoffe, die sie in sich trägt. Man kann sich also guten Gewissens von der kleinen Exotin verführen lassen.

Irina zaubert auch eine große Auswahl Selbstgemachtes wie etwa Habaneropaste, Chilipulver, Fruchtaufstriche aus Tomaten, Paprika, Sanddorn mit Schokolade und manch ausgefallenes Gemüse aus dem Angebauten. Der Tomaten-Fruchtaufstrich hat bereits dem Opernstar Placido Domingo wohl gemundet, als er ihm bei seinem Besuch der Schlossfestspiele auf Sankt Emmeram in Regensburg kredenzt wurde, denn auch die fürstliche Küche gehört zu Irinas Fans. Den leckeren Gaumenkitzler kann man aber auch einfach auf dem Blattenhof erwerben oder sogar selbst nachkochen, nach dem Rezept in Irinas Kochbuch „Tomaten. Meine Leidenschaft“.