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Jeder kennt Rosis Telefonnummer

Die Spider Murphy Gang singt über bayerisches Lebensgefühl. „Skandal im Sperrbezirk“ reißt das Publikum bis heute mit.

19.04.2016 | Stand 16.09.2023, 6:54 Uhr

Es gibt einen Moment, da weiß man, dass der Sommer da ist. Nicht, weil es die Meteorologen verkünden, sondern weil es die Spider Murphy Gang singt. Wenn „Sommer in der Stadt“ in den Radiosender gespielt wird, dann ist es Zeit für Hotpants und Bikinis – nicht nur im Englischen Garten in München. „Mit diesem Song verbinden wir in Bayern ein Lebensgefühl, darum hören es die Leute bis heute so gerne“, sagt Günther Sigl, Frontman der Spider Murphy Gang im Gespräch mit unserer Zeitung. Es ist ein alljährlich wiederkehrendes Ritual geworden. „Wenn der Sommer da ist, dann steigt unsere Nummer in die Hitparaden ein.“

Von der Bank auf die Bühne

Seit 39 Jahren steht der gelernte Bankkaufmann Günther Sigl inzwischen mit der Spider Murphy Gang auf der Bühne. Im kommenden Jahr gibt es ein doppeltes Jubiläum zu feiern: Die Band und Sigl haben einen Runden. Kaum zu glauben, dass der Rock’n’Roller mit der inzwischen grau-melierten Haartolle dann schon 70 Jahre alt wird. „Wäre ich in der Bank geblieben, dann wäre ich schon lange in Rente, aber ohne Musik könnte ich keine 14 Tage leben und so mache ich einfach immer weiter.“

60 bis 80 Liveauftritte spielt die Spider Murphy Gang, zu deren Stammbesetzung neben den Gründungsmitgliedern Sigl (Gesang, Bass) und Barny Murphy (Gitarre) der Regensburger Musiker Willie Duncan (Gitarre), Ludwig Seuss (Keyboards), Paul Dax (Schlagzeug) und Otto Staniloi (Sax, Querflöte), gehören, noch jedes Jahr. Weitere zehn bis 20 Termine bestreitet Sigl mit seinem Soloprojekt. „Jeden Tag sitze ich an der Gitarre und immer wieder fällt mir was ein.“

Dass es der Band gelungen ist, sich über so einen langen Zeitraum ein treues Publikum zu halten, liegt an den Hits aus den 1980er Jahren, die mit eingängigen Melodien und dialektgefärbten Texten einen Nerv treffen. Viele Songs erzählen Münchner Geschichten. „Skandal im Sperrbezirk“. „Schickeria“, „Pfüati Gott, Elisabeth“ können – zumindest in Bayern – drei Generationen mitsingen. „Als wir Ende der 1970er Jahre angefangen haben, uns mit der bayerischen Sprache zu identifizieren, war das etwas völlig Neues“, sagt Sigl.

Dabei hätte alles auch anders kommen können. Sigl kündigte 1971 seinen sicheren Job in der Bank um Profimusiker zu werden. Rock’n Roller, das war die Musik, die ihm im Blut lag. Er tourte durch die kleinen Münchner Clubs. Dabei traf er auf den gelernten Fernmeldehandwerker Barny Murphy, den Studenten Michael Busse und den Schlagzeuger Franz Trojan. Sie gründeten die Spider Murphy Gang, die nach dem fiktiven Gangster Spider Murphy aus Elvis Presleys Lied „Jailhouse Rock“ benannt wurde. „Der Name passte zu uns – aber eigentlich nur eine gewisse Zeit lang“, sagt Sigl. „Die Band coverte Rock’n Roll-Songs, spielte Chuck Berry, Elvis.

Gut, aber zu beliebig, fand das der BR-Radiomoderator Georg Kostya. Er engagierte die Spider Murphy Gang zwar für die von ihm moderierte Sendung „Rockhaus“, für die die Band auch die Titelmusik einspielte. Doch Kostya drängte die Musiker, eine eigene Identität zu finden – in der bayerischen Sprache. Es war der Durchbruch für die vier Musiker. „Da war natürlich auch Glück dabei, dass es genau die Zeit war, in der die Neue Deutsche Welle an Fahrt aufnahm“, sagt Sigl.

Mit den „Rock ’n’ Roll Schuah“ verschaffte sich die Band 1980 zunächst im Münchner Raum Aufmerksamkeit. Der Durchbruch kam ein Jahr später. Der Song über eine Prostituierte, die für einen „Skandal im Sperrbezirk“ sorgt, bescherte der Band ihren einzigen Nummer 1 Hit in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Unter 32 16 8 herrscht Konjunktur die ganze Nacht“ reißt noch heute das Publikum von den Sitzen und auf die Tanzfläche. Es gehört zum Repertoire nahezu jeder Bierzeltkapelle. „Die Rosi ist jedes Jahr unter den meistgespielten Wiesnhits“, sagt Sigl mit Stolz. „Wenn ‚Skandal im Sperrbezirk‘ gespielt wird, dann fühlt sich das Publikum gleich 30 Jahre jünger.“ Während andere Musiker der Neuen Deutschen Welle nicht an ihre Erfolge der 1980er Jahre anknüpfen konnten, blieb die Spider Murphy Gang – obwohl auch ihnen kein großer Hit mehr gelang – gut im Geschäft. „Aber wir sind einfach eine saugute Liveband – bis heute“, sagt Sigl.

Aus der Band ins Obdachlosenheim

Im kommenden Jahr wird es wieder ein großes Jubiläumskonzert geben, so wie 2007 im Circus Krone, wo die Band vor tausenden begeisterten Fans mit Willy Astor, Werner Schmidbauer, Georg Ringsgwandl und Klaus Eberhartinger von der EAV auftrat. Auch ein Album ist geplant, mit altem Material, aber auch ein paar neuen Songs. „Ich bin schon fleißig am Schreiben“. sagt Sigl. Bis heute ist er mit Barny Murphy ein eingespieltes Team. Michael Busse verließ die Band 1988, um sich wieder seinem Studium zu widmen. 1992 verabschiedete sich auch Schlagzeuger Franz Trojan, der sein Leben danach aber nicht mehr auf die Reihe bekam. Er brachte die verdienten Millionen durch, landete im Obdachlosenheim, wurde 2010 wegen Diebstahls verurteilt. Zur Band hat er keinen Kontakt mehr.

„’S Leben is wia a Traum“ hat Sigl einst für die Spider Murphy Gang getextet. Heute schallt diese Nummer durch die Allianz Arena, wenn die Bayern ein Tor geschossen haben. Ein Volltreffer, der wie all die anderen erfolgreichen Spider-Murphy-Gang- Songs einfach passierte und dennoch die Zeit überdauert hat. „Bayerisch und Rock’n Roll, das geht eben einfach gut zusammen“, sagt Sigl.

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