Interview
„Jedes Stück hat eine eigene Geschichte“

Hans Emmert, Geschäftsführer der Barmherzigen Brüder in Straubing, spricht über das Uniformen-Projekt.

31.07.2017 | Stand 16.09.2023, 6:22 Uhr
Susanne Wolf

Hans Emmert (rechts) spricht von einer Auszeichnung für die Einrichtung. Foto: Susanne Wolf

Hans Emmert aus Cham ist der Geschäftsführer der Barmherzigen Brüder in Straubing. In der Barmherzige Brüder gemeinnützige Träger GmbH ist er für die Behindertenhilfe verantwortlich. Nicht nur seine Freude über das Projekt ist groß, sondern auch die der Menschen, die in der Einrichtung wohnen.

Wie haben Sie die Idee gefunden, als sie davon gehört haben?

Ich habe mich sehr darüber gefreut. Das ist eine Auszeichnung für die Einrichtung, dass die Polizeigewerkschaft uns anfragt. Das zeigt uns, dass der Ruf unserer Werkstatt größer ist, als man vermutet. Schnell ist mir bewusst geworden, dass das ein Projekt ist, für das es keine Erfahrungswerte gibt.

Wieso das?

Polizeiuniformen werden in der Regel alle 50 bis 60 Jahre komplett getauscht. Da ist mir erst bewusst geworden, welche Dimension das Projekt auch in der geschichtlichen Einordnung hat. Das ist nicht, wie wenn man täglich seine Unterwäsche wechselt. Es ist etwas Besonderes, daran teilhaben zu dürfen. Klar war uns bald, dass so etwas – wenn man diese Ehre schon angetragen bekommt – wirklich gut werden muss.

Wie lässt sich das Projekt mit dem Ordensgedanken vereinbaren?

Das ist recht einfach. Seit 1990 gibt es kein Konvent mehr in Straubing, trotzdem ist bei uns wichtig, dass die Mitarbeiter im Geiste des Ordens arbeiten und die Barmherzigkeit leben. Unser Auftrag ist, Gastfreundschaft, also Hospitalität, zu leben. Ich denke, dass man das bei uns spürt, weil sehr viele Menschen bei uns leben.

Der Mensch steht hier also im Mittelpunkt?

Ja. Es ist uns eine Freude, Menschen zu begrüßen, zu bewirten und zu empfangen. Das ist unser aller Auftrag – wie wenn wir daheim einen Gast empfangen. Wir bieten und schenken Gastfreundschaft, wie es auch jeder zu Hause macht.

Für die Menschen, die hier in der Einrichtung leben, ist das Projekt sicherlich etwas Besonderes, oder?

Es ist eine Arbeit, die rar und nicht alltäglich ist und die unsere Bewohner wahrscheinlich nie mehr in ihrem Leben machen können – und schon daher ist sie etwas Besonderes. Bis die bayerische Polizei ihre Uniformen wieder tauschen wird, sind wir schon lange in Rente oder noch weiter(lacht). Für die Bewohner ist es toll, einmal etwas anderes zu machen, also andere Tätigkeiten als die, denen sie sonst nachgehen. Einfach, weil das Projekt den normalen Ablauf unterbricht und weil die Arbeit dann auch sichtbar sein wird.

Inwiefern?

Der Großteil unserer Projekte ist im Automotive-Bereich: Wir fertigen Teile für Automobilzulieferer. Diese wird man nie entdecken, weil sie irgendwo in den Autos verbaut sind. Unser neues Projekt ist sichtbar, da die Uniformen ja in ihrer neuen Form – beispielsweise als Taschen – zu sehen sein werden. Sehen unsere Bewohner einen Käufer mit einer Tasche in der Stadt rumlaufen, werden sie denken: „Schau, das habe ich gemacht.“ Die upgecycelten Polizeiuniformen wird man erkennen, sie werden bekannt sein. Auch wenn es leicht pathetisch klingt: Der Künstler sieht sein Kunstwerk. Dadurch identifizieren sich unsere Bewohner mit dem Projekt.

Grün bleibt also trotzdem...

(lacht)Ja, das bleibt durch uns verewigt.

Was gefällt Ihnen persönlich an der Kollektion?

Erstens ist sie wirklich professionell gemacht. Zweitens fasziniert mich, dass die Kollektion durch das Design von Birgit Strasser modern und zugleich zeitlos gemacht wurde. Ich finde es gut, dass nicht im Ausland, sondern in Bayern produziert wird. Um die Taschen zu einem fairen Preis zu verkaufen und die Arbeitsschritte zu vereinfachen, wurde im Vorfeld darauf geachtet, wie man schon im Zerlegen von Uniformen später einen weiteren Arbeitsschritt in der Produktion einsparen kann. Dabei hat uns Frau Strasser sehr gut beraten und unterstützt. Faszinierend finde ich auch, dass man bei keinem Kleidungsstück weiß, was es schon gesehen oder erlebt hat...

Trotz Industriedesign sprechen Sie von Unikaten?

Ja. Schon einfach deswegen, weil es kein gewebter Stoff von der Rolle ist, sondern der Stoff stammt aus lauter unterschiedlichen Uniformen. Manche sind weniger farbintensiv, manche mehr. Sie wurden unterschiedlich genutzt und getragen. Die Uniformen waren ursprünglich von der Stange, aber trotzdem sind sie individualisiert und personalisiert. Das macht das Besondere an den Produkten aus.

Mehr über das Upcycling-Projekt lesen Sie hier!

Von Seiten der bayerischen Polizei kann man durch Ihr Projekt sagen, dass die Uniformen noch lange nicht ausgedient haben, oder?

Ich glaube, dass das der Polizei sogar sehr wichtig ist, dass die Uniformen upgecycelt werden. Da viel Geld für neue Uniformen ausgegeben wird und das Material der alten Uniformen oft noch zu schade zum Wegschmeißen ist, ist das Projekt für die Polizei eine passende Idee. Es ist ein wichtiges Anliegen für sie, dass es im Sinne eines Kreislaufs noch einmal eine nächste Stufe gibt, nämlich das 2.0(lacht). So können die Verantwortlichen zeigen: „Wir gehen verantwortungsbewusst mit Steuergeldern um.“ Auch wenn etwas länger in Gebrauch war, muss man es nicht gleich wegschmeißen...

Also springen die Polizei und Barmherzigen Brüder auf den Zug „Upcycling“ auf und machen bei diesem neuen Trend mit?

Man wird merken, dass es kein Lippenbekenntnis von irgendjemandem war, sondern nachhaltig gedacht wird. Das ist unser aller Auftrag, die Welt nicht auf unsere kurze Lebensspanne auszuplündern. Viele Menschen nach uns brauchen die Welt auch noch – so wie sie heute ist mit ihren Rohstoffen. Auf diesem Weg können wir die Wertschöpfungskette erhalten und unseren Beitrag leisten. Man muss die Kirche im Dorf lassen: Auch wenn Teile schon gebraucht sind, kann man sie noch verwenden.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

Weitere Artikel aus Bayern lesen Sie hier!