Soziales
Jugendarbeit: Streetworker gehen digital

Der Bezirksjugendring Oberpfalz nimmt an Pilotprojekt der Staatregierung teil. Zwei neue Stellen werden geschaffen.

15.07.2021 | Stand 16.09.2023, 1:50 Uhr
In der Oberpfalz nehmen in Kürze zwei digitale Streetworker ihre Arbeit auf. Im Netz sollen sie Kontakte zu Kindern und Jugendlichen knüpfen. −Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Die Sportvereine, die Kinderchöre, die Blaskapellen und Jugendgruppen: Überall sinken die Mitgliederzahlen. Corona hat das Freizeitverhalten der jungen Menschen komplett auf den Kopf gestellt. Am Donnerstag gab der Bezirksjugendring dem Oberpfälzer Bezirkstag einen Einblick in seine Arbeit unter Pandemiebedingungen und stellte ein Pilotprojekt vor, das demnächst mit zwei Mitarbeitern eine neue Form von Jugendarbeit starten wird.

Neue Angebote

Die digitalen Streetworker werden in allen bayerischen Regierungsbezirken mit niederschwelligen Angeboten auf Kinder und Jugendliche zugehen. Ziel sei es, das analoge Streetworking in die Internetwelt zu übersetzen. „Wir wollen die Kinder und Jugendlichen dort abholen, wo sie unterwegs sind“, so Philipp Seitz, Vorsitzender des Bezirksjugendrings, bei der Präsentation. „Es ist wichtig, dass die Jugendarbeit jetzt wieder an Fahrt aufnimmt, dass jetzt Unterstützung kommt!“

Thomas Vitzthum von der Evangelische Jugend der Oberpfalz gab den Bezirksräten einen Einblick in die Probleme, die sich in der Kinder- und Jugendarbeit auftaten. „Als wir unser beliebtes Zeltlager im vergangenen Jahr absagen mussten, da haben Kinder und Jugendliche am Telefon geweint.“ Auch bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern seien die Emotionen hochgekocht. Sich nicht mehr persönlich treffen zu können, das habe bei allen Spuren hinterlassen. Es habe sich gezeigt, wie wichtig Gemeinschaft und das gemeinsame soziale Lernen seien. „Diese Beziehungsarbeit ist elementar. Das ist letztlich auch Präventionsarbeit.“ Obwohl der Bezirksjugendring versucht habe, auf verschiedenen digitalen Wegen den Kontakt zu halten, sei es eine schwierige Zeit gewesen, ergänzte Seitz. Gerade deshalb soll nun auch schnell und mit neuen Ideen und Angeboten Schwung in die Arbeit gebracht werden.

Besonderheit: Wechsel:
Gleich drei Regierungspräsidenten und -vizepräsidenten nahmen am Donnerstag an der Bezirkstagssitzung teil. Regierungspräsident Axel Bartelt witzelte deshalb, dass keine feindliche Übernahme geplant sei. Anlass war ein Wechsel in Bartels Stellvertretung.Bereits im April hatte Regierungsvizepräsident Christoph Reichert die Oberpfalz verlassen, um die Corona Task Force des bayerischen Gesundheitsministeriums zu unterstützen. Bezirkstagspräsident Löffler verabschiedete ihn mit lobenden Worten und einem Geschenk und hieß den neuen Regierungsvize Florian Luderschmid willkommen. Luderschmid, der schon viele Jahre in der Oberpfalz lebt, wechselte aus der Büroleitung des bayerischen Innenministers zur Bezirksregierung.

Teil der neuen Konzepte sind die digitalen Streetworker, die aus einer Initiative der Bayerischen Staatsregierung hervorgegangen sind. Sie werden in Regensburg und Tannenlohe im Landkreis Tirschenreuth ihre Stützpunkte haben, teilen sich die Region in südliche und nördliche Oberpfalz auf. Gemeinsam mit lokalen und überregionalen Kooperationspartnern sollen die Mitarbeiter im Netz Angebote machen und Anknüpfungspunkte zwischen realer und virtueller Welt schaffen. Als Beispiel nennt Seitz etwa Gamingvereine. „Gemeinsame Spieleabende, Fahrten zur Spielemesse Gamescom – Vieles sei vorstellbar. „Wir können auf diese Weise ganz anderen Typ von Jugendlichen erreichen.“ Der Bezirksjugendring sei davon überzeugt, dass es funktionieren werde.

„Jugend in Präsenz bringen!“

Denn die Zeit dränge, merkte auch stellvertretender BJR-Vorsitzender Jürgen Preisinger an. Psychiatrische Erkrankungen bei Kindern und jungen Menschen nähmen zu, das belegten bereits jetzt Studien. Wie schlimm die Situation tatsächlich sei, werde sich erst mit einiger Verzögerung zeigen. „Der Jugend sind wichtige Lebensjahre genommen worden. Wir wissen selbst, dass das die Jahre sind, die am meisten Spaß gemacht haben.“ Preisinger forderte deshalb auch Verständnis dafür, dass manche Jugendliche nun über die Strenge schlagen.

Bezirkstagspräsident Franz Löffler (CSU) sicherte dem Pilotprojekt und der Jugendarbeit weiterhin die Unterstützung zu. „Digitalen Erfahrungen können und wollen wir nicht ausblenden. Aber wir müssen die jungen Leute wieder in die Präsenz bringen. Dieser Wert ist auch ein erzieherischer Wert.“ Grünen-Bezirksrat Stefan Christoph forderte ebenfalls Unterstützung für die Jugend ein. „Junge Menschen haben ganz viel Solidarität gezeigt in der Pandemie. Sie brauchen jetzt Räume, um sich verwirklichen zu können!“

Bei der Bezirkstagssitzung gab der Vorstand der Medizinischen Betriebe medbo, Dr. Helmut Hausner, einen Überblick über die Finanzlage. Pandemiebedingt würden wohl 5,9 Millionen Euro Defizit erwirtschaftet. Der Bezirkstags müsse sich aber keine Sorgen um seine Finanzen machte, betonte Hauser. Der Bezirkshaushalt sei „safe“, man müsse nicht beim Bezirkskämmerer anklopfen.