Schicksal
Kapitän Smith ging mit seiner Titanic unter

Die Fahrt mit dem Luxusliner sollte Edward John Smiths bemerkenswerte Karriere krönen – doch sie endete vor genau 100 Jahren auf dem Meeresgrund.

13.04.2012 | Stand 16.09.2023, 21:04 Uhr
Ulrike Krickau

Frankfurt.Die Funker waren die letzten, die den Kapitän der Titanic sahen. Edward John Smith dankte ihnen für ihren Einsatz und entband sie von ihren Dienstpflichten. Es ist kurz nach zwei Uhr in der Nacht des 14.April 1912. Das Wasser steht drei Meter unter dem Promenadendeck. Der 62-Jährige verlässt den Funkraum aufrecht. Danach verliert sich seine Spur.

Es hätte der Höhepunkt einer außergewöhnlichen Laufbahn werden sollen, als der „Kapitän der Millionäre“ mit der RMS Titanic in See stach. Die Jungfernfahrt des seinerzeit größten und luxuriösesten Schiffes der Welt war ein gesellschaftliches Ereignis von Rang. Fünf der reichsten Männer sollten mit der Titanic untergehen.

Offiziere nannten ihn „Sturmkönig“

Edward John Smith war der älteste und renommierteste Kapitän der White Star Line. Er kam in ärmlichen Verhältnissen am 27.Januar 1850 im britischen Hanley zur Welt. Sein Vater arbeitete in einer Keramikfabrik. Spät heiratete er eine Witwe aus der Nachbarschaft. Mit 17 Jahren folgte Smith seinem Halbbruder Joseph zur Handelsmarine. Die erste Fahrt als Schiffsjunge führte ihn nach Hongkong. Smith war ehrgeizig, nach der kürzestmöglichen Zeit legte er seine Prüfungen für eine Offizierslaufbahn ab. Am 26. Mai 1875 erhielt er sein Kapitänspatent, mit 25 Jahren. Viele Offiziere der Handelsmarine bekamen trotz ihres Kapitänspatents niemals ein eigenes Kommando – Smith aber gelang es, seinen Weg zu machen.

Vielleicht war es die ihm eigene Mischung aus Schneid, Eleganz und britischem Unterstatement. Die Offiziere seiner Atlantiküberquerungen berichteten stolz davon, wie er in voller Fahrt die schwierigen Gewässer des New Yorker Hafens durchquerte – während andere Schiffe langsam durch die Untiefen manövrierten. Für sie war er der „Sturmkönig“, der sich von schwerem Wetter nicht beeindrucken ließ.

Frankfurt.1886 heuerte Edward John Smith bei der White Star Line an und wechselte damit zur Passagierschifffahrt. Ein Jahr später heiratete er Sarah Eleanor Pennington. Das Paar lebte zunächst in Hampshire und später in Southampton. 1898 wurde die einzige Tochter Helen Melville geboren. Nach dem Unglück war es Eleanor Smith, die den ersten Gedenkgottesdienst für die Toten der Titanic abhalten ließ.

Die Menschen, die von den Stewards der Titanic in der Nacht vom 14. auf den 15.April geweckt wurden, ahnten nicht, was ihnen bevorstand. Ein leichtes Zittern war durch die Titanic gegangen, als sie am Sonntag um 23.40Uhr den Eisberg gerammt hatte. Deswegen sollten sie aufstehen und mit ihren Schwimmwesten in die eiskalte Nacht hinausgehen? Sich über 20 Meter tief in die dunkle See an Bord eines schwankenden Rettungsbootes abseilen lassen? Smith will eine Panik vermeiden. Er ordnet nicht die Evakuierung des Schiffes an, sondern bittet die Passagiere, sich auf Deck einzufinden und als Vorsichtsmaßnahme in die Rettungsboote zu steigen. Dabei gilt: „Frauen und Kinder zuerst“. Bei anderen Schiffsunglücken waren es gerade die Frauen und Kinder, die der körperlichen Überlegenheit der Männer nichts entgegenzusetzen hatten und dadurch nicht überlebten.

Smith fuhr zügig durch die Eisfelder

Die Rettungsboote reichen nicht, und die vorhandenen werden mit noch freien Plätzen zu Wasser gelassen. Offenbar hatte Smith die Hoffnung, sie könnten nach dem Untergang der Titanic die im Wasser Treibenden aufnehmen. Die Hoffnung trog. Nur eines der 20 Rettungsboote kehrte zurück. Die Besatzung der anderen fürchtete sich vor den verzweifelten Menschen und wartete, bis die Schreie verklangen. Zwischen den Erfrorenen retteten sie noch drei Personen. Von den 2227 Menschen an Bord überlebten 705. 1522 galten als vermisst.

Viel wurde darüber spekuliert, wer die Verantwortung für den Untergang der Titanic trägt. Welche Schuld Kapitän Edward John Smith traf, wurde nie geklärt. Das blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung war nicht sein Ziel, die Schiffe der White Star Line überzeugten mit ihrem Luxus und nicht mit der Schnelligkeit.

Warum fuhr er nicht langsamer durch die Eisfelder? Handelte er auf Anweisung des Reeders J. Bruce Ismay? Ismay überlebte das Unglück. Aber seinen bis dahin untadeligen Ruf konnte er nicht retten. Bis heute gilt er als einer der Hauptschuldigen. Edward John Smith blieb an Bord und ging mit seinem Schiff unter. Seine Leiche wurde nie gefunden.