Album
Kellhubers Magie von Taste zu Taste

Der aus der Oberpfalz stammende Pianist Lorenz Kellhuber spricht über sein neues Album und seine aktuellen Projekte.

23.10.2021 | Stand 15.09.2023, 23:50 Uhr
Michael Scheiner
Professor in Dresden, Lehrauftrag in Lübeck und Pianist in eigener Sache: Lorenz Kellhuber Foto: Ronny Dörfler −Foto: Blackbird Music

„Grundsätzlich bin ich für alles offen.“ Mit diesen Worten schiebt Lorenz Kellhuber den Kopf aus der Deckung eines genialen Jazzpianisten und lacht vergnügt. Auch mit einem Hip-Hop-Musiker würde er zusammenarbeiten, „wenn es persönlich passt“, oder einen Kinderchor begleiten. Am liebsten aber konzentriert sich der in Berlin lebende Pianist, der aus Laaber stammt, auf Projekte, bei denen „ich meine eigene musikalische Handschrift einbringen kann“. Anders ausgedrückt: Lorenz Kellhuber will sein Ding machen. Es geht ihm darum, sich selbst in der Musik entfalten.

Mit seinem Album „Contemporary Chamber Music“, das in Kürze erscheint, gelingt ihm genau das. Es ist ein an zwei Tagen im Dezember 2020 eingespieltes Konzert für sich selbst, bei dem zu Beginn alles offen ist und dann ein Ton den nächsten ergibt.

In den letzten Jahren, also vor dem Corona-Einschnitt, war das sein Trio, dem Schlagzeuger Moritz Baumgärtner und Felix Henkelhausen am Bass angehören. Mit ihnen war Kellhuber viel unterwegs. Sie spielten Konzerte in Europa, in Nord- und Südamerika, traten auf Festivals in Tschechien, in der Schweiz, beim baskischen Getxo Jazzfestival und bei der Jazzwoche Burghausen auf. Kellhuber ist ein vielbeschäftigter Musiker, der daneben noch Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen innehat, die er sorgfältig und mit großer Lust ausfüllt.

Vor Kurzem ist ein neuer Job dazugekommen: der eines Professors. Die Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Webern hat dem ehemaligen Realschüler einen Ruf für Schulpraktisches Klavierspiel erteilt, wie es im spießig klingenden Universitätsjargon heißt. Jetzt pendelt Kellhuber zwischen Lübeck – dort hat er noch einen Lehrauftrag – und Dresden hin und her. Den Rest der Woche verbringt er mit seinen Projekten, mit Forschen und Üben in Berlin. „Ich find’s cool“, erklärt er, was hinter der langweiligen Bezeichnung „schulpraktisches Klavierspiel“ steckt: „Die wollten jemand, der Improvisation, aber auch einen Jazzstandard und klassische Harmonielehre vermitteln kann.“ Also praktisch alles, was für die eigene Entwicklung des Künstlers von Bedeutung ist.

Herkunft:Ausbildung:Album:
Aufgewachsen ist Lorenz Kellhuber (31) in Endorf bei Laaber; Klavier spielt er, seit er fünf ist. Das erste Konzert folgt mit acht Jahren, mit elf wird er Jungstudent an der Regensburger Hochschule für Kirchenmusik. Er spielt in verschiedenen Bands Funk und Rock, bevor er sich dem Jazz zuwendet.Mit 16 wird er am Jazz-Institut der Berliner Hochschule der Künste aufgenommen.„Contemporary Chamber Music“ erscheint via Blackbird Music.

Der Anstoß, sich dem Jazz zu widmen, entstand unter dem Einfluss des Klavierlehrers Rob Bargad (Nat Adderlay Quintett). Kellhuber war noch ein Teenager, als er am Berliner Jazz-Institut seine Ausbildung aufnahm. Eine steile Karriere begann, die nach ersten Erfolgen und Platten viel Kritikerlob hervorbrachte wie etwa „ein neuer Stern am Jazz-Piano-Himmel“ und „Tastenmagier“ oder auch „ein Pianist, der es weit bringen wird“.

„Ich möchte mich nicht mehr als reiner Jazzpianist bezeichnen.“Lorenz Kellhuber, Pianist

Heute möchte sich der Berliner mit Oberpfälzer Wurzeln „nicht mehr als reiner Jazzpianist bezeichnen“, wie er es bei einem Cappuccino am Regensburger Bismarckplatz beschreibt. Er sieht sich vielseitiger aufgestellt, hat schon vor einigen Jahren das Komponieren zugunsten einer Spielweise aufgegeben, bei der die Musik in dem Moment entsteht, wenn er eine Klaviertaste anschlägt. So ist auch sein neues Soloalbum entstanden, aufgenommen im Lockdown zwei Tage vor letztem Weihnachten. Nach dem Livemitschnitt vom Montreaux-Festival 2017 ist es sein zweites Soloprojekt und erscheint am 29. Oktober in analogen und digitalen Formaten. In den zehn Stücken vereint er alles, was in ihm steckt – aggressive Intensität, Kraft, Spannung und innige Momente voller Ruhe und Zartheit. Kellhuber hat sich mit seiner „zeitgenössischen Kammermusik“ einen einzigartigen Kosmos zwischen Jazz, Neuer Musik, Klassik und Improvisation geschaffen. Wer daran teilnimmt, kann sein musikalisches Wunder erleben.