Bildung
Klassenzimmer für zu Hause

Dank „Lehromat“ sind Neumarkter Schüler auch im Distanzunterricht live dabei. Das erleichtert den Alltag in der Pandemie.

28.04.2021 | Stand 16.09.2023, 3:07 Uhr
Josef Wittmann
Sara Hammesfahr unterrichtet in der Französischstunde mit dem „Lehromat“ ihre Präsenz- und Homeschüler der 11. Jahrgangsstufe in Neumarkt gleichzeitig. −Foto: JOSEF WITTMANN

„Bon jour“, begrüßt Studienrätin Sara Hammerfahr ihre Q11 zur Französischstunde. „Bon jour Mademoiselle Hammerfahr“, antworten nicht nur die Anwesenden, sondern auch neun Stimmen aus dem Lautsprecher. Normal ist das in Corona-Zeiten nicht, denn wie alle bayerischen Abschlussklassen sind auch die Ostendorfer wegen der aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz im Wechselunterricht. Da sehen sich Schüler und Lehrer in Coronazeiten nur jeden zweiten Tag. „Ich habe manche schon seit Weihnachten nicht mehr gesehen“, sagt die Schülerin Lea und freut sich wie alle anderen, dass das nun ein Ende hat.

Denn die Französischstunde findet als Videokonferenz statt. Das verdanken die Oberpfälzer Schüler Karlheinz Dölle, dem neuen Schulleiter des Ostendorfer Gymnasiums. Er brachte die Idee aus seiner früheren Schule in Nürnberg mit. Im Dezember 2020 hatte sich der Elternbeirat des Hans-Sachs-Gymnasiums an Professor Pöschel, den Inhaber des Lehrstuhls für „Multiscale Simulation of Particulate Systems“ der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, gewandt. Weil kommerzielle Videokonferenzen, die den Anforderungen von Schulen genügen, unbezahlbar seien, entwickelten sie kurzerhand im Januar selbst ein nicht kommerzielles Gerät für rund 1000 Euro. Deshalb heißt die Lösung auch „Lehromat 1000“ oder bescheiden „Ultimate Teaching Tool for Hybrid remote learning“.

Aufbau im „Do it Yourself“

Mit seiner Hilfe sollen die nicht anwesenden Schüler vollständig in das Geschehen im Klassenzimmer einbezogen werden. Einen „Lehromat“ kann man nicht steckerfertig bestellen. Die Wissenschaftler haben „amazontaugliche Bestelllisten“ und eine bebilderte Aufbauanleitung ins Netz gestellt und versprechen, dass der Aufbau und die Installation der Software in maximal acht Stunden zu schaffen sind.

Der „Lehromat“ ist ein Techniktisch, der alle Voraussetzungen besitzt, um den Unterricht live streamen zu können. Eine Kamera ist in die Klasse gerichtet und die zweite Kamera zeigt die Lehrerin. Der Tisch hat ein Ablageboard, damit Sara Hammesfahr rückenschonend ihren Laptop bedienen kann, den sie an das System anschließt. Eine weitere „Doku-Kamera“ ermöglicht ihr die Übertragung von Tafelbildern oder anderem Material.

Die ganze Technik sei leicht zu bedienen, bestätigt Sara Hammesfahr. Auf Knopfdruck wechselt sie zwischen den Kameras und ihrem Laptop hin und her.

Der Mehrwert für Schüler und Lehrer wiege gerade in Corona-Zeiten schwer: „Der Unterricht kann in die Elternhäuser gestreamt werden, wo die Schülerinnen und Schüler in ihrem Zimmer ihre Klasse live mit erleben. Die Situation kommt dem normalen Unterricht sehr nahe“, sagt sie.

Schulleiter Karlheinz Dölle und Oberstufenbetreuerin Daniela von der Weien können sich auch nach der Pandemie viele Einsatzszenarien vorstellen – von gemeinsamen Veranstaltungen mit Partnerschulen bis hin zur Beteiligung externer Spezialisten am Unterricht. So etwas kennt man bislang nur aus der Wirtschaft.

Nutzung in Q11 – und 5. Klassen

Zwölf Schüler des Ostendorfer Gymnasiums haben mit Systembetreuer Thomas Schreiber und den FAU-Wissenschaftlern zusammen sieben solche Lehromat-Tische samt Computern und Technik zusammengeschraubt und eingerichtet. Die werden nun für den Unterricht in der Q11 eingesetzt.

Corona: Wechselunterricht:Teachingtool:
Bei einer 7-Tage-Inzidenz unter 100 findet Wechselunterricht statt, für Abschlussklassen auch darüber.Um Abstand zu halten, wechseln sich die Präsenzgruppen wöchentlich oder täglich ab.Der Schüler erlebt seine Klasse zu Hause live mit. Infos unter www.lehromat.de

Bis auf einen – der steht in einer fünften Klasse und ermöglicht so einem erkrankten Jung-Ostendorfer die Teilnahme am Unterricht von zu Hause. Der Förderverein der Schule hat die Lehromaten bezahlt und das Ostendorfer ist allen anderen Schulen damit ein gutes Stück voraus, freut sich der Schulleiter. Mehr „Lehromaten“, damit alle Klassen das System gleichzeitig nutzen könnten, würden die Kapazität der vorhandenen Internetleitungen aber sprengen, sagt Systembetreuer Thomas Schreiber.