Nach Schicksalsschlägen
Landkreis Cham: Verein Hospiz Daheim hilft im Pflege-Fall

28.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:21 Uhr
Maria Münch (Mitte) hatte die hilfesuchenden Frauen am Telefon. Sie hat sich gleich an Aloisia Bosek (re.) gewandt, die bei Hospiz Daheim als Brückenschwester personelle Situation, Fragen und Problemstellungen koordiniert. Mehr als 70 Familien hat der Verein mit Vorsitzendem Karl Vetter schon begleitet. −Foto: Vetter

„Ohne diese Hilfe wäre es uns sehr schlecht ergangen. Wir hätten nicht gewusst, was wir tun können. Das war wie ein Abgrund für uns alle.“ – Johanna S. sowie ihre beiden Töchter Gerda und Martha sind sehr dankbar, dass ihnen derVerein Hospiz Daheim – Leben bis zuletztin einer schier ausweglosen Situation zur Seite stand.

Urplötzlich drohte das Schicksal, die Familie geradezu zu zerstören, als vor einigen Monaten der Vater Arnold S. akut erkrankte, innerhalb weniger Tage zum Pflegefall wurde und dann starb.

,,Wer weiß denn schon, wie ein Schwerkranker zu pflegen ist, der große Schmerzen hat?“, „Wer kann am Wochenende die richtigen Medikamente besorgen?“, „Wer kennt einen Arzt, der nicht Notdienst hat und dennoch außerhalb normaler Dienstzeiten ins Haus kommt?“, „Wer sagt den Angehörigen des Patienten, wie sie sich verhalten sollen und wie sie es richtig machen?"

Dies sind nur vier von vielen Fragen, auf welche die drei Frauen damals Antworten brauchten, die sie noch heute beschäftigen. Und sie zeigen sich im Rückblick auf die Erkrankung und das Sterben ihres Familienvaters davon überzeugt, dass es für die Angehörigen von großer Bedeutung war, dass ihnen ,Hospiz Daheim zur Seite stand.

Schnelle Hilfe war gefragt

Es war vielleicht Zufall, dass Maria Münch den hilfesuchenden Telefonanruf sofort richtig einordnete. Als ausgebildete Krankenschwester und Mitglied von Hospiz Daheim wusste die Freundin der Familie sofort, dass schnelle, tätige Hilfe und vor allem die Leistungskraft des Vereins gefragt waren. Denn die akute Verschlechterung des Zustandes von Arnold S. – nach einem Arbeitsunfall und einer noch nicht abgeschlossenen Behandlung – ließ Schlimmes befürchten.

Die Situation war für die Angehörigen auch nicht zu bewältigen: ein zunehmendes Nierenversagen, eine unklare Diagnose im Kopfbereich, plötzliche Sprachstörungen, fortschreitend körperliche Schwäche, überlagert vom ausdrücklichen Wunsch des Mannes, auch als Schwer-kranker daheimbleiben zu wollen. Zudem wäre auch kein geeigneter Klinik-Platz schneIl verfügbar gewesen.

„Genau in dem Moment, weil Maria Münch sofort aktiv wurde, war Hospiz Daheim zur Stelle und das richtige Hilfsmittel“, sagt Aloisia Bosek, die im Verein die Funktion der,,Brückenschwester„ wahrnimmt. Sie koordiniert die personelle Situation sowie ankommende Fragen und Problemstellungen, teilt die aktuellen Fälle ein. ,,Wir reagieren schnell und gezielt, wir kennen die Situation im Gesundheitswesen, die Möglichkeiten von Hausärzten, Notarzt, Apothekern und Pflegediensten.“

lm Fall der Familie von Arnold S. reichte dies von der aktiven Hilfe bei der Versorgung des Patienten in seiner Wohnung über die Unterstützung der Angehörigen bei der Pflege bis zu Beschaffung von Medikamenten, Vereinbarung von ärztlicher Versorgung bis zu Nacht- und Sitzwachen am Krankenbett sowie schließlich auch zur persönlichen Betreuung der Angehörigen.

Bei allen diesen organisatorischen und auch technischen Abläufen waren und sind laut Aloisia Bosek ,,der Respekt vor dem Menschen, Selbstbestimmung des Patienten und dessen Lebensqualität die obersten Anforderungen unserer außerklinischen Arbeit". Dass es nachweislich gut läuft, hat mit den Aktiven des Vereins zu tun – ausnahmslos ausgebildetes Klinikpersonal mit einschlägigen Weiterbildungen bis hin zur Palliativ-Fachkraft. ,,Wir bieten an erster Stelle Beratung an, dann auch die aktive, personelle und organisatorische Hilfe. Und die Entscheidung, wie es wird, treffen dann immer der Patient und seine Angehörigen."

Über 70 Familien hat Hospiz Daheim bisher unmittelbar begleitet, berichtet Aloisia Bosek. Telefonberatungen habe es in viel größerer Anzahl gegeben - alles mit der Zielsetzung,,,Ruhe in das Geschehen hineinzubekommen". Auch in der bekanntermaßen schwierigen medizinischen Versorgungssituation des öffentlichen Lebens habe der Verein stets problemlösende Wege gefunden, nicht zuletzt deshalb, weil man sich eine eigene ,,Rückfallebene" auf ärztlicher Basis eingerichtet habe.

Hospiz Daheim ist keineswegs allein tätig, sondern steht inmitten der lnitiative Palliativ-Netz Cham, die seit einem Jahr besteht und von Aloisia Bosek moderiert wird. Es handelt sich dabei um eine Kooperation mehrerer Ieistungsfähiger Einrichtungen: SAPV-Cham Palliamo (Palliativ-Medziner und -Fachkräfte); Hospizdienst der Caritas; Katholische Seelsorge; Evangelische Seelsorge, MVZ Barmherzige Brüder; Palliativstation (im Krankenhaus Bad Kötzting).

Ständiger Austausch von Infos und personellen Ressourcen kennzeichnet die gemeinsame Arbeit. Maßgeblich unterstützt wird der Zusammenschluss zur Hospiz- und Palliativversorgung durch den Landkreis, namentlich auch durch Landrat Franz Löffler. Nach außen wird dies durch eine Beratungsstelle dokumentiert, die über Telefon (09971) 78781 oder E-Mail aapv@lra.landkreis-cham.de erreichbar ist.

,,Palliativversorgung, Sterben und Sterbekultur – das alles ist ein großes Thema, das in Zukunft noch mehr Bedeutung bekommen wird“, zeigt sich der Arzt Karl Vetter überzeugt. Der ehemalige Landtagsabgeordnete hat im Verein Hospiz Daheim – Leben bis zuletzt den Vorsitz übernommen, weil er sehr persönliche Erfahrungen beim Tod seines Bruders gemacht hat und die Arbeit im Palliativ-Netz hoch bewertet. ,,Wir sind ein kleiner Verein, arbeiten aber äußerst effektiv. Sehr erfreulich ist die Unterstützung seitens des Landkreises, aber auch durch die Ladislaus-Roth-Stiftung sowie durch Spenden."

„Auf dem richtigen Weg“

Wie Vetter weiß, wollen zwei Drittel der Menschen in Alter bzw. auch bei Krankheit daheim sterben. Der Sterbeprozess werde häufig falsch verstanden, auch dahingehend wolle der Verein Aufklärungsarbeit Ieisten. Und nicht zuletzt gehe es darum, das Gesundheitswesen im Palliativ-Bereich zu entlasten.

,,Langfristig gibt es das Ziel, dass die Krankenkassen diese ambulanten Palliativ-Leistungen mitfinanzieren“, so der Vorsitzende, doch da sei noch einige Arbeit zu Ieisten. lm Unterschied zum Gesundheitswesen hätten die Organisationen im PaIliativ-Wesen „Zeit und keinen Kontrolldruck". Durch die von ldealismus und Ehrenamtlichkeit getragene Tätigkeit, speziell im Verein und im Palliativ-Netzwerk, sei er sehr zuversichtlich, so Vetter, ,,dass wir zwar im Stillen arbeiten, aber auf dem richtigen Weg sind – denn es hilft Menschen in Not."