Porträt
Leben mit 200 Ziegen in Freystadt

Als Ziegenbäuerin, Gastronomin und Coupletsängerin ist Maria Deß in Freystadt bekannt. Wir haben sie besucht.

15.01.2020 | Stand 16.09.2023, 5:21 Uhr
Michaela Schabel

200 Ziegen liefern im Ziegenhof Deß 120 000 Liter zertifizierte Biomilch. Foto: Ziegenhof Deß

„Im Ziegenstall ist es herrlich ruhig“: Das war das Initialerlebnis, warum sich Maria und Günter Deß letztendlich für den Aufbau eines Ziegenhofs entschieden. Die Übernahme des elterlichen Bauernhofs mit elf Kühen bot keine Perspektive. Eine Erweiterung und Umstellung auf Ziegenwirtschaft scheiterte an Abstandsrichtlinien zu den Nachbarn. Lange musste das Ehepaar nach einem adäquaten Standort suchen.

Nach 23 Absagen fand sich ganz überraschend 2005 ein altes Bauernhaus in Richthof, ein Ortsteil von Freystadt, als ideales Areal mit 15 000 Quadratmetern Grund genügend Platz für Weiden, Stall, Café und Parkplätze. Schon ein Jahr später waren alle Umbaumaßnahmen erfolgt. Mit 15 Ziegen begann das Ehepaar im kleinen Rahmen, um das Wesen der Tiere kennenzulernen. Dann wurde schrittweise aufgestockt. Derzeit sind es 200 Ziegen, die 120 000 Liter Ziegenmilch pro Jahr produzieren.

Durch und durch ökologisch

Dass Ziegenmilch nur als Biomilch vermarktbar ist, passte bestens in das Lebenskonzept der Familie Deß. Von Anfang an wurde der Ziegenhof ökologisch konzipiert und von Biokreis zertifiziert. Die Milch bringt die Familie Deß zweimal in der Woche in eine Biomolkerei nach Bayreuth zur Käseverarbeitung. „Das ist zeitlich sehr aufwendig. Zweimal drei Stunden pro Woche ist schon ein halber Arbeitstag“, so Maria Deß. Das Fleisch der Altziegen lässt sie beim Metzger zu Salami und Leberkäse verarbeiten. Das Fett kocht sie selbst aus und stellt daraus eine Creme gegen Neurodermitis her.

So werden die Tiere voll genutzt. Es fällt fast kein Abfall an. Das gilt auch für den Biokreislauf. Die Ziegen werden artgerecht gehalten und gefüttert, sind von April bis November auf der Weide und bekommen im Winter Grassilage und Heu, keinen Mais, das würde man im Käse unangenehm schmecken.

Ziegen strahlen Ruhe aus

Nur bei heißen Temperaturen bleiben die Ziegen tagsüber im Stall. Mehr als 30 Grad vertragen sie nicht. Der Ziegenmist wird zum Düngen benutzt. Über die Wärmerückgewinnung der Milch bekommt die Heißwasserreinigung einen Großteil des warmen Wassers, das noch auf 78 Grad aufgeheizt wird, so dass die Melkreinigung ohne Spülmittel erfolgen kann.

Die Ruhe des Ziegenstalls genießen auch die Caféhausbesucher, die die Tiere direkt vom Café aus im Stall beobachten können. „Man kann ihnen Stunden lang zuschauen“, schwärmt nicht nur Maria Deß. Zeit hat sie dafür allerdings durch ihr umfangreiches Arbeitspensum wenig.

Begeisterte Kuchenbäckerin

Schon als Kind war sie begeisterte Kuchenbäckerin mit Faible für Bewirtung. Begeistert blickt sie auf eine 25-jährige Berufserfahrung als Bedienung zurück. Auf dem Hof konnte sie endlich ihren Kindheitstraum vom eigenen Café realisieren. 80 Sitzplätze und noch Platz für Büffets und Tanzen ermöglichen Feiern aller Art, vom Kindergeburtstag bis zum Firmenjubiläum, von der Brautentführung bis zu Tagungen. Der Andrang ist groß. Da alles barrierefrei angelegt ist, kommen auch viele Senioren. Ganz ohne Werbung, nur durch Mundpropaganda machen Busse hier Halt, um eine Kaffeepause zu machen, manchmal bis zu drei Busse. „Mehr geht nicht“, denn Maria Deß backt und kocht selbst. Bis zu acht Torten schafft sie in nur einer Stunde. „Das ist alles nur eine Frage der Organisation.“

Das Café ist eine ideale Werbung für ihre Käse- und Wurst-Ziegenprodukte. Es gibt „Meckertorte“ und „Goaßbeißer“. Wer Ziegenmilch probiert, ist schnell von deren Qualität überzeugt. Ziegenmilch wird wegen der kleineren Molekularstruktur schon im Magen gespalten und ist deshalb auch bei Laktoseintoleranz verträglich. „Ziege ist ein Allheilmmittel. Meine Kinder waren noch nie krank“, erklärt Maria Deß fröhlich. Früher hieß es „die Ziege nimmt die Krankheit weg, weshalb im Kuhstall immer eine Ziege war. Die Ziege war nichts wert, starb, die anderen Tiere blieben gesund.“ Maria Deß glaubt daran und lacht.

Lieder auf der Steirischen

Der Clou ist, dass Maria Deß jeden Tag im Café auf der Steirischen spielt und ihre Lieder selbst dichtet, ihre Leidenschaft. Als Köchin war sie in der „Landfrauenküche“ und als Coupletsängerin bei den „Brettl-Spitzen“ im BR zu Gast. Gleichzeitig hat Maria Deß drei Söhne aufgezogen – Andreas (21), Michael (18) und Thomas (16). „Der Jüngste ist ein geborener Landwirt. Wenn er etwas anfängt, dann wird das auch fertiggemacht und wenn es in der Mittagspause während der Schulzeit ist“, davon ist Maria Deß voll überzeugt. Sie selbst bildet sich immer fort als Gastronomin, Hauswirtschafterin, Erlebnisbäuerin. Im November vergangenen Jahres wurde sie zur „Bäuerin als Unternehmerin des Jahres“ prämiert.

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