Angeschaut
Liebe, Lügen und Laster in Lansing

Zehn Jahre läuft die Serie „Dahoam is Dahoam“. Für den Regensburger Schauspieler Holger Wilhelm ist das wie ein Lottogewinn.

05.10.2017 | Stand 16.09.2023, 5:32 Uhr

Partystimmung am Set: Seit zehn Jahren läuft „Dahoam is Dahoam“. Mit dabei ist auch die Oberpfälzerin Carina Dengler (r), im Bild mit Kollege: Lucas Bauer Foto: BR/Nadya Jakobs

In Lansing stehen schon die festlich geschmückten Christbäume. Auch die erste Holzbude für den Weihnachtsmarkt ist aufgebaut. Fehlen eigentlich nur noch Glühweinduft und Weihnachtslieder. Die Vorfreude auf die Adventszeit wird allerdings jäh von einer deftigen Sauerkrautnote unterbrochen. Das Freitagsmenü in der Kantine ist fertig. Schauspieler Holger Matthias Wilhelm lebt zwischen diesen beiden Welten. Als Brunnerwirt ist er am Set schon in Weihnachtsstimmung, als Schauspieler bleibt ihm heute nur Zeit für einen kurzen Mittagssnack. Besinnlichkeit wird sich in einer Serienproduktion, für die jede Woche fünf 28-minütige Folgen abgedreht werden müssen, sowieso kaum einstellen. Und trotzdem sagt Wilhelm, dass er hier seinen Traum lebt. „Es ist keine Arbeit, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann.“

Demnächst läuft die 2000. Folge

Seit zehn Jahren gehört „Dahoam is Dahoam“ von Montag bis Donnerstag zu den erfolgreichsten Vorabendserien im deutschen Fernsehen. Der Marktanteil liegt bei knapp 15 Prozent. Glückliche Tage und schwere Schicksalsschläge, verliebte Paare und schmerzhafte Trennungen, Geburt und Tod und dazwischen der neueste Klatsch und Tratsch – in Lansing, dem fiktiven Dorf der Serie, lebt es sich wie im richtigen Leben. Das ist wohl neben der bairischen Sprachfärbung das Erfolgsrezept, das seit dem Sendestart am 8. Oktober 2007 bis zu eine Million Zuschauer vor dem Fernsehgerät versammelt. Demnächst läuft die 2000. Folge im Bayerischen Fernsehen.

Seit 2010 spielt der in Regensburg lebende Schauspieler Holger Wilhelm die Figur Gregor Brunner. Mit bis zu 90 Drehtagen gehört er zu den Hauptcharakteren. „Ich glaube an Schicksal“, sagt der Absolvent der Schauspiel-Akademie Regensburg, der bereits als Jugendlicher erste Erfahrungen bei der Theatergruppe „Theatraubling“ sammelte und später mehrere Jahre Teil des Luisenburg-Ensembles war. Als ihn die Anfrage für ein Casting bei „Dahoam is Dahoam“ erreichte, hatte Wilhelm kurz zuvor ein Engagement im festen Ensemble am Stadttheater Regensburg ausgeschlagen. „Ich war für eineinhalb Jahre in Australien und Neuseeland unterwegs und wollte noch nicht zurück“, sagt er. Kollegen hätten ihn damals für verrückt erklärt, eine solche Chance auszuschlagen. Doch heute weiß der 41-Jährige, dass es wohl so sein sollte. Denn die Figur Gregor Brunner war und ist seine Rolle, wie er selbst sagt. „In ihm steckt auch viel von mir. Auch Gregor war viel unterwegs, bevor er in Lansing sesshaft wurde.“

Neben Holger Wilhelm ist mit Carina Dengler (spielt Katharina Benninger) noch eine zweite Oberpfälzerin festes Mitglied am Set der Serie. Die 22-Jährige aus Pilsach (Lkr. Neumarkt) gehört zu den Schauspielern, die auch ein junges Publikum ansprechen. Denn im Gegensatz zu anderen Soaps hat „Dahoam is Dahoam“ durch alle Altersgruppen ein festes Stammpublikum. Über 80 000 Facebook-Fans, mehr als 13 000 Youtube-Abonnenten und mehr als 7000 Instagram-Follower verfolgen die Entwicklungen in Lansing. Dramen, die sich in der Serie abspielen, werden auf den sozialen Plattformen vielfach diskutiert. Gerade hat Schauspielerin Doreen Dietel, die nach zehn Jahren aus der Serie ausscheidet, für Aufregung gesorgt. In der Serie verheimlicht sie in der Rolle der Trixie Preißinger ihrer Familie zum Entsetzen vieler Zuschauer, dass sie an Alzheimer erkrankt ist. Sie verlässt Mann und Sohn in dem Glauben, dass sie sich in einen anderen Mann verliebt hat. Dafür wurde die Schauspielerin auch privat angegriffen. Einige Fans reagierten mit einer Heftigkeit, die auch Dietel überraschte. „Die Zuschauer sehen in uns die Serienfigur, sie sprechen uns mit dem Namen der Figur an und wollen mit uns die Ereignisse in der Serie besprechen“, sagt auch Wilhelm. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Zuschauer mit dem Handeln der Charaktere nicht einverstanden sind. Das nähmen sie dann nicht den Drehbuchautoren, sondern den Schauspielern übel. „Das gehört zur Bekanntheit dazu. Wenn du auf einer Theaterbühne spielst, dann erkennt dich niemand auf der Straße. Aber nach einem Jahr bei ‚Dahoam is Dahoam‘ bist du ein bekanntes Gesicht, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.“

Die heftigste Kritik am Set zog sich bislang allerdings kein Schauspieler, sondern der bayerische Finanz- und Heimatminister Markus Söder zu. Er trat 2015 in einer Gastrolle in der Serie auf. Bei einer Autofahrt mit der Lansinger Bürgermeisterin ließen ihn die Drehbuchautoren über die Leistungen der Bayerischen Staatsregierung und seines Heimatministeriums plaudern. Angesichts dieses „dreisten Politiker-Placements“ hagelte es nicht nur aus den politischen Reihen Kritik. BR-Intendant Ulrich Wilhelm verfügte nach dem Eklat, dass keine weiteren Politikerauftritte in Serien mehr stattfinden dürfen.

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Solche Geschichten sorgen für Gesprächsstoff und halten das Interesse an der Serie aufrecht. Rund 30 Autoren arbeiten an den einzelnen Folgen, zehn Regisseure setzen die Ideen in Bilder um. Gearbeitet wird in vierwöchigen Blöcken, in denen jeweils fünf Folgen entstehen. Parallel arbeiten stets vier Regisseure gleichzeitig, was einen enormen logistischen Aufwand am Set erfordert. 150 Mitarbeiter müssen koordiniert werden.

Wir haben uns mit unserer 360-Grad-Kamera auf dem Dorfplatz in Lansing umgeschaut:

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Was verbirgt sich in der Kirche?

Am Lansinger Dorfplatz wartet vor dem Maibaum Heike Vater. Sie führt die Besuchergruppen durch das Dorf und über das rund 8000 Quadratmeter große Filmgelände. Was verbirgt sich hinter den Mauern der Kirche? Und warum hat man noch nie die Frau von Landrat Lorenz Schattenhofer gesehen, wollen die Gäste wissen. Heike Vater öffnet die Türen und sorgt für manche Überraschung. Denn die Kirche ist nicht mehr als ein altes, mit einem Holzrahmen verkleidetes Fabrikgebäude. Innenaufnahmen werden im Wohnzimmer von Apotheker Roland Bamberger gedreht. Dann wird die Couch beiseite geschoben und Kirchenbänke aufgebaut. Und Lorenz Schattenhofers Frau ist tatsächlich nur ein einziges Mal aufgetaucht und war nur von hinten zu sehen. „Das ist mittlerweile wie ein Gag und wir wollen ja nicht die völlig unterschiedlichen Bilder im Kopf der Zuschauer zerstören“, sagt die Gästeführerin.

In der Kantine hat Holger Wilhelm seine Mittagspause beendet. Bis 20 Uhr abends wird er heute drehen. Ein Zwölf-Stunden Tag. Um danach den Kopf freizubekommen, macht er Musik. Im Winter widmet sich der Familienvater nebenbei dem spanischen Gebäck Churros. Auf dem Weihnachtsmarkt im Regensburger Spitalgarten wird er wieder seinen Stand aufbauen. Aber bis dahin ist noch etwas Zeit. Wenn in Regensburg der Advent beginnt, dann haben sie in Lansing die Christbäume längst verräumt und feiern Fasching.

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