Schiene
Loks rollen aus Regensburg nach Europa

Neues Leben im Betriebswerk: Siemens hat Halle und Gleise gemietet, um Vectron-Fahrzeuge an Kunden im Ausland auszuliefern.

24.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:12 Uhr
Norbert Lösch

Neues Leben im alten Bahn-Betriebswerk an der Kirchmeierstraße: Die Siemens AG liefert von Regensburg aus Loks der Vectron-Baureihe an Kunden in ganz Europa. Foto: Siemens AG

Ein Boom in der Eisenbahn-Branche sorgt dafür, dass in das alte Betriebswerk der Bahn an der Kirchmeierstraße wieder Leben eingekehrt ist. Dort, wo sich schon seit fünf Jahren so gut wie nichts mehr rührt, stehen schon seit Wochen regelmäßig nagelneue Lokomotiven hinter den Toren und auf den Schienen. Die neue Betriebsamkeit geht aber nicht von der Bahn aus, sondern von der Siemens AG: Sie nutzt die Anlagen, um Fahrzeuge der Vectron-Baureihe von Regensburg aus nach ganz Europa auszuliefern.

„Ja, das stimmt, wir haben uns seit März in Regensburg eingemietet“, bestätigt Ellen Schramke, Pressesprecherin der Siemens-Zentrale in Berlin. Der Unternehmensbereich Siemens Mobility habe das Betriebswerk reaktiviert und nutze dort die „Garage“ in der Halle und die Gleisanschlüsse. Die Anlagen dienen aber nicht wie früher der Wartung und Instandsetzung von Fahrzeugen der Deutschen Bahn, sondern einem ganz anderen Zweck: Regensburg ist quasi ein Depot für die Auslieferung von hochmodernen Siemens-Lokomotiven der Vectron-Baureihe.

Nach Regensburg ausgewichen

„Aufgrund der starken Nachfrage nach dem Vectron ist Siemens im Lokomotiven-Fertigungswerk München-Allach derart ausgelastet, dass wir auf andere Standorte ausweichen müssen“, erklärt Schramke das Engagement in Regensburg. In die Halle an der Kumpfmühler Brücke sei die sogenannte Inbetriebsetzung von Vectron-Loks ausgelagert worden. „Dort findet der letzte Check und die Abnahme durch den Kunden statt, bevor die Loks auf den Weg zu ihrem Bestimmungsort geschickt werden.“ Diesen Weg bewältigen die nagelneuen Fahrzeuge entweder aus eigener Kraft oder sie werden geschleppt. Zuletzt wurden Vectrons von Regensburg unter anderem an die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ausgeliefert.

Wie viele Siemens-Loks von Regensburg aus ihre Reise in die Eisenbahn-Depots in ganz Europa antreten, ist laut der Sprecherin derzeit noch gar nicht absehbar. Gemietet sei das Betriebswerk vorläufig bis zum Jahresende, aber dann müsse noch nicht Schluss ein. Denn der Laden brummt: „Die 500. Lok ist gerade in München in der Produktion, darüber hinaus gibt es über 200 Neubestellungen“, sagt Schramke. Zu den jüngsten Kunden zählen die Dänischen Staatsbahnen, die im März den Kauf von 26 Vectron MS bekannt gegeben haben. Die Maschinen sollen im Jahr 2021 ausgeliefert werden, zusätzlich besteht eine Option für 18 weitere Maschinen.

Für den Siemens-Konzern hat sich die Sparte zu einem einträglichen Geschäft entwickelt, kostet eine Lokomotive doch je nach Betriebssystem, Ausstattung und Leistung zwischen drei und fünf Millionen Euro. Wirtschafts-Auguren sprechen spätestens seit 2016 von einem „Verkaufsschlager“, den Siemens mit dem Vectron gelandet habe, und selbst beim gestiegenen Aktienkurs schlagen die guten Geschäfte mit der flexibel einsetzbaren Lok durch.

Eisenbahn-Fans können allenfalls von der Kumpfmühler Brücke einen Blick auf die nagelneuen Loks werfen. Der lohnt sich mitunter schon wegen der auffälligen Erscheinung. So kommen etwa die Vectrons für die Schweiz mit einer Silhouette der dortigen Bergwelt daher, und auch andere Kunden haben eine prägnante Lackierung gewählt. Nähern darf man sich den zwischen 160 und 200 Stundenkilometer schnellen Kraftpaketen mit bis zu 6400 Kilowatt Leistung nicht. Das Betriebsgelände an der Kirchmeierstraße ist nach wie vor Sperrgebiet, und die Siemens-Kunden hätten laut Ellen Schramke einen Anspruch auf Schutz vor allzu viel Öffentlichkeit, bevor die Loks auf heimischen Gleisen fahren. Ein schwacher Trost: Vectron-Loks haben auch die einschlägigen Modellbauer mittlerweile im Angebot.

700 Mitarbeiter im Stammwerk

Alle „echten“ Loks werden in München-Allach gefertigt, wo das globale Leitwerk für Siemens-Lokomotiven steht. 700 Mitarbeiter sind hier in Forschung und Entwicklung, Einkauf und Logistik, in der Konstruktion, im Stahlbau sowie in der Montage und Inbetriebsetzung tätig. Auf einer überdachten Produktionsfläche von 24 500 Quadratmetern durchläuft ein Fahrzeug im Münchner Werk die Phasen Fertigung, Montage und Inbetriebnahme. Die letzten Schritte auf dem Weg zum Kunden geht so manche Lokomotive nun eben auch in Regensburg.

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