Tiere
Luchs verfolgt zwei Reiterinnen

Ausritt bei Schorndorf mit ungeahnten Folgen: Plötzlich faucht ein Luchs neben zwei Pferden, macht sie scheu und lässt sich nicht vertreiben.

11.01.2013 | Stand 16.09.2023, 21:02 Uhr

Selten, schön, scheu: der Luchs. In einem Waldstück bei Schorndorf ist er jetzt Reiterinnen begegnet.Foto: dpa

Die beiden Pferde haben den Schock noch nicht überwunden. Noch immer schauen sie, wenn sie den schützenden Stall verlassen, schnurgerade in die Richtung, aus der das Unheil kam. Am 30. Dezember ritten sie mit zwei jungen Reiterinnen auf ihren Rücken aus. Es sollte, wie häufig, ein Spazierritt über Landstraßen und Waldwege zur Erholung für Mensch und Tier werden – doch es kam ganz anders als erwartet. Als die Reiterinnen im Wald unweit des Zigeunerdenkmals in Richtung Baierberg dahintrabten, trat ihnen plötzlich ein Luchs entgegen. Und der führte sich auf, als habe er ordentlich Wut auf Ross und Reiter. So schilderten die beiden jungen Frauen später die Begegnung der besonderen Art.

Die Pferde wurden nervös

Die Reiter hatten die am Rand des Weges sitzende Katze schon passiert, als die Pferde das Wildtier witterten und nervös wurden. Erst dadurch bemerkten die Reiterinnen den wenige Meter entfernt sitzenden Luchs. Eines der beiden Pferde stieg auf. Die eine Reiterin konnte sich nicht mehr im Sattel halten, fiel vom Pferd und holte sich dabei einige Blessuren, wie ihre Mutter im Gespräch mit dem Bayerwald-Echo erzählt. Den Luchs am Wegesrand beeindruckten weder die Vierbeiner noch die beiden Reiterinnen, die Mühe hatten, ihre Tiere zu halten. Sie führten die Pferde weg, um sie zu beruhigen und die große Katze möglichst schnell hinter sich zu lassen. Doch zum Entsetzen der Reiterinnen folgte ihnen der Luchs. Selbst als sie zu Ästen griffen, um das Tier zu verscheuchen, bliebt es noch minutenlang sitzen.

Später, als der zuständige Jäger des Reviers benachrichtigt ist und er den Weg absucht, stellt sich heraus, dass der Luchs Beute gerissen hatte und wohl gerade beim Fressen gestört wurde, als die Reiterinnen vorbei kamen. Ein halb gefressenes Reh lag dort neben den Büschen. Es sei der einzige schlüssige Beweis auf den Luchs gewesen, meint die Mutter der einen Reiterin. Denn am Reh hätten sich die typischen Fraßspuren eines Luchses gezeigt.

Totes Reh am Wegesrand

Die typischen Spuren des Luchses habe ihr dann auch Sybille Wölfl aus Lam erklärt. Die Diplombiologin ist die Leiterin des Luchsprojekts in Bayern. Sie ist nicht überrascht über das Verhalten des Luchses nach der Begegnung mit den Reiterinnen in Schorndorf. Luchse würden nicht gleich panisch wegrennen, nur weil ein Mensch vorbeikomme. Normalerweise ducke er sich nur ins Gebüsch. In üblicher Katzenmanier plane der Luchs einen geordneten Rückzug, denn er höre den Menschen schon lange bevor er ihn sehe. Er gehe in Deckung, gucke und warte ab. Ungewohnt sei, wie eine der Reiterin dies geschildert habe, dass er nur fünf Meter hinter ihnen gestanden habe und dann hinter den flüchtenden Reiterinnen mit ihren Pferden hergelaufen sei.

Dass es ein Luchs war, davon geht Sybille Wölfl nach den Beschreibungen der beiden Frauen aus. Oft würden Luchse mit großen Katzen verwechselt, dann als gestreift und mit langem, geringeltem Schwanz dargestellt. Solch eine Meldung habe sie etwa vor zwei Jahren aus Furth im Wald gehabt. Doch hier sei das Tier gefleckt mit Stummelschwanz beschrieben worden – eben wie ein Luchs ausschaut. Dass das Tier relativ gelassen auf Menschen reagiert habe, könne auch damit zusammenhängen, dass es sich um einen aus einem Gehege entflohenen Luchs handeln könnte. Vom Vorkommen her sei im Bereich Schorndorf und Cham ein Luchs sonst eher nicht zu erwarten, da er waldreichere, ruhige Gebiete bevorzuge. Doch vom Nahrungsangebot finde er dort auch einen reich gedeckten Tisch, „wenn man ihn leben lässt“, so Wölfl. Denn trotz Schutzgesetz und Strafandrohung werde dem Luchs hinterhergestellt. „Drei von vier Tieren sind verschwunden“, sagt er. Selbst mit Sendern versehene Tiere halte manchen nicht davon ab, zu schießen. Dabei sei der Luchs kein großer Beutekonkurrent für Jäger und werde seine Beutetiere nie ausrotten, wie falscherweise erzählt werde.

Wie ein Sechser im Lotto

„Das ist wie ein Sechser im Lotto“, sagt Sybille Wölfl vomLuchsprojekt.Wenn der erste Schreck vorbei sei, solle man sich freuen, einen wildlebenden Luchs gesehen zu haben, rät sie den Reiterinnen. Nur ganz wenigen Menschen glückt dies. Bayernweit habe es 2012 zehn solcher Sichtungen gegeben, 2011 gar nur vier. Die beiden Frauen sollten sich also mit Freude daran erinnern. Laufe man einem Luchs über den Weg, solle man einen Bogen machen, mit ihm sprechen, um ihn und sich selbst zu beruhigen, rät Wölfl. Vergessen werden die Frauen die Begegnung wohl nicht, ebenso wenig wie ihre Pferde. Die würden genau speichern, wo was passiert sei und an dieser Stelle vorsichtig sein. Wobei die Chance, ihn dort noch mal zu treffen, gering sei, meint Sybille Wölfl. Schließlich könne das Tier in einer Nacht 30 Kilometer zurücklegen. Wenn es ihm andererseits hier gefalle, könne er aber genauso gut auch noch in der Nähe sein.