Notfall
Mit 1660 PS durch ganz Ostbayern

Die Regensburger Luftretter werden täglich zu Einsätzen gerufen. Wir haben sie begleitet: zu Unfällen und Hochzeitsfeiern.

30.04.2016 | Stand 16.09.2023, 6:50 Uhr

MZ-Reporter Martin Kellermeier (2.v.l.) hat die Crew begleitet. Unser Foto zeigt ihn mit Pilot Christian Hackl (l.), Rettungsassistent Stefan Neppl (2.v.r.) und Notarzt Markus Werkmann (r.). Foto: Lex

Ein heller Ton verdirbt Markus Werkmann das Weißwurstessen. Gerade hat er sich noch süßen Senf auf den Teller gestrichen, jetzt springt er in seine Stiefel und wirft sich die rot-schwarze Jacke mit der Aufschrift „Notarzt“ über. Das Handy vibriert: „Atemnot in Köfering“ steht auf dem Display. Dazu die Koordinaten des Einsatzortes. Die brauchen Pilot Christian Hackl und Rettungsassistent Stefan Neppl, der gleichzeitig als Navigator im Rettungshubschrauber der DRF Luftrettung fungiert. Was die Crew nicht weiß: Dieser Einsatz wird anders. So anders, dass sich der Notarzt auf dem Rückweg ärgern wird, dass er die Tanzschuhe nicht mit im Gepäck hat.

Aber was alles sein könnte, daran denkt die Crew jetzt nicht. Die Rotorblätter beginnen sich zu drehen, die Türen werden geschlossen. „Alle bereit?“, fragt Pilot Hackl über Funk. „Alles klar, kann losgehen“, antwortet ihm Dr. Werkmann, der in der Maschine direkt hinter dem Flugkapitän sitzt. Das Mikrofon haben alle drei Crewmitglieder ganz nah an den Lippen. Ansonsten würden sie einander nicht verstehen.

Vor der Landung ist Ruhe

Die Maschine hebt ab.„Christoph Regensburg“ hat 1660 PS und fliegt mit 230 Stundenkilometern.Der Tankinhalt: 900 Liter Kerosin. Das reicht für drei Flugstunden – oder in der Distanz von Regensburg nach Kiel. Auf die Tankuhr schaut aber niemand. Kein Wunder: Fünf Minuten Flugzeit zeigt das Navi an. Notarzt Werkmann trifft die ersten Einsatzvorbereitungen. Aus einem Fach zieht er zwei Einmal-Handschuhe heraus, ein zweites Paar steckt er zur Vorsicht in seine Jackentasche. Dann blickt er nach hinten zum Heck. Reglos, wortlos, konzentriert. Dr. Werkmann hat den berühmten Tunnelblick, den man von Fußballern im Kabinengang kennt. Was er denkt, bleibt ein Geheimnis. Stören wird ihn bei seiner mentalen Check-Liste niemand.

„Dann gehen wir auf dem Sportplatz runter“Christian Hackl, Pilot

Köfering ist in Sichtweite. Jetzt ist der Pilot gefordert. Er muss zusammen mit dem Rettungsassistenten den Einsatzort suchen. Ein guter Orientierungspunkt sind dabei andere Einsatzfahrzeuge: Denn dort wo die Crew landet, ist automatisch ein Rettungswagen im Einsatz. Heute fehlt er. Wäre er bereits eingetroffen, hätte er den Einsatz des Hubschraubers wohl abgebrochen. Die Koordinaten zeigen die Einsatzstelle an: Ein Wirtshaus, direkt im Ortskern. „Dann gehen wir auf dem Sportplatz runter“, funkt Hackl. Nicht einmal eine Minute später steht der Heli direkt an der 16-Meter-Linie. „Solche Landungen sehen viele Vereine nicht gerne“, sagt der Pilot. Aber was soll‘s – der „heilige“ Rasen tritt beim Kampf um Leben und Tod in den Hintergrund.

So war die Feier nicht geplant

Neppl und Werkmann sprinten los. Sie nennen das Laufschritt mit Marschgepäck. Allein der Notfallrucksack wiegt 28 Kilo. Jetzt ist die Anspannung am Höchsten. Was erwartet sie in der Gaststätte? Wie geht es dem Patienten? Dann die Entwarnung. Alle atmen auf und haben ein Lächeln im Gesicht. Eine 87-Jährige hatte sich bei der Hochzeitsfeier ihrer Enkelin beim Essen verschluckt. „Und Sie sind jetzt extra wegen mir gekommen?“, wundert sich die Dame, die schon wieder einen aufgeweckten Eindruck macht. Ihre Familie hatte sie bereits ins Nebenzimmer gesetzt. Notarzt Werkmann untersucht sie zur Sicherheit trotzdem. Die Braut sitzt daneben, der Bräutigam ist auch im Raum.

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Hat die Oma die Hochzeitsfeier zerstört? „Nein“, sagt Bräutigam Ernst gleich. „Hauptsache ihr geht’s wieder gut!“ Dem ist zum Glück so. Die Blutdruckwerte bestätigen das. Werkmann hebt den Daumen. Der Dame ist das Großaufgebot mit dem Hubschrauber vor der Tür sichtlich unangenehm. „Wollt Ihr was essen oder trinken? Oder einen Schnaps vielleicht?“ Die Crew lehnt dankend ab – zu unpassend die Kleidung, außerdem geht der Dienst vor. „Aber dann müsst Ihr zu meinem 90. Geburtstag kommen“, bestimmt die Patientin. Dann könnte sogar der Tanz nachgeholt werden. Die Gelegenheit dazu hat die Crew selten. Einen Einsatz auf einer Hochzeit hatte der Notarzt noch nie.

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Der Helikopter ist „nachtaktiv“

Die Weißwürste liegen immer noch da. Nur, dass sie jetzt kalt sind. Das Team wird auch den restlichen Tag wenig Zeit haben, um zu essen. Einsätze in Traitsching, Sünching, Deuerling und Wenzenbach werden die Luftretter fordern.Auch zu einem schweren Verkehrsunfall nach Altenthann werden sie gerufen.Unter den Patienten wird auch der kleine Tim sein. Er hatte einen Fieberkrampf, der zum Glück nicht lebensbedrohlich war. Gegen 19 Uhr ist Schichtübergabe. Der Hubschrauber „Christoph Regensburg“ ist auch nachts aktiv. Dr. Werkmann und Crew haben Feierabend. Der Notarzt zieht sich um. Jetzt ist Essenszeit – zu Hause. Was es gibt? Die Weißwürste natürlich. Die hat Dr. Werkmann eingetütet.

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