Interview
Mit über 30 kommt die Kinderfrage

Schauspielerin Katrin Röver über das Idealbild der Frau in der Gesellschaft und wie schwer es ist, Erwartungen zu erfüllen.

07.02.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr
Angela Sonntag

Katrin Röver als Frida in einer Szene des Films „Dinky Sinky“. Im Interview spricht sie über‘s Frau-sein und die Verpflichtungen, die damit einher gehen. Foto: dpa

Frida wünscht sich ein Kind. Doch ihre Sehnsucht erfüllt sich nicht, und dann läuft auch noch der Mann davon. Während um sie herum ein regelrechter Babyboom ausbricht, verläuft ihr eigenes Leben vermeintlich rückwärts. Für Kummer bleibt keine Zeit. Sie ist 36 Jahre alt und der festen Überzeugung: jetzt oder nie.

Katrin Röver spielt auf charmante Weise die Rolle der Frida in dem Film „Dinky Sinky“ (steht für „Double Income No Kids Yet – Single Income No Kids Yet“, Kinostart: 8. Februar).

Einerseits möchte der Zuschauer manchmal den Kopf schütteln und die Naivität von Frida belächeln. Auf der anderen Seiten fühlt man mit der in ihrem Kummer und ihren Sehnsüchten Alleingelassenen mit. Das ist die Geschichte auf der Leinwand. Aber Frauen Mitte 30, kinderlos und unverheiratet sind heutzutage in der Realität ebenfalls nicht so selten, auch wenn das Idealbild der Gesellschaft sie als bedauernswerte Ausnahme hinstellt. Kein einfaches Thema, das oft kontrovers diskutiert, oftmals aber nicht mit allen Facetten beleuchtet wird. Wir haben mit Katrin Röver über dieses Thema gesprochen, schließlich hat sie diese Rolle immerhin schon einmal „gespielt“.

Frau Röver, stehen wir Frauen in der Gesellschaft unter größerem Druck?

Bezüglich des Kinderthemas? Ich würde sagen, ja! Es gibt Frauen, die wissen von Anfang an, dass sie keine Kinder wollen. Aber selbst die kommen um die Fragestellung nicht herum. Du bist lange mit deinem Freund zusammen oder du bis schon länger verheiratet oder du bis Mitte 30 – bei allen diesen „Gegebenheiten“ kommt irgendwann die Frage von außen: Was ist mit Kindern? Ob man möchte oder nicht, man wird mit dieser Frage konfrontiert.

„Jeder kennt die biologische Uhr, die tickt, und diese Zeitbegrenzung baut einen gewissen Druck auf“Katrin Röver, Schauspielerin

Jeder kennt die biologische Uhr, die tickt, und diese Zeitbegrenzung baut einen gewissen Druck auf. Das kann beispielsweise in Beziehungen sein, die vielleicht noch neu sind. Man hat keine vier Jahre mehr Zeit, sich kennenzulernen, sondern muss schneller Entscheidungen treffen. Das belastet. Genauso kann es sein, dass man mitten im Berufsleben steht, es läuft gerade gut, und dann rückt der Kinderwunsch weiter nach hinten. Und je älter man wird, desto schwieriger wird es ja auch. Und dann kommen noch mehr Fragen ...

Was, würden Sie sagen, ist das Idealbild der Frau in unserer Gesellschaft? Spätestens mit 30 Jahren verheiratet, am besten bis dahin noch zwei Kinder?

Ich habe das Gefühl, in meiner Generation ist wichtig: Wie weit bist du beruflich und bekommst du das gleichzeitig mit Kindern unter einen Hut? Es sollte am besten beides sein. Beruflich und mit Kindern erfolgreich. Gerade in meinem Beruf ist das aber zum Beispiel schwierig. Ich kenne Kolleginnen, die haben zwei Kinder gekriegt und waren dann erstmal raus aus dem Geschäft. Weil sie ganz klar eine Zeit lang nicht spielen konnten. Und dann musst du mit Mitte 30 wieder reinkommen. Von daher ist Karriere und Kinder das Ideal, das über allem steht – aber einfach und für jeden machbar ist das nicht.

Haben es Männer leichter?

Ja, das würde ich schon sagen. Weil sie viel mehr Zeit haben – biologisch gesehen. Sie können über Mitte 30 hinaus außerdem noch geistig reifen. Und weil Männer biologisch später auch noch Kinder zeugen können, ist der Druck nicht so groß. Ich habe mich im Vorfeld, als ich mich auf den Film vorbereitet habe, informiert, wie es in Kinderwunschkliniken zugeht. Oft gehen Frauen alleine dorthin, ebenso kommen Paare, aber tatsächlich sind manchmal auch Männer alleine da, weil ihnen der Kinderwunsch wichtiger ist als der Partnerin. Das wiederum tat mir dann leid. Denn wenn du als Mann einen starken Kinderwunsch hast, aber deine Partnerin zieht nicht mit, dann hast du vielleicht mehr Zeit, bist aber in gewisser Weise aufgeschmissen. Was ich damit sagen will, ist, dass Kinderkriegen nicht ein reines Frauenthema ist. Nur durch die biologische Zeitbegrenzung drängt es sich für Frauen eben mehr auf.

Sie haben es gerade angesprochen. Kinderwunsch ist ja doch ein Thema, das ein Paar betrifft, noch dazu ist es sehr intim. In den letzten Jahren wurde es aber immer zentraler, und nicht nur im Bekanntenkreis reden viele mit, das Thema wurde auch zum Politikum mit Aussagen wie „Frauen und Männer ohne Kinder sind schuld, dass in 30 Jahren keiner mehr in unsere Rentenkassen einzahlt“. Und sogar Papst Franziskus sagte „Paare, die keine Kinder bekommen, sind egoistisch“. Was halten Sie von solchen Statements?

Ich finde das völlig absurd. In einer Gesellschaft, die mit Leistung funktioniert und sich auch darüber definiert, ist es absurd, die Leute auch noch mit diesem Thema unter Druck zu setzen.

„Das Kinderkriegen als gesellschaftliche Verpflichtung zu sehen, finde ich unmöglich“Katrin Röver, Schauspielerin

Das Kinderkriegen als gesellschaftliche Verpflichtung zu sehen, finde ich unmöglich. Es muss ja auch eine Umgebung sein, in die ich ein Kind hineingebären möchte. Dazu sollte die Allgemeinheit die Voraussetzungen schaffen, dass ich mein Kind großziehen kann. Da wären wir wieder beim Beruf, wo oft eine hohe Flexibilität verlangt wird: verschiedene Arbeitszeiten, verschiedene Städte, ständig abrufbar sein. Darum sollte sich die Gesellschaft auch kümmern.

„Wenn ich superreich bin und etabliert, überlege ich anders als derjenige, der für seinen Lebensunterhalt hart arbeiten muss. Es wäre eine sehr einsichtige Betrachtung, wenn man sagt, das Individuum soll sich darum kümmern, dass die Gesellschaft fortbesteht“Katrin Röver, Schauspielerin

Man kann das nicht so einfach umdrehen und sagen, kinderlose Paare sind nur egoistisch. Wenn ich superreich bin und etabliert, überlege ich anders als derjenige, der für seinen Lebensunterhalt hart arbeiten muss. Es wäre eine sehr einsichtige Betrachtung, wenn man sagt, das Individuum soll sich darum kümmern, dass die Gesellschaft fortbesteht.

Glauben Sie, dass man das Gesellschaftsbild verändern oder beeinflussen kann?

Ich glaube, dass Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen und sich bewusst entschieden haben, keine Kinder zu bekommen, etwas bewirken können. Wenn diese Frauen, die im Beruf stehen, erzählen, wie man auch ein erfülltes Leben ohne Kinder haben kann, dann hilft das vielleicht anderen Frauen. Ich finde das recht angenehm und entspannend. Viele Frauen denken – so ist es ja auch im Film –, dass sie sich ein Leben ohne Kind nicht vorstellen können. Für sie gibt es die Option nicht, kein Kind zu kriegen und anscheinend keine anderen Inhalte in ihrem Leben, die darüber hinaus auch schön sein können. Ich finde Kinder auch toll. Aber ich glaube, es ist wichtig, zu betonen, dass es auch andere Lebensinhalte gibt. Oft vollbringen auch genau diese Menschen ohne Kinder ganz großartige gesellschaftliche Leistungen und sind für andere da, weil sie eben flexibler sind. Von daher finde ich es wichtig, dass man auch mehr solche Beispiele sieht.

Sind Sie verheiratet und haben Sie Kinder?

Ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder.

Als Sie sich auf die Rolle vorbereitet haben, waren auch eigene Erfahrungen oder welche aus dem Freundeskreis dabei?

Die Regisseurin Mareille Klein hat ja auch das Drehbuch geschrieben. Sie hatte also ihre Vorstellungen. Ich war 33 und Single, als ich den Film gedreht habe. Ich hatte ebenfalls meine Ideen und habe mir gerade zu der Zeit viele Gedanken gemacht à la „Wird das jetzt noch was, lernst du noch jemanden kennen?“. Ich habe angefangen, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Für mich war aber, was den Kinderwunsch betrifft, immer klar: Es muss einen Vater dazu geben. Ich würde nicht von Anfang an planen, alleinerziehend zu sein. Diese Gedanken haben Mareille und ich ausgetauscht. Aber ich kenne das auch aus Freundeskreisen und genauso bin ich, seit ich über 30 bin, nach Kindern gefragt worden.

Haben Sie auch, speziell was den Kinderwunsch betrifft, im Vorfeld recherchiert?

Ich habe mit mehreren Frauen gesprochen und sie haben mir ihre Geschichten erzählt. Da waren beispielsweise Frauen, die eine Fernbeziehung führten, aber die genauso einen tiefen und noch unerfüllten Kinderwunsch hatten. Die Frauen ließen sich mit Hormonen behandeln und sind dann genau zum Eisprung in die andere Stadt gereist, um mit ihrem Mann zu schlafen. Wenn man sich vorstellt, was das für einen psychischen Stress bedeutet. Mir ist im Nachhinein erst klar geworden, wieviele Paare sich mit dem Thema beschäftigen oder anders gesagt, mit dem unerfüllten Kinderwunsch umgehen müssen.

Im Film will Frida auch ohne Partner ein Kind, egal was es kostet und auch wenn sie alleinerziehend ist. Sie reist dafür ins Ausland zu einer Samenbank, weil das bei uns nicht ohne Probleme möglich ist. Finden Sie es gut, dass es in so einem Fall Hürden gibt, oder sollte jede Frau die Chance haben, auch auf diese Weise Mutter zu werden?

... geben Sie mir einen Moment. Da habe ich so noch nicht drüber nachgedacht. Es geht darum, dass eine alleinstehende Frau eine Samenspende bekommt? Ich überlege, was daran negativ sein sollte ...

Frida sagt im Film einen sehr signifikanten Satz, als sie von einer anderen Frau darauf hingewiesen wird, dass ein Kind das ganze Leben verändert. Ihre Antwort ist: „Das ist ja gut, so wie mein Leben jetzt gerade ist, gefällt es mir sowieso nicht!“ Wenn eine alleinstehende Frau aus solchen Gründen ein Kind will, finde ich das persönlich recht gewagt, vielleicht deshalb die Hürden ...

Das stimmt schon. Wenn ich ein Kind haben möchte oder brauche, um mich auszufüllen, dann sage ich auch sofort: „Um Gottes Willen, das arme Kind. Wie soll es das aushalten?“

„Ich habe ebenso ein Problem damit, wenn man fanatisch ein Kind haben möchte, koste es, was es wolle“Katrin Röver, Schauspielerin

Ich habe ebenso ein Problem damit, wenn man fanatisch ein Kind haben möchte, koste es, was es wolle. Man sucht einen Lebensinhalt, und den soll der kleine Mensch liefern?! Trotzdem überlege ich, ob man generell Frauen die Möglichkeit geben sollte, unabhängig von Männern Kinder zu bekommen. Es gibt Frauen, die sich das wünschen und die das auch hinbekommen würden. Von daher finde ich die Frage schwierig zu beantworten.

In einer anderen Szene wird Frida gefragt, was für sie Freiheit bedeutet. Frida kann die Frage kaum beantworten. Wie ist es bei Ihnen? Was bedeutet Freiheit für Sie?

Auf beruflicher Ebene heißt es, dass ich sagen kann, diesen Film möchte ich machen und das nicht. Das freie Arbeiten bedeutet für mich also wörtlich viel Freiheit. Natürlich muss es finanziell laufen, nur dann kann man die Freiheit auch genießen. Und privat heißt Freiheit für mich, wenn man einen Partner hat, der einen so nimmt, wie man ist. Mit den guten und den schlechten Seiten.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.