Sport
Ohne Betrug zum perfekten Körper

Doping ist gewiss keine Seltenheit im Bodybuilding. Doch es geht auch anders, ohne Tricks und Zusatzstoffe.

03.07.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr
Bastian Schmidt

Susanne Knörl ist Deutsche Meisterin im Natural Bodybuilding in der Bikini-Klasse. Foto: J&W Sportagentur

Wir schreiben das Jahr 2018 und alle Bodybuilder dopen. Alle Bodybuilder? Nein, denn die stetig wachsende Gruppe der Natural Bodybuilder leistet der gängigen Praxis des Missbrauchs illegaler Substanzen in ihrem Sport Widerstand. Angeführt werden sie von Berend Breitenstein, dem Präsidenten und Gründer des GNBF, des German Natural Bodybuilding Federation e.V., dem Verband der Bodybuilder, die sich ihre Körper in der Ausübung ihres Sportes nicht durch Doping ruinieren, sondern ihn ausschließlich durch hartes Training, eisernen Willen und einen strikten Ernährungsplan formen und modulieren wollen. So oder so ähnlich könnte man die Situation der Natural Bodybuilder in Anlehnung an die Einleitung der bekannten Asterix-und- Obelix-Comicreihe beschreiben.

Experten nehmen eine fast hundertprozentige Dopingrate an

Um jetzt eines vorwegzunehmen: Natürlich ist es politisch nicht korrekt, alle Bodybuilder über einen Kamm zu scheren, aber bei einer von Experten angenommenen Dopingrate von nahezu 100 Prozent unter professionellen Wettkampf-Bodybuildern fällt es doch einigermaßen schwer, dem von allen in Deutschland zugelassenen Bodybuildingverbänden postulierten Kampf gegen Dopingmissbrauch Glauben zu schenken.

An dieser Stelle eine kurze Erklärung, warum Bodybuilding so anfällig für Dopingmissbrauch ist. Ziel des Bodybuildings ist eine aktive Gestaltung und Formung des eigenen Körpers. In einem Wettkampf bewertet eine Jury die gezeigten Körper nach Muskulösität, Symmetrie, Proportionen, Präsentation und Ästhetik, wobei es bei den Muskeln auf die Masse und Dichte sowie die Härte und Teilung ankommt. Das Ziel ist folglich, die Muskeln so definiert zu präsentieren, dass sich die Muskelgruppen klar voneinander abgrenzen und im besten Fall einzelne Muskelstränge deutlich zu erkennen sind. Um dies zu erreichen, trainieren alle Bodybuilder extrem hart, jedoch sind dem Muskelwachstum im menschlichen Körper auch Grenzen gesetzt. Die Einnahme von anabolen Steroiden und Hormonen verschiebt diese Grenzen und führt bei weiterem Training auch zu weiterem Muskelwachstum.

Woran sich ebenfalls alle Bodybuilder halten müssen, wenn sie Erfolg haben wollen, ist ein äußerst strikter Ernährungsplan, der in der zum Teil mehrmonatigen Vorbereitungsphase auf einen Wettkampf zu einer Diät wird, bei der täglich jede einzelne Kalorie gezählt und bewusst zu sich genommen wird. Dadurch reduzieren Wettkampf-Bodybuilder ihren Körperfettanteil vor Wettkämpfen auf bis zu unter fünf Prozent. Zusätzlich wird der Körper entwässert, damit auf der Bühne tatsächlich nur noch reine Muskelmasse zu bewundern ist. Gerne wird hierfür zu Diuretika gegriffen, jedoch stehen auch diese Mittel zur Entwässerung des Körpers auf der Liste der im Sport verbotenen Substanzen. Neben dem Betrug stellt die Einnahme der Mittel ein nicht zu vernachlässigendes Risiko für die Gesundheit der Nutzer dar. Vor allem, da die sogenannten „Kuren“ in den seltensten Fällen unter ärztlicher Aufsicht stattfinden, die Mittel aus dubiosen Schwarzmarktquellen stammen und die Nutzer ihr Wissen über die richtige Einnahme nicht selten ausschließlich über Internetforen beziehen.

Wem eine solche Behandlung des eigenen Körpers gegen den Strich geht, der findet als sauberer Bodybuilder beim GNBF seine Heimat. Der im Jahr 2003 von Breitenstein gegründete Verband verfolgt eine rigorose Anti-Doping-Politik, arbeitet mit der Nationalen und der Welt-Anti-Dopingagentur (NADA und WADA) zusammen und führt neben den Wettkampfkontrollen auch unangemeldete Trainings- und Out-of-Season-Tests durch. Dadurch müssen die Mitglieder das ganze Jahr über und in jeder Phase der Vorbereitung mit Kontrollen rechnen.

Wird eines der Verbandsmitglieder positiv getestet, erfolgt eine siebenjährige Wettkampfsperre. „Das gibt uns natürlich keine 100-prozentige Sicherheit, dass alle immer sauber sind“, erklärt Breitenstein, „aber wir haben mittlerweile ein sehr ausgefeiltes System aus Blut-, Haar- und Urintests, das auch rechtlich auf sicheren Füßen steht. Und die Tatsache, dass wir in unseren Reihen immer wieder Vergehen aufdecken, zeigt ja auch, dass wir aktiv dagegen angehen. Die stetig wachsende Zahl unserer Mitglieder zeigt, dass wir für die Athleten und Zuschauer eine echte Alternative sind.“

Lesen Sie hier ein Interview mit der Deutschen Meisterin im Bodybuilding Susanne Knörl!

Ohne Doping ist das Training eine Tortur – aber eben echt

Rund 1000 Mitglieder hat der GNBF mittlerweile, Tendenz steigend. Eines davon ist der 30-jährige Bundeswehrsoldat Hagen Franke. Seit 14 Jahren trainiert er seinen Körper, seit etwa sechs Jahren betreibt er Bodybuilding auf Wettkampfniveau und gewann 2017 die Internationalen Deutschen Meisterschaften des GNBF in der Klasse bis 1,80 Meter Körpergröße. Er selbst bezeichnet die lange Phase der Wettkampfvorbereitung als „Tortur“, trotzdem kommt Betrug für ihn nicht in Frage. Umso enttäuschender ist es, wenn das Ergebnis der harten Arbeit pauschal unter Dopingverdacht fällt. „Es ist sehr frustrierend, wenn man nach dem Wettkampf jemandem ein Foto zeigt und der nur fragt: Was hast du denn dafür alles eingeworfen? Deshalb bin ich vom GNBF voll überzeugt, denn nur die Menschen, die diesen Lifestyle leben und die Qualen kennen, seinen Körper ohne Dopingmittel in eine solche Form zu bringen, wissen wirklich, wie schwer das ist.“ All das gilt natürlich für Männer genauso wie für Frauen, wobei es bei den Damen-Wettbewerben Klasseneinteilungen gibt, die die Ausformung der Muskeln nicht ganz so auf die Spitze treiben. Besonderer Popularität erfreut sich beispielsweise die kleinste Klasse der Frauen, die Bikini-Klasse. Hier gilt das Bild einer sportlichen und gut durchtrainierten Frau als Ideal, Muskelberge sind nicht erwünscht. Die 23-jährige Sabrina Specovius ist eine solche Bikini-Athletin. Sie geht seit gut vier Jahren ins Fitnessstudio und nimmt seit eineinhalb Jahren an Wettkämpfen teil. „Ich trainiere sehr viel mehr als Frauen, die einfach nur eine schöne Bikini-Figur haben wollen“, erklärt die Businessmanagementstudentin, die ehrgeizige Ziele hat, aber auch genau weiß, wo die Grenzen ihres persönlichen Ästhetikempfindens liegen: „Ich möchte meinen Körper weiter perfektionieren, aber nicht über die Bikini-Klasse hinaus. Das entspricht meinem Schönheitsideal. Die weiteren Bodybuilding-Klassen finde ich persönlich zu krass.“

Die Mitgliedschaft im GNBF ist für sie eine Selbstverständlichkeit. „Ich bin absolut gegen Doping, weil ich finde, dass man Schönheit in diesem Sport auch auf natürlichem Wege erreichen kann.“ Ein Weg, den der GNBF seinen Mitgliedern vor 15 Jahren eröffnet hat und dem zu wünschen ist, dass ihn auch in Zukunft möglichst viele Athleten beschreiten werden.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Sie in unserem Aboshop.