Szene
Oldtimer: Das Gold in der Garage

Ein Ferrari bringt 48 Millionen Dollar. Sammler in Ostbayern sehen das skeptisch. Walter Röhrl: „Solche Summen sind irreal.“

31.08.2018 | Stand 16.09.2023, 6:03 Uhr

Walter Röhrl in St. Englmar vor einem seiner Porsche: „Ich behandle die Autos wie rohe Eier“, sagt der Rallye-Weltmeister. Foto: Weigel/dpa

Der Höhepunkt eines Abendessens in dem schönen Tiroler Haus von Erich S., der viel baute, auch in Regensburg, war immer dieser Moment: Die Teller wurden abgetragen, das Licht gedimmt – und der Breitwand-Spiegel gab den Blick frei auf die Garage nebenan, ach was! den Living-Room, in dem die Ferrari-Sammlung des Hausherrn logierte. Auf edel bezogenen Schrägflächen schienen die polierten Boliden direkt ins Esszimmer hinein zu fahren.

Dass solch aufwendiges Setting dem Wert eines Ferrari durchaus angemessen ist, zeigte sich gerade bei einer Auktion von Sotheby’s. 48,4 Millionen Dollar zahlte ein Käufer für sein Schätzchen aus dem Jahr 1962. Der 250 GTO ist damit das teuerste jemals versteigerte Auto. Der Rekord bewegt Sammler, auch in Ostbayern, und ruft gemischte Gefühle wach.

Ausfahrten nach Plan

„Ein Wahnsinn“, kommentiert Walter Röhrl den Coup, und er sagt es nicht erfreut. „Diese Summen sind irreal.“ Die Rennsport-Legende sieht den Superlativ skeptisch. „Manche wollen nur haben, nicht fahren.“ Beim Rallye-Weltmeister (Deutschlands einzigem) ist das anders. Acht Autos, 30 Jahre und älter, stehen in seiner Garage, die ausgestattet ist mit einer Hebebühne, Fotowand, Sitzecke und einem Tisch aus einer Porsche-Felge. Dort hängt auch ein Plan, welcher Wagen wann Auslauf braucht – zwischen März und November mindestens ein Mal im Monat. „30 bis 40 Kilometer reichen“, sagt Röhrl. Am Donnerstag, in der Spätsommersonne auf der Rusel, wurden es sogar 120 Kilometer. „Das genieße ich!“

Ein Porsche ist keine Diva. „Ich dreh’ den Zündschlüssel um und fahr’ los“, sagt der Sammler. „Aber ich behandle die Autos auch wie rohe Eier. Jedem Kanaldeckel weiche ich aus.“

Der Oberpfälzer besaß bis 2000 einige Oldtimer – Austin-Healey, Fiat 124 Spider. Er löste die Sammlung auf. „Ich war fünf Jahre vernünftig. Dann fand ich: Ohne Oldtimer, das ist nix.“ 2005 waren sie erschwinglich. Der Porsche 964 RS kostete 50 000 Euro und bringt heute an die 250 000 Euro. „Aber mir ging’s nicht um die Wertsteigerung. Ich will ja eh’ nicht verkaufen.“ Das 300-PS-Auto schätzt Röhrl als „Wolf im Schafspelz, ohne großen Flügel. Das würd’ in meinem Alter auch spätpubertär aussehen.“ Nur 95 PS stark, aber emotional stark besetzt, ist sein Porsche 356, Baujahr 1965, rot. „Das gleiche Modell, das ich mir mit 21, gebraucht, vier Jahre lang vom Mund abgespart habe.“

Wir haben Walter Röhrl 2017 besucht: In seiner Garage erzählt er über Stationen aus seinem Leben. Hier geht’s zum Video.

Vorbesitzer Greg Whitten hatte im Jahr 2000 in sein Goldkind GTO 7 Millionen Dollar investiert. Die 48 Millionen Dollar bei Sotheby’s bedeuten einen exzellenten Schnitt. „Für mich zeigt das nur, dass Geld nichts mehr wert ist“, sagt Walter Röhrl.

Banken geben keine Zinsen, selbst Gold verliert. Immobilien, Kunst, Oldtimer, Uhren: „Nach der Finanzkrise setzte die Flucht in Sachwerte ein. Sehr vermögende Menschen investieren zum Beispiel in Oldtimer und erzielen erstaunliche Wertzuwächse“, sagt die Regensburger Finanzexpertin Doris Biersack-Press, die große Privatvermögen verwaltet. „Aber, und das ist der entscheidende Punkt: Wer sich nicht sehr gut auskennt und ohne Fachberater kauft, geht ein deutliches Risiko ein.“

Autos ähneln Kunst. Entscheidend sind Rarität (der GTO bei Sothebys wurde 1962 bis 1964 nur drei Dutzend Mal gebaut), Besonderheiten (die gebogene Scheibe macht einen Ferrari Dino so speziell), Prominenz (Premiummarken und Historie punkten) und der persönliche Geschmack. „Außer einem Fondsmanager für Oldtimer sollte niemand ein Auto kaufen, das er nicht auch gern fährt“, ist ein Expertenrat.

Wer das große Geld für Auto-Legenden wie die „Pagode“ von Mercedes nicht hat, kann mit einem Youngtimer glücklich werden, mit einem Auto, das deutlich jünger als 30 Jahre ist, Potenzial besitzt und noch für einige tausend Euro zu haben ist. BMW gilt als eine der Premiummarken mit Wertsteigerungschancen, vom 3er BMW Cabrio aus den 1980ern bis zum M5 oder M3. „Fast jede M3-Version wird irgendwann im Preis steigen“, sagt ein Sammler, der im Hintergrund bleiben will, „vor allem ausgefallene Modelle.“

Der Oldtimer-Markt bewegt sich seit ein paar Jahren seitwärts. „Wir haben keinen Hype, sondern Stabilität auf hohem Niveau“, sagt Hans-Peter Schleicher, Chef von S&L, einer Adresse für moderne und alte Autoraritäten. Ferrari trotzt dem Trend. „Der Mythos wird mitbezahlt, und die Geschichte: War der Vorbesitzer prominent? Ist der Wagen die Mille Miglia gefahren?“ Frühe 911 Porsche gelten als gefragte Anlage. Sie machten in den vergangenen 2o, 30 Jahren eine bessere Performance als der DAX. „Wer heute einen gut erhaltenen, nicht reparaturbedürftigen 911 kauft, macht keinen Fehler“ sagt Schleicher.

„Das Charmante ist: Oldtimer haben keine Helferlein. Man muss selbst fahren!“Jürgen Eichhorn

Sammler Jürgen Eichhorn nimmt die 48 Millionen Euro für den GTO nicht erfreut zur Kenntnis: „Großinvestoren machen die Oldtimerei kaputt. Ihre Autos verschwinden von der Bildfläche. Dabei ist doch das Schöne, dass die Oldtimer-Szene eine klassenlose Gesellschaft ist. Man trifft sich bei Rallyes und der liebevoll hergerichtete Ford bekommt da genau so viel Anerkennung wie die ganz teueren Modelle.“

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Der ostbayerische Chirurg, eine Kapazität für Knie-OPs, ist Technik-Freak. „Das Charmante ist: Oldtimer haben keine Helferlein. Man muss selbst fahren!“ In seiner Sammlung finden sich unterschiedlichste Modelle, darunter ein Lancia Aurelia von 1951, „der war seiner Zeit meilenweit voraus“, alte Porsches, ein Opel Kadett B von 1968. Einer seiner Lieblinge ist ein Unimog von 1977: „Mit dem fahr’ ich zur Jagd. Toll!“

Legendäre Autos wie Ferrari werden weiter im Preis steigen, schätzt Eichhorn. Ansonsten sieht er sogar die Zeit der Youngtimer auslaufen: „Es ist eine sanfte Landung auf gutem Plateau.“

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