Dialekt
Pass auf und trenz net, sonst kriagst a Trenzbàrterl um

„Kleckern“ sagt man. In Bayern gibt es eine Menge anderer Ausdrücke, die das Gleiche bedeuten.

16.09.2010 | Stand 16.09.2010, 18:40 Uhr

„Ausschaung dua-r i wia-r a Sau“, sagt der Mann, drauf die Frau, die seine Selbstbeurteilung für zutreffend hält: „Recht host – und o-drenzt host di àà!“ Im Bairischen ist „trenzen (drenzn)“ ein sehr gängiges Wort mit der Grundbedeutung ‚tropfenweise fallen lassen, in kleinen Portionen verteilen‘, wofür man im nördlichen Deutsch „kleckern“ sagt. Wer bei der Mahlzeit Flüssiges, z. B. Suppe oder Soße, vom Löffel oder von den Lippen tropfen lässt und damit mit Kleidung und Tischdecke beschmutzt, der trenzt. In seinem Roman „Die Wallfahrer“ schildert Carl Amery dies recht anschaulich: „Der Pater Umgang schlürft zitternd am porzellanenen Chokoladen-Tasserl, trenzt dabei ein wenig zu den Proben von Sterz, Eigelb und Biersuppe hinzu, die sich schon auf seiner Kutte finden.“ Der Mönch hat sich also nicht nur „angetrenzt“, sondern richtig „dertrenzt“. Kleinkindern bindet man, um derlei zu vermeiden, ein „Trenzbàrterl“ um. Auch übermäßiger Speichelfluss wird mit „trenzen“ bezeichnet: Pferde, wenn sie schäumen, ebenfalls Hunde, wenn sie geifern, bairisch „salfern (soifan)“.

Im Rahmen der genannten Grundbedeutung liegt es nahe, dass „trenzen“ auch gebraucht wird im Sinne von ‚in zu kleinen Portionen verabreichen‘: „Gib eahm hoid glei an Hunderter auf oamoi, statt dàssd màrklweis rumtrenzt!“ Hier begegnet uns die Zusammensetzung „(he)rumtrenzen“; ebenso geläufig ist „daher-, fort- (furt-), umeinander-trenzen“, womit gemeint ist: ‚zu langsam und ineffektiv arbeiten, trödeln‘. Schließlich ist „trenzen“ auch einer der zahlreichen Ausdrücke für ‚weinen, schluchzen“. Bei Robert Hültner findet sich die überraschende Schreibung mit „ä“: „Da hab ich auch recht tränzen müssen.“ Dies liefert uns einen Hinweis auf die Etymologie des Verbs; es ist tatsächlich verwandt mit „Tränen“. Ein weinerliches Kind, das man in nördlichen Regionen als „Heulsuse“ bezeichnet, nennt man bei uns „Trenzbeutel“ oder „Pflenbeutel“. Ein „Trenzer“ ist eine Person, die „trenzt“, und zwar in einer der vielfältigen Bedeutungen: (a) wer unachtsam isst und trinkt, (b) wer geifert, (c) wer sich kleinlich und geizig verhält, (d) wer bei der Arbeit trödelt, (e) wer zu Tränen neigt (jemand, der, wie man sagt, „zu nah ans Wasser gebaut hat“). Aufmunterung und Ermahnung klingt an in dem Satz: „Laß di koan Drenza hoassn!“ – sei kein Feigling, trau dich!

Die Synonymik zu „trenzen“ ist vielfältig. Das nördliche Deutsch kennt „kleckern, sabbern, schlabbern.“ Im Bairischen können die oben erwähnten Bedeutungsnuancen bezeichnet werden mit Verben wie: „tritscheln, triedern (driadan, dräidan, drädan, dredan), trieln (drialn), schlöttern (schledan, schläidan), schlutten (schluattn)“. Es fällt auf, dass diese Verben entweder mit „tr-“ beginnen oder das Konsonantengerüst „schl--t-“ bzw. „schl--d-“ aufweisen. Bestimmt gibt es davon noch weitere.

Greifen wir zuerst „tritscheln (dridschln)“ auf, das in dreierlei Bedeutungen verwendet wird. Deren erste, nämlich ‚umständlich und wenig zielstrebig arbeiten‘, deckt sich mit der von „trenzen“. Darüber hinaus aber ist mit „tritscheln“ gemeint: ‚Blähungen abgehen lassen, (p)furzen‘, und in übertragenem Sinne ‚ausplaudern‘. Ein „Tritschler“ ist (a) ein Furz, „a Schoaß“; (b) ein Mensch, der furzt, „schoasslt, scheasslt“; (c) jemand, der ihm Anvertrautes weitererzählt, Geheimnisse verrät (neudeutsch „Petze“); (d) ein träger Arbeiter und Umstandskramer, ein „Driaderer, Drederer“, jemand, der „driadert, dredert.“ Auch mit „driadern, dredern“ kann gemeint sein: ‚Flüssigkeiten verschütten‘. So etwa schimpft die Mutter den Buben, weil er den ganzen Teppich „derdredert“, d. h. verunreinigt, besudelt hat.

„Triëlen (drialn)“ leitet sich wahrscheinlich vom Substantiv „Triël (Drial)“ her, einer abfälligen Bezeichnung für ‚Lippe, Unterlippe‘. Auf diese Weise kam „drialn“ zur gleichen Bedeutung wie „trenzen“, tropft doch die Suppe über die Unterlippe herab. Ein anderes Wort für ‚Lippe‘ ist „Trenschen (Dreaschn)“. Es verrät Enttäuschung, Verzweiflung, Angst, Trauer oder Missstimmung, wenn jemand „an Drial henga losst“ oder „a Dreaschn ziagt.“

Zum oben genannten Wortstamm „tritsch“ treten als lautliche Varianten „tràtsch, trutsch“ und „transch“ auf.

Mit „Dràdsch“ ist ‚Geschwätz, leeres Gerede, Klatsch‘ gemeint, insbesondere ‚üble Nachrede‘; ferner ‚Schneematsch, Gemisch aus schmelzendem Schnee und Wasser‘. Die Verben „tràtschen, tràtscheln“ stehen synonym für „ràtschen“ und norddeutsch „quasseln, quatschen“. In einer Novelle von Harald Grill heißt es, „dass die anderen Flüchtlinge angeblich getratscht hätten, der Alfred würde sich bereichern.“ Als eine „Tràtschn, Ràtschn“ wird bezeichnet, wer unqualifiziert viel schwätzt und dabei Ehrenrühriges verbreitet. Das feminine Wort kann sich auch auf männliche Personen beziehen – wie „Tràtscher, Tràtschler“. „Trutsch (Drudsch)“ bedeutet etwa dasselbe wie „Trampel“ (ungeschickter, tölpelhafter Mensch). Eindeutig auf eine weibliche Person bezieht sich „Trutsche(n) (Drudschn)“. Dazu gibt es das Adjektiv „trutschert (drudschad)“: ‚ungeschickt, unbeholfen, naiv‘. Ein einfältiges, nicht ganz ernst zu nehmendes Mädchen ist ein „Trutscherl“, etwa gleichbedeutend mit „Tschapperl“. Das Diminutivum „Trutscherl“ tritt allerdings auch im positiven Sinn auf, etwa im Text eines Schlaflieds: „Die Muatter sitzt im Lauberl fein und wiagt ihr liabes Trutscherl ein. Schlaf, Kinderl, schlaf!“

Hat die Hausfrau unter Zeitdruck schnell und lieblos ein Essen zusammengerührt, geschwind etwas „zusammengetranscht (zsam-dranscht)“, beschwert sich die Familie über den aufgetischten „Transch“ , d. h. über die fast ungenießbare Mahlzeit.

Es liegen noch weitere Wörter vor, die das Konsonantengerüst „schl-t“ bzw. „schl-d“ aufweisen. Auf Tadel stößt, wer sein Frühstücksmüesli unachtsam löffelt und dabei etliches vertrenzt; was der Essende tut, wird „schluattn“ genannt. Für den Umgang mit feuchtem, schleimigem, zähflüssigem Material gibt es das Verb „schletten, schledern“. Als „Gschleder, Gschlàder“ bezeichnet man ein undefinierbares Getränk.