Medizin
Pathologen: Zwischen Tatort und Realität

Die Arbeit hat mit dem, was in Krimis passiert, wenig zu tun. Ein Arzt der Uniklinik Regensburg räumt mit Vorurteilen auf.

02.02.2018 | Stand 16.09.2023, 6:10 Uhr
Marion Lanzl

Pathologen arbeiten eher im Labor als an Leichen. Foto: Lanzl

Rund 1300 Ärzte sind bundesweit in der Pathologie im Einsatz, das sind 0,3 Prozent der gesamten Ärzteschaft. Ihre Arbeit geschieht im Verborgenen. Kein Wunder also, dass um den Beruf Mythen und Legenden ranken. Der Regensburger Pathologe Dr. Florian Weber klärte im Rahmen einer Krimilesung des Schriftstellerverbandes Ostbayern auf.

Die Leiche liegt auf dem Seziertisch, ein beschwingter, selbstverliebter Professor stochert zu Klängen von Wagner in den menschlichen Überresten und flachst dazwischen mit seiner Assistentin. Meist kommt dann auch noch der Kommissar und will wissen, ob denn nun endlich die Todesursache und Tatzeit feststehe. Szenen aus dem Münster Tatort – die Realität sieht anders aus. Weber ist Facharzt für Pathologie an der Uniklinik in Regensburg und räumt gerne mit diesem Klischee auf: „Die Pathologie ist hauptsächlich ein Bereich der Forschung und Diagnostik, nur etwa fünf Prozent unserer Arbeit bestehen aus Obduktionen.“

Realität und Fiktion

Wenn es wirklich um Mord und Totschlag geht, dann werden die Leichen ohnehin, durch Anordnung des Staatsanwaltes, in die Rechtsmedizin überführt – im Fall Regensburg also nach Erlangen. Hier wurde zwar tatsächlich schon für den Franken Tatort gedreht, doch mit dem Ablauf einer reellen Obduktion haben solche Szenen wenig gemeinsam. Es gibt weder einen Leberkäse essenden Kommissar im Obduktionssaal noch Musik zur Untermalung der Arbeit und auch nicht die im Fernsehen gezeigten dramatischen Szenen der Identifizierung durch Angehörige.

Was macht ein Pathologe dann in den übrigen 95 Prozent seiner Arbeit? „Meine Tochter sagt immer, der Papa sucht den ganzen Tag“, erklärt Dr. Florian Weber schmunzelnd. Damit habe die Fünfjährige es knapp und prägnant beschrieben. Denn die hauptsächliche Arbeit besteht tatsächlich aus Suchen: Unter dem Mikroskop, in geduldiger, langwieriger Arbeit, mit großem Fachwissen und Erfahrung gleicht es manchmal der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Jede Biopsie, jede Gewebeprobe, jede Zellprobe landet samt Begleitschein in der Pathologie. „Hier sitzen dann meist die jungen Kollegen bis zu zehn Stunden täglich über dem Mikroskop und suchen nach Abweichungen im normalen Bild, nach Veränderungen und Mutationen“, erklärt der Pathologe weiter. So soll dem Feind auf die Spur gekommen werden. Und der Feind, das ist der Krebs.

„Hier sitzen dann meist die jungen Kollegen bis zu zehn Stunden täglich über dem Mikroskop und suchen nach Abweichungen im normalen Bild, nach Veränderungen und Mutationen.“Dr. Florian Weber

An der Regensburger Uniklinik existiert dazu eine Forschungsprofessur für Experimentelle Tumor-Pathologie. Weitere Schwerpunkte liegen bei der Wundheilung, Tissue Engineering, Regenerative Medizin und Pathogenese und der pathologischen Diagnostik. Zum Kernteam in Krebszentren gehören Pathologen. Auf Basis ihrer Befunde wird für jeden einzelnen Patienten eine Behandlungsstrategie bestimmt.

Im sogenannten Narrenturm, dem heutigen pathologisch-anatomischen Museum Wien, gibt es eine umfangreiche Ausstellung mit vielen Präparaten aus der Pathologie, die Weber während seines Studiums und eines Praktikums beeindruckten. Damals fing die Pathologie, die Forschung der Ursachen der Krankheiten, auf den Spuren Professor Virchows, der einst an der Charité die moderne Pathologie mitbegründete, an, den jungen Studenten zu fesseln.

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Der junge Facharzt und stellvertretende Lehrkoordinator kommt aus Regensburg: „Ich bin hier geboren, zur Schule gegangen, habe hier studiert und dann auch gleich eine Anstellung an der Uniklinik gefunden“, sagt er. Ein Glücksfall auch für Regensburg, Pathologen seien derzeit in Deutschland eher Mangelware. Dabei bringt dieser Zweig des medizinischen Berufs auch Vorteile, wie Weber betont: „Keine Nachtdienste, kein Wochenenddienst! Zeit für seine Hobbys Skifahren, Fußball, Fotografieren und Musik!“ Er schmunzelt.

„Jeder ist bei uns namentlich bekannt und das unterscheidet uns ja auch ein wenig von der reinen Labormedizin. Viele Patienten kenne ich beim Namen und weiß schon, welche Erkrankung vorliegt, bevor ich alle Unterlagen durchgesehen und die Präparate mikroskopiert habe.“Dr. Florian Weber

Der Arzt verrät aber auch, dass ihm die Arbeit an einzelnen Gewebeproben mehr liegt, als sich direkt dem Patienten gegenüber zu sehen. „Mich würde es persönlich zu viel belasten“, sagt er über die Arbeit der Kollegen direkt am Krankenbett. Er würdigt sie. Trotzdem liege ihm jeder Patient am Herzen. „Jeder ist bei uns namentlich bekannt und das unterscheidet uns ja auch ein wenig von der reinen Labormedizin. Viele Patienten kenne ich beim Namen und weiß schon, welche Erkrankung vorliegt, bevor ich alle Unterlagen durchgesehen und die Präparate mikroskopiert habe.“ Viele Patienten begleitet Dr. Weber durch ihren gesamten Krankheitsverlauf, sein Ziel ist ihre Heilung.

Als Detektiv ist der Pathologe im Auftrag der Medizin im Einsatz. Hier schließt sich der Kreis zum Krimi, denn statt einer Lupe ist Weber mit dem Mikroskop dem Ursprung des Übels auf der Spur. So gelang es ihm auch, den „Fall der braunroten Frau“ zu lösen. Was zunächst unter dem Objektiv aussah, wie eine typische eingefärbte braune Krebszelle, sollte sich, nach eingehender Studie, als überraschende Besonderheit entpuppen. Bei nochmaliger Vergrößerung der Ansicht offenbarten sich dem Pathologen auch rote und schwarze Färbungen.

Verdacht bestätigt

Florian Weber kam ein Verdacht und er bekam diesen von den behandelnden Ärzten auch alsbald bestätigt: Die Patientin hatte eine farbige Tätowierung und entsprechende Farbpartikel waren über die Lymphe in die untersuchten Lymphknoten gewandert. Die befürchtete Entfernung der Lymphknoten konnte somit, dank seiner akribischen Untersuchung des entnommenen Gewebes, in diesem Fall verhindert werden.

Mit dem Hörsaal an der Uniklinik hatte sich der Schriftstellerverband Ostbayern einen besonderen Tatort für diese Lesung ausgesucht. Denn die kriminelle Energie lag in der Luft als die Autoren Karin Holz, Elfi Hartenstein und Horst Vocks, aus ihren aktuellen Romanen lasen und Lust auf mehr Kriminalgeschichten aus der Feder der Krimiautoren machten. Dass Pathologie nichts mit unserer Vorstellung und Krimis zu tun hat, hatte der Pathologe bewiesen, dass er aber durchaus einen Sinn für das Makabre und den entsprechenden Humor hat, zeigte er mit der passenden Lyrik: Die „Kleine Aster“ von Gottfried Benn, „eine Inspiration aus dem Leichenschauhaus in Paris“, jagte eine Gänsehaut über den Rücken und um es mit seinem eigenen Vers zu sagen: „Und während all dem herrscht Stille im Saal, das brunnige Gurgeln des Brausestrahls verstärkt noch das Idyll – der Prosekturgehilfe schärft den Stahl.“

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