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Poetry-Slammer muss 50 000 Euro spenden

Der in Regensburg bekannte Wortkünstler Thomas Spitzer will ein Zeichen setzen und wiegt Facebook-Likes mit Barem auf.

22.12.2016 | Stand 16.09.2023, 6:33 Uhr

Thomas Spitzer auf der Bühne Foto: MZ-Archiv/Steffen

Mit diesem Facebook-Post am 17. Dezember um 10.06 Uhr hatte alles begonnen. „Wohin spendet ihr dieses Jahr? Ich bin immer noch unschlüssig. Aber ich mache euch einen Vorschlag. Für jeden Like, den dieser Post bekommt, spende ich je einen Euro an jede Hilfsorganisation, die Ihr in den Kommentaren postet“, schrieb Thomas Spitzer. Der Poetry-Slammer ist in Regensburg unter anderem als Macher von „Master of the Uni-Vers“ bekannt; bei der Veranstaltung bringen Wort-Künstler im Audimax der Universität ihre Texte auf die Bühne.

Mit seiner Facebook-Aktion erntete er so viele „Gefällt mir“, dass er jetzt 50 000 Euro spenden muss, möchte er sein Versprechen halten – und das will er. Dabei wurde Spitzer mit seiner Wort-Kunst bisher nicht reich, wie er jetzt auf seiner Internetseite einräumt. „50 000 Euro sind mehr, als ich in meiner ganzen bisherigen Künstlerlaufbahn netto verdient habe“, steht dort seit dieser Woche. Im Telefongespräch mit uns klingt der 28-Jährige trotzdem ganz gelassen. „Ziel der Aktion war es ja, den Leuten zu zeigen, dass sie keine Angst haben müssen.“

„Man muss keine Angst haben“

„Ich glaube, dass Angst in der Gesellschaft etwas Lähmendes hat und der Hauptgrund ist, wieso es so wenig gesellschaftlichen Wandel gibt“, schreibt er auf seiner Homepage in seiner Stellungnahme zu seiner Spendenaktion. „Wieso gehen nicht die ganze Zeit alle auf die Straße und demonstrieren? Für bessere Schulen und Universitäten? Für den Klimaschutz und Gleichberechtigung und eine bessere medizinische Versorgung?“ Er habe seinen Post abgesetzt, „um zu demonstrieren, dass man keine Angst haben muss“.

Dass Spitzer sich vor Neuem nicht fürchtet, zeigt auch sein Umzug nach Köln im Sommer dieses Jahres. „Ich habe geplant, hier als Comedian durchzustarten“, erzählt er. Im November holte er bereits den Talent-Award des WDR-Comedyformats „Night Wash“. Vor seinem Post auf Facebook habe er sich nicht allzu viele Gedanken gemacht, was er damit lostritt, sagt Spitzer. „Ich finde, dass Helfen Spaß machen muss und auch interaktiv und spielerisch sein kann“, das war seine Idee hinter der Aktion. „Ich fands von vorneherein super, dass das so explodiert ist.“

Um 14.28 Uhr am 17. Dezember wurde die Sache ihm aber dann offenbar doch zu teuer. Er schrieb auf Facebook: „Vielen Dank für die rege Beteiligung! Bei 500 Likes und 100 Kommentaren werde ich erstmal eine Pause machen. Sonst wird’s ein bisschen unrealistisch.“ 100 von Nutzern in Kommentaren vorgeschlagene Hilfsorganisationen, die jeweils 500-mal einen Euro bekommen: Das macht insgesamt 50 000 Euro.

Einen Teil davon hat Spitzer bereits jetzt abgearbeitet, also gespendet. „Etwa 25 000 Euro sind aufgebracht“, erzählt er am Donnerstagnachmittag. 3000 davon steuerte er selbst bei. Ein Limit, wie viel er noch persönlich überweist, habe er sich nicht gesetzt. „Ich muss schauen, inwiefern ich noch unterstützt werde. Und dann werde ich nach und nach diese Liste arbeiten.“ Er hat viele Auftritte bei Firmen und denkt nun daran, dort die Leute umsonst zu unterhalten und dafür um Spenden zu bitten. Wer Thomas Spitzer unterstützen will, kann ihn auch direkt anschreiben – und dann entweder die Hälfte des Betrags (250 Euro) übernehmen oder den vollen. Und viele melden sich: Allein während unseres 15-minütigen Telefongesprächs bekam er sieben Facebook-Nachrichten und drei Anfragen per E-Mail. Dass er auf einer Riesensumme alleine sitzen bleibt, fürchtet er deshalb nicht. „Ich finde es cool, dass mich die Poetry-Slam-Szene so unterstützt.“

In der Liste auf seiner Homepage, auf der er die Organisationen mit den meisten „Gefällt mir“ geordnet von oben nach unten veröffentlichte, stehen neben Spendenempfängern wie „Ärzte ohne Grenzen“, der Wasser-Initiative „Viva con Agua“ und dem in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen Hilfsprojekt „Casa Hogar“ bei Fans der Szene bekannte Namen.

Hazel Brugger spendete 500 Euro

Zu den Helfern zählte unter anderem die Schweizerin Hazel Brugger, in Deutschland als Außenreporterin in der ZDF-Satiresendung Heute-Show aktiv. Die Slam-Poetin, Komikerin und Moderatorin gab 500 Euro. Per E-Mail schrieb sie uns, dass sie mitgespendet habe, weil sie Spitzers Aktion für „großartig“ halte. „Nicht nur wird man als sein Fan dadurch auf dem sonst eher tristen, reaktionären oder hochbanalen Facebook so mit der Spendenthematik konfrontiert, sondern man sieht auch noch gleich, wofür Leute sich sonst noch interessieren“, schreibt sie und lobt ihn überschwänglich: „Thomas hat es geschafft, große Aufmerksamkeit zu erzeugen und diese dann auch noch zu etwas Gutem zu nutzen. Mehr kann man von Kunst nicht erwarten. Chapeau.“