Großrazzia
Polizei durchsucht im Kreis Regensburg Häuser

In Wiesent und Burgweinting schlagen die Fahnder am Dienstag im Morgengrauen zu. Sie stellen Waffen sicher.

28.02.2012 | Stand 16.09.2023, 21:05 Uhr
Fritz Wallner
Martin Anton

Regensburg.Um 5.30 Uhr wacht Wolfgang Kehrer auf. Auf dem Hof seiner Mühlenbetriebs in Wiesent (Kreis Regensburg) wimmelt es vor Polizisten. An die 100 Beamten sind es nach Angaben eines Mitarbeiters — keine Streifenpolizisten, sondern ein Sondereinsatzkommando. „Das war schon ein Schock“, erzählt Kehrer einige Stunden später. Als er nachfragt, was das Ganze soll, wird er nach dem Namen gefragt und darum gebeten, Türen zu öffnen. Daraufhin untersuchen die Polizisten sämtliche Gebäude des Anwesens — eine Razzia.

Am Dienstag Punkt sechs Uhr morgens hatte die größte Razzia begonnen, die es in Niederbayern und der Oberpfalz seit Jahrzehnten gegeben hat. 1500 Polizeibeamte, vor allem aus der Oberpfalz und aus Niederbayern, stürmen unter Leitung des stellvertretenden Polizeipräsidenten Michael Liegl 56 Wohnungen, Häuser, Mühlen, landwirtschaftliche Anwesen, Garagen und Schuppen. Dabei waren Spezialeinsatzkräfte, Experten des Landeskriminalamtes zur Bombenentschärfung, Bereitschaftspolizisten, sechs Staatsanwälte und Drogenspürhunde. „Es war eine logistische Meisterleistung“, wird Polizeisprecher Stefan Hartl in einer ersten Bilanz am Nachmittag sagen.

Auch bei der Kunstmühle Kehrer werden die Beamten fündig. Im einen ehemaligen Schweinestall öffnen sie einen Schrank und finden Waffen. „Was genau die gefunden haben, weiß ich nicht“, erzählt der Müller, als er noch immer etwas fassungslos vor dem jetzt leeren Metallschrank steht. Er habe den Stall bereits seit Jahren an einen Mann aus Wörth vermietet. „Ein Maler — aber arbeiten tut der glaube ich etwas anderes.“

Grund für die Razzia ist unbekannt

Auch im Ort ist man überrascht. „Dass die Polizei beim Kehrer etwas findet, kann man sich gar nicht vorstellen“, erzählt eine Bäckereiverkäuferin. Über den Anlass für die Großrazzia hüllen sich Polizei und Staatsanwaltschaft noch in Schweigen. Nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks war im vergangenen Herbst ein aus der Oberpfalz stammender Mann unter dem Verdacht festgenommen worden, die Szene mit illegalen Waffen beliefert zu haben. Nach mehreren Wochen in der Untersuchungshaft habe er auf Anraten seines Anwalts eine „Lebensbeichte“ abgelegt und die Namen aller Abnehmer der illegal verkauften Gewehre, Revolver und Pistolen genannt.

Regensburg.Eine Sondereinheit des Polizeipräsidiums Oberpfalz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität habe auch ermittelt, dass eine größere Menge an Munition verschoben wurde. Abnehmer sollen sowohl Kriminelle wie auch Waffensammler gewesen sein. „Diese Information kann ich nicht bestätigen“, so Polizeisprecher Hartl.

Ruhe nach dem Sturm in der Käthe-Kollwitz-Straße

In der Käthe-Kollwitz-Straße in Burgweinting ist am Mittag nicht viel los. Die Bürgersteige sind weitgehend leer, an der Bushaltestelle stehen nur wenige Menschen. Ein paar Kinder kommen von der Schule nach Hause. Vom Polizeieinsatz in der Früh hat keiner der Passanten etwas mitbekommen. Eine Nachbarin hätte ihm von einem Polizeieinsatz erzählt, brummt ein älterer Mann, der vor einem der grünen Häuser steht, die der Genossenschaft Wohnungsbau Siedlungsbau Werkvolk gehören.

Zwei andere Männer berichten von zwei Polizeiwagen, die um 6.30 Uhr in der Straße geparkt hätten. Genaueres können oder wollen sie aber nicht sagen. Erst ein Handwerker, der die Frage nach dem Einsatz im vorbeigehen hört, kann mehr aussagen: In einer der Werkbau-Wohnungen habe die Polizei am Morgen die Tür aufgebrochen.

Neben zwei Streifenwagen wären auch Zivilpolizisten und Hunde an der Aktion beteiligt gewesen. Tatsächlich kann man im zweiten Stock noch die Spuren des Einbruchs sehen. Die Tür zeigt zwei lange Risse. Notdürftig wurden zwei Balken davor geschraubt, um ihr Stabilität zu geben.

Aufs Klingeln öffnet sich die Tür und eine junge Frau mit schwarzen Haaren schaut irritiert ins Treppenhaus. Sie bestätigt die Durchsuchung der Wohnung am frühen Morgen. Warum die Polizei die Tür aufbrach und ob und was sie gefunden hat, möchte sie nicht sagen und schließt die Tür daraufhin schnell wieder.

Die Polizei findet ein Maschinengewehr

Die Durchsuchungsaktionen waren offenkundig sehr erfolgreich. In 26 der 58 durchsuchten Objekte wurden die Fahnder fündig. Sie stellten eine große Menge Gewehre, Pistolen und Revolver sicher. Darunter waren laut Polizei auch Waffen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, etwa ein Maschinengewehr.

Insgesamt wurden bei der Großaktion sechs Männer und eine Frau festgenommen. Stefan Hartl bestätigte Informationen der MZ, wonach einzelne verdächtige Personen Mitglieder von ostbayerischen Motorradclubs sind. Ansonsten sind Zusammenhänge zwischen den einzelnen durchsuchten Objekten schwer herstellbar.

Laut Hartl stehen manche der Waffen- oder Drogenbesitzer der rechten Szene nahe. Es gebe allerdings keinerlei Erkenntnisse, dass ein Zusammenhang mit dem rechtsradikalen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) bestehe oder dass mit den Waffen politisch motivierte Anschläge oder terroristische Aktivitäten geplant waren.