Radler oder Alsterwasser: Den Durst stillen beide

Auch in sprachlicher Hinsicht sind Getränke ein unerschöpfliches Gebiet.

19.11.2009 | Stand 19.11.2009, 19:28 Uhr

Zuerst wollen wir uns dem Bier zuwenden. Die gängigste Sorte war bis ins 20. Jahrhundert hinein das untergärige Braunbier, vergleichbar mit unserem Dunklen. Es konnte ganzjährig gebraut werden, weil es keiner besonderen Kühlung bedurfte. Obergäriges Bier hingegen war viel empfindlicher; leicht entwickelten sich bei warmer Temperatur wilde Hefen, die Durchfall herbeiführen konnten. Dies galt insbesondere für das Weizenbier, das im 16. Jahrhundert aufkam. Laut Brauordnung von 1533 durfte es wegen seiner Wärmeempfindlichkeit nur zwischen Michaeli (29. September) und Georgi (24. April) gebraut werden. Außerdem war es herzogliches Monopol.

Aus „Pilsener“ wurde „Pils“

Im Jahr 1548 verfügte Herzog Wilhelm, „daz er allein daz Weisze pier machen lassen“ durfte. Es kostete mehr als doppelt so viel wie Braunbier und war das Getränk der Edelleute. Anfangs hieß es „böhmisches Bier“, kam wohl tatsächlich aus Böhmen – wie 300 Jahre später das „Pilsener“, heute meist vereinfacht „Pils“ genannt. Die Bezeichnung „Weißbier“ für das Weizenbier ist nicht eindeutig zu klären. Hängt es mit dem Schaum zusammen, der im Vergleich zu dem des Braunbiers entschieden heller ausfällt, oder damit, dass für das Malz Weizen verwendet wird, der ansonsten das weiße Mehl lieferte? Jedenfalls hat das Weizen- oder Weißbier, kurz „Weißes“ („das Weiße“ sollte es heißen, fälschlicherweise wird es heute meist als „die Weiße“ bezeichnet), Tradition seit Jahrhunderten.

Die einheimische Braukunst bringt immer wieder neue Sorten hervor. Wir schätzen das „dunkle Weizen“ – „dunkles Weißbier“, eigentlich ein Widerspruch in sich – und den „Weizenbock“. Es gibt ein Auf und Ab von Modewellen, auch beim Bier. Neben neuen Sorten erleben alte und fast vergessene eine Renaissance. Wiederentdeckt wurde das obergärige „Roggenbier“, das bereits im Mittelalter gebraut worden war. Ähnliches gilt für das „Keller-, Zoigl-, Zwickelbier“ – hefetrübes, unfiltriertes junges Bier. Das „Zoigl-Bier“ hat seinen Namen daher, dass der Bräu, wenn er einen frischen Sud zu bieten hatte, am Haus einen „Zoigl“ aussteckte, meist einen sechszackigen Stern. Das Wort bedeutet nichts anderes als ‚Zeiger, Zeichen‘. Und „Zwickel“ hieß der keilförmige Holzzapfen, den man früher ins Spundloch des Fasses stieß, um eine Probe des Suds entnehmen zu können.

Das Bier mit Kracherl verdünnt

Interessant sind die Bezeichnungen von Mischgetränken. In Hamburg sagt man zu der Mischung aus hellem Bier und Zitronenlimonade „Alsterwasser“, in Berlin „Potsdamer“, bei uns „Radlermass“ oder „Radlerhalbe“, kurz „Radler“. Erfunden wurde das Getränk angeblich von Franz Xaver Kugler, dem Wirt einer Ausflugsgaststätte südlich von München, später „Kugler-Alm“ genannt. Dieser hatte 1922 die Idee, für die in großen Scharen bei ihm einkehrenden Radler das Bier mit Springerl oder Kracherl zu verdünnen, damit sie ihre Fahrt ohne Schlangenlinien fortsetzen konnten.

Nachweislich war Kugler allerdings nicht der Erste, der Radlermassen ausschenkte. In den 1912 veröffentlichten „Erinnerungen einer Überflüssigen“ berichtet Lena Christ über die Zeit um 1900, als sie in der Floriansmühle in München-Freimann als Köchin arbeitete: „Da wurde nicht nur Bier ausgeschenkt, sondern auch alle möglichen Limonaden, Sauerbrunnen, Schorlemorle, Radlermassen und auch gar manche Flasche Wein.“

In den Revolutionswirren nach dem Ersten Weltkrieg besetzten 1919 die Arbeiter- und Soldatenräte auch die Münchner Weißbierbrauerei Mathäser am Stachus. Damit die zur Verteidigung des Hauses aufgestellten Wachen nicht vom vielen Weißbier einschliefen, wurde ihnen dieses mit Zitronenlimonade gestreckt. Wegen ihrer kommunistischen Gesinnung bezeichnete man die Rotarmisten als „Russen“, und ihr Getränk hieß danach „Russenmass“ oder kurz „Russ“.

Eine Mischung aus Weizenbier und Cola nennt man entweder sachlich „Cola-Weizen“, nach der dunklen Farbe „Schwarzes Weißes“ oder, jenseits politischer Korrektheit, „Neger“. Auch das beliebte „Spezi“, bestehend aus Cola und Fruchtlimonade, kann „Neger“ heißen. Die üblichste Bezeichnung ist heute „Spezi“, gekürzt aus „Spezial-“. Gelegentlich hört man dafür „Gwàsch, Quàsch“, was etwas abfällig klingt, meint es doch eigentlich ‚wässriges Getränk, Gewäsch‘. Sigi Sommer (gestorben 1996, ehedem berühmt mit seiner Kolumne „Blasius, der Spaziergänger“ in der Münchner „Abendzeitung“) schreibt: „I kannt vielleicht an Wein oder a Bier trinka. Aber da hast nacha an ganzn Bauch voller Gwasch. Schnaps is gsund für Cholera.“