Buchtipp
Regensburg-Roman mit Liebe und Historie

„Bevor der Sturm begann“ von Claudia Ley erzählt die Geschichte einer Stadtamhofer Brauereitochter im vorigen Jahrhundert.

09.11.2021 | Stand 15.09.2023, 23:16 Uhr
„Bevor der Sturm begann“ von Claudia Ley −Foto: Penguin Random House/Heyne

Susanne Märzhauser, Brauereitochter aus Regensburg/Stadtamhof, ist eine ungewöhnliche Romanheldin. Sie ist weder die Schönste, noch die Interessanteste oder Charmanteste. Aber sie entwickelt nach und nach die Kraft, über sich hinauszuwachsen. Sie verliebt sich im Jahr 1910 im Italienurlaub in den schönen Achille Giraudo – und bekommt ihn auch. Mit ihm eröffnet sie neben der Steinernen Brücke das erste italienische Lokal in Bayern. Susanne mausert sich zu einer selbstbewussten, emanzipierten Frau. Doch ein ungeklärter Mord, eine frühere Liebe, Familienkrisen und zwei Weltkriege überschatten das Leben des ungleichen Paares.

Schauplatz ist die „nördlichste Stadt Italiens“

„Bevor der Sturm begann“ ist eine mit viel Romantik angereicherte Familiensaga voller Gefühl und Geschichte. Sie spielt mit dem besonderen Faible der Deutschen – speziell der Bayern – für Italien. Regensburg als „nördlichste Stadt Italiens“ passt da sehr gut als Schauplatz. Es macht Spaß, beim Lesen Orte und Geschichten wiederzuentdecken. Dabei ist der Roman keine schwere Kost. Das Glossar und die Karten in der für ein Taschenbuch anspruchsvoll gestalteten Ausgabe sind sehr hilfreich.

Die Autorin kennt Regensburg gut

Claudia Ley ist das Pseudonym der Autorin Charlotte Lyne, die unter mehreren Namen Bücher veröffentlicht. Sie hat deutsche Wurzeln und lebt in London. Regensburg kennt sie von Besuchen bei ihrer Cousine. Wir haben sie gefragt, was sie mit Regensburg verbindet.

Frau Ley bzw. Lyne, warum haben Sie sich für Regensburg als einen der Handlungsorte entschieden?

Claudia Ley/Charlotte Lyne: Das hat verschiedene Gründe – zuerst natürlich einen persönlichen: Ich finde Regensburg unglaublich schön und seine Geschichte hochinteressant. Ich habe viele Erinnerungen hier, die mir viel bedeuten, und ich habe mich auf die Zeit der Recherche gefreut, weil ich dadurch Regensburg wiedersehen würde. All das waren beste Voraussetzungen. Des Weiteren passte Regensburg einfach perfekt: Für meine Geschichte brauchte ich eine südlich gelegene, weder zu große noch zu kleine Stadt mit viel Flair und Charme, vielen Geschichten und Legenden, ein wenig ab von den Zentren der Politik, sodass deren Folgen mit ein wenig Verspätung ankommen. Zudem sollte es einen Fluss geben, einen Ort zum Baden in der Umgebung, eine Brücke, die zwei Stadthälften verbindet, und vor allem habe ich mir eine Stadt mit katholischer und protestantischer Bevölkerung und einer zur Zeit der Handlung noch recht stark ausgeprägter Trennung gewünscht. Regensburg bot mir alles auf einmal – sozusagen meine eierlegende Wollmilchsau. Nur viel hübscher!

Haben Sie einen persönlichen Bezug zu Regensburg?

Claudia Ley: Oh ja. In Regensburg lebt bereits seit Studientagen meine Lieblingscousine, die Patentochter meines sehr geliebten Vaters. Als ich selbst Studentin war, bin ich oft mit ihm oder alleine zu einem Besuch zu ihr gefahren, und sie hat mir ihre Wahlheimat mit viel Ortskenntnis und noch mehr Leidenschaft gezeigt. An der Steinernen Brücke, in der berühmten Wurstkuchl, haben wir oft gegessen und getrunken, und die Aussicht, die sich von dort bietet, hatte ich sofort im Kopf, als ich in Gedanken nach einem Ort für das Restaurant in meinem Roman suchte. Damit war Regensburg von Anfang an meine Wunschstadt – und da dem Verlag die Idee ebenfalls gefiel, ist es Regensburg dann auch geworden. Und zu den alten Erinnerungen sind neue gekommen.

Waren Sie länger hier, um vor Ort zu recherchieren?

Claudia Ley: Ich bin keine Autorin mit viel Fantasie – ich könnte und wollte nie über einen Ort schreiben, mit dem ich mich nicht vertraut fühle, den ich nicht in den Beinen habe, in der Nase und auf der Zunge, in Ohren, Augen, Fingerspitzen. Dass ich Regensburg bereits oft besucht hatte, verschaffte mir eine gute Grundlage – und erwies sich am Ende als Segen. Von den drei geplanten Recherchereisen konnte ich nämlich nur zwei antreten, dann kam Corona und zog durch sämtliche Reisepläne einen Strich. Glücklicherweise hatte ich alles Wichtige bereits von den beiden ersten Reisen „in der Tasche“, hatte unzählige Fotos gemacht , Material gesammelt und hätte die dritte Reise vor allem zur „emotionalen Recherche“, also der letzten Inspiration vor dem Start gebraucht. Leid tut es mir vor allem für meinen Mann, der auf der dritten Reise hätte mitkommen wollen und Regensburg und die Verwandten dort auch gern wiedergesehen hätte. Aber Regensburg ist ja nicht aus der Welt – und inzwischen dürfen wir diese ja auch wieder bereisen. (asa)

„Bevor der Sturm begann“ ist erschienen bei Heyne/Penguin Random House Verlagsgruppe München; 16 Euro