Interview mit der Morgenpost
Roger Stilz bricht sein Schweigen: Ex-Jahn-Sportchef spricht über turbulentes Aus

30.03.2023 | Stand 15.09.2023, 0:57 Uhr
Kurze Amtszeit: Nach zehn Monaten war für Roger Stilz beim Jahn schon wieder Schluss. −Foto: Nickl

Der ehemalige Geschäftsführer des Fußball-Zweitligisten SSV Jahn Regensburg, Roger Stilz, bricht sein Schweigen.Im Interview mit der Hamburger Morgenpostblickt der 46-Jährige,der sich im September 2022 überraschend verabschiedet hatte, auch auf seine turbulente Zeit in der Oberpfalz zurück.



„Ausschlaggebend für meinen Weggang war ‘Saddis‘ Malheur nicht“, erklärt er. Gemeint ist damit die peinliche Posse um Sarpreet Singh, der der DFL nicht ordnungsgemäß gemeldet worden war und daher in der Hinrunde nicht spielberechtigt war. „Es gab persönliche Gründe, warum ich mich in Regensburg nicht mehr gesehen habe. Und die bleiben persönlich“, unterstreicht Stilz.

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Stilz übernimmt Verantwortung für Meldepanne

Offiziell waren es die persönlichen Gründe, die als ausschlaggebend für seinen Abschied aufgeführt wurden. Seine Lebensgefährtin und der Sohn sollen in der Oberpfalz nicht recht heimisch geworden sein. Stilz selbst ist eigentlich nie richtig angekommen beim Jahn und in Regensburg. Die Meldepanne, die kurz nach seinem Aus bekannt geworden war, dürfte in Wahrheit aber eine deutlich größere Rolle gespielt haben.

„Selbstverständlich gehörte in meinen Verantwortungsbereich auch das Abschließen von Arbeitsverträgen. Und deshalb habe ich auch dafür die Verantwortung zu übernehmen. Das habe ich auch stets getan“, erklärt Stilz. Das Nicht-Zustandekommen der Spielberechtigung Singhs sei ein administrativer Fehler in der Vertragsabwicklung gewesen, der so nicht passieren dürfe, der aber passiert sei.

„Es war eine doofe Situation für den Spieler, den Verein und auch mich. Im Endeffekt habe ich persönlich aus der Geschichte auch mitgenommen, wie wichtig es ist, dass die Strukturen und Abläufe um einen herum im Team klar sind“, so Stilz.

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Eigenlob für Kaderzusammenstellung

In Regensburg habe er während seiner nur zehn Monate dauernden Tätigkeit viel gelernt: „Und vor allem habe ich sehr viel gearbeitet.“

Stilz lobt sich selbst für das Ensemble, das er beim Jahn zusammengestellt hat – also für einen Kader, der von nicht wenigen Beobachtern als schwächster seit Jahren bezeichnet wird. Obendrein monieren Fans, dass es viel zu viele Leihspieler gebe.

„Mit einem wirklich kleinen Etat glaube ich, dass wir ein Team zusammengestellt haben, das den Klassenerhalt trotz des Umbruchs erreichen kann. Ich glaube, dass uns in Bezug auf die Kaderzusammenstellung auch der eine oder andere geschickte Zug gelungen ist“, sagt Stilz und nennt Christian Viet, Blendi Idrizi und Max Thalhammer als Beispiele. Es sei nicht leicht gewesen, diese Spieler zu bekommen.

Thalhammer ist allerdings der einzige aus dem Trio, der es zum Stammspieler geschafft hat. Und selbst er war leistungstechnisch oft sehr durchschnittlich (und darunter) unterwegs.

Interessanter Blick auf sportliche Krise

Interessant ist auch sein Blick auf die sportliche Krise beim Jahn unter seiner Regie: „Im vergangenen Frühjahr und auch im Herbst habe ich ganz bewusst an Trainer Mersad Selimbegovic festgehalten, auch entgegen kritischer Stimmen. Das war gut und richtig so.“ Ob er das so überhaupt alleine zu entscheiden gehabt hätte, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Was hat Roger Stilz im vergangenen halben Jahr eigentlich so getrieben? „Ich habe endlich mal viel Zeit für meine Familie und mich gehabt. Das war wichtig, weil ich in den vergangenen zehn Jahren viel unterwegs war. Ich treffe Leute, erweitere meine Kenntnisse, hospitiere und beobachte den Markt.“

Roger Stilz ist offen für vieles

Wo sieht sich Stilz künftig? „Ich bin und war stets offen und bleibe das auch. Und das meine ich auch für das Leben als Ganzes und nicht ausschließlich auf den Fußball bezogen.“ Er sehe sich als Entwickler und Entscheider. „Als Entwickler von Strukturen, Mitarbeitern, Trainern oder Spielern. Und als Entscheider, weil all die angestellten Analysen auch in Entscheidungen münden müssen. Denn wenn man nicht entscheidet, dann dümpeln die besten Gedanken so dahin.“ Stilz glaubt, dass er selbst zwischen Platz, Kabine und Büro am besten sei. „Konkret: Geschäftsführer, Sportdirektor oder auch in der Schnittstelle, also im Übergang vom Talent zum Profi, als Trainer und Begleiter.“

Mit seinen beiden Ex-Klubs St. Pauli und dem Jahn gebe es noch Kontakt. „Aber jetzt auch nicht täglich. Mal ein Gespräch hier, mal eins da.“

St. Pauli traut er den Aufstieg zu, dem Jahn, der am Samstag zu Gast ist bei den formstarken Hamburgern ist, den Ligaverbleib: „Die Liga ist brutal. In beide Richtungen. Mit dem positiven Lauf und dem damit gestiegenem Selbstvertrauen ist St. Pauli alles zuzutrauen. Und ja, der SSV Jahn schafft den Klassenerhalt.“