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Roy Black: Der Fluch von „Ganz in Weiß“

Er war ein Idol der 60er und 70er – und wollte doch zeitlebens ein anderer sein. Am 25. Januar wäre er 75 Jahre alt geworden.

15.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:14 Uhr
Sabine Götte

Jung, gut aussehend und mit einem verführerischen Lächeln: Roy Black würde zum Idol von Millionen (hier im Dezember 1972 in München). Foto: Horst Ossinger/dpa

Wahre Liebe ist etwas für die Ewigkeit. Auch über ein Vierteljahrhundert nach dem frühen Tod des Sängers veranstaltet die Heimatgemeinde Roy Blacks noch Gedenkfeiern für treue Fans. Die reisen jedes Jahr verlässlich um den 9. Oktober aus dem Bundesgebiet, aus Österreich und der Schweiz ins beschauliche Städtchen Bobingen bei Augsburg, um ihrem Idol an seinem Todestag nahe zu sein. Das Grab auf dem Straßberger Friedhof quillt dann über vor Blumengestecken, Spielzeug und anderen Devotionalien. Man kennt sich, versteht sich als Familie und eingeschworene Gemeinschaft.

Doch offenbar ging von Roy Black eine Aura aus, die den inneren Zirkel der Schlagerwelt weit überstrahlte: Als der als „Schnulzensänger“ Gebrandmarkte 1991 mit 48 Jahren starb, nahmen 4000 Menschen an der Trauerfeier teil; darunter 350 namhafte Ehrengäste aus Film, Showbusiness und Politik. Nicht das Trennende, das Verbindende zählt in solchen Momenten. Wer war dieser Mann, der als Roy Black den Schlagerhimmel eroberte, Liebe, Ruhm und Geld erntete und doch zeitlebens ein anderer sein wollte?

Aufrührerische Energie

Roy Black wird am 25. Januar 1943 als Gerhard Höllerich in Bobingen-Straßberg geboren. Nach dem Abitur im nahen Augsburg beginnt er in München ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Schon als Teenager begeistert er sich für Musik; besonders die aufrührerische Energie des Rock’n’Roll springt auf ihn über. Doch mit Zuhören allein gibt er sich nicht zufrieden; Gerd will selber singen, auf der Bühne stehen.

An Fasching 1963 ist es soweit: Er tritt mit der Rockband The Honky Tonks in der Augsburger Kneipe Charlys Affenstall auf. Bereits im Herbst desselben Jahres gründet er mit fünf Freunden eine Band: Roy Black and his Cannons. Sein Pseudonym ist eine Kombination aus dem Vornamen seines Idols, des US-Rocksängers Roy Orbison („Pretty Woman“) und aus seinem Spitznamen „Blacky“, den er wegen seiner tiefschwarzen Haare bekam. Die Band versucht sich mit eigenen Kompositionen, covert aber auch erfolgreich Songs von Elvis Presley und den Beatles. In den GIs aus den Augsburger US-Kasernen finden die Cannons ein dankbares Publikum.

Im September 1964 erhält Roy Black einen Plattenvertrag bei Polydor. Die Aussicht auf eine Karriere als Sänger und Musiker beflügelt ihn; er bricht sein Studium ab, will sich ganz der Musik widmen. Doch die ersten Singles, die er mit seiner Band einspielt, sind wenig erfolgreich. Das ändert sich, als er beschließt, als Solokünstler aufzutreten: „Du bist nicht allein“ erklimmt im Winter 1965 auf Anhieb die Top Ten der Hitparade. Roy Black ist mit seinem Schlager Vierter – hinter Bands wie den Rolling Stones („Satisfaction“), den Byrds („Mr Tambourine Man“) und den deutschen Rainbows („Balla Balla“). 1966 gelingt ihm der Durchbruch mit „Ganz in Weiß“. Ein junger, gut aussehender Sänger mit Samtstimme und verführerischem Lächeln singt von Romantik, Hochzeit, ewiger Liebe – das hat im verschlafenden Deutschland der 60er Jahre Hitpotenzial: „Ganz in Weiß, mit einem Blumenstrauß/So siehst Du in meinen schönsten Träumen aus“.

Tatsächlich wurden in der Woche nach der Veröffentlichung der Single 80 000 Exemplare verkauf. Insgesamt gingen 2,5 Millionen Exemplare der Schallplatte über den Ladentisch. Im März 1966 war der Hit wochenlang auf dem ersten Platz der Hitparade, bis er von den Rolling Stones abgelöst wurde.

1968 erhält der Sänger für „Ganz in Weiß“ eine Goldene Schallplatte. Er wird zum Idol. Richtige Hits hat er in der Folge zwar nur noch wenige („Das Mädchen Carina“, „Dein schönstes Geschenk“). Doch er ist auch als Darsteller heiterer Filme ein Star. Mit „Immer Ärger mit den Paukern“ oder „Unser Doktor ist der beste“ bringt er die heile Welt ins Wohnzimmer.

Nicht alle freuen sich über den Erfolg des sympathischen Bayern. Die Presse verhöhnt ihn als Schnulzensänger, wirft ihm vor, den Kitsch der heilen Welt zu propagieren. Doch niemand hat Roy Black jemals so sehr in Frage gestellt wie er sich selbst. Der Erfolg erweist sich als Fluch und Segen zugleich. Tatsache ist, dass ihm eine Karriere als Rockstar lieber gewesen wäre. Roy Black ist eine Rolle, mit der sich Gerhard Höllerich immer weniger identifizieren kann. Mit dem ihm eigenen Sarkasmus kommentierte der Star sein Alter ego in dem von Filmproduzent Karl Spiehs kolportierten Ausspruch: „Wie bekommt man das Gehirn eines Schlagersängers auf Erbsengröße? – Einfach aufblasen!“

Kleine Hallen in der Provinz

Als das deutsche Schlagerschiff Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre in schweres Fahrwasser gerät, ist auch die Karriere Roy Blacks gefährdet. Wie viele seiner Kollegen muss er deutlich schlechter honorierte Auftritte in kleinen Hallen in der Provinz hinnehmen. Er hat zunehmend finanzielle Probleme, bekämpft seine Depressionen mit Alkohol und Tabletten. Nach zwei Herzoperationen rettet ihn RTL aus der Krise. Mit der Rolle des Hotelerben Lennie Berger in dem auch international erfolgreichen TV-Format „Ein Schloss am Wörthersee“ feiert Roy Black 1990 ein Comeback als Serienstar. Seine privaten Probleme löst der neue Hype jedoch nicht.

Am 9. Oktober 1991 stirbt Roy Black einsam in einer Fischerhütte in Oberbayern an Herzversagen. Sofort schießen die Spekulationen ins Kraut. „Alkohol, Tabletten – wie Roy Black wirklich starb“ titelt die Boulevardpresse.

Eine Interpretation, die der zuständige Gerichtsmediziner nicht bestätigen kann. Bis heute sind die Umstände seines Todes nicht ganz geklärt. Auch Selbstmord wird nicht ausgeschlossen; angeblich wollte sich der Sänger von seiner Frau und seiner neugeborenen Tochter trennen.

Ein tragisches Leben und ein mysteriöser Tod – das ist der Stoff, aus dem Legenden sind.