Copperfields Corner
Runter vom Sofa und aufs Konzert

Kolumnist Tilo Copperfield hat Musik-Auftritte vermisst. Also auch, sie zu besuchen. Er fordert: Nutzt das Angebot!

17.09.2021 | Stand 16.09.2023, 0:37 Uhr
Tilo George Copperfield
Es gibt so vieles, was im Kreis Cham angeboten werde, sagt unser Kolumnist – zum Beispiel auf dem Ludwigsberg. Doch das müsse man auch nutzen. −Foto: R. Weber

Heute möchte ich ein paar tolle Momente mit euch teilen. Denn meine Stimmung hat sich in letzter Zeit wieder etwas aufgehellt nach den vielen Wochen der relativen Isolation durch die Pandemie. Die Konzerte sind zurückgekommen!

O.k., noch nicht so, wie wir das bis vor zwei Jahren noch kannten, aber dennoch merkt man, dass vieles wieder möglich gemacht wurde. Vor allem die Veranstalter muss man wirklich loben. Nach den ständigen Verschiebungen, Ungewissheiten und dem Regel-Wirrwarr musste man schon ein extrem dickes Fell haben. Viele haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen, was jammerschade ist, und die Folgen werden uns erst langsam bewusst. Aber kommen wir zum Punkt. Als Musiker finde ich es wichtig, auch immer mal wieder rauszugehen und selbst Konzerte zu besuchen. Ich versuche das, so oft wie möglich zu machen. Erstens, weil ich ein hoffnungsloser Musikfanatiker bin, zweitens, weil ich andere unterstützen will und auf Veranstaltungen immer wieder Leute treffe, mit denen ich eine gute Zeit verbringe und tolle Gespräche habe.

Zwei tolle Musiker aus den USA und Australien

Ganz hin und weg war ich von zwei Konzerten, die Olli Zilk veranstaltet hat. Zum einen eine großartige Band aus den USA: Paulie Cerra im Steinhof bei Roding und zum anderen die grandiose Sängerin Jade McRae, die den weiten Weg von Australien auf sich genommen hat und dann mal schnell bei uns um die Ecke auf dem Ludwigsberg in Kötzting gespielt hat.

Das war ganz großes Kino und für mich fast schon ein religiöses Ereignis, diese beiden Bands zu hören und ihnen zuzusehen, wie sie eine Spielfreude an den Tag legten, die ich so schon lange nicht mehr beobachtet habe. Live kamen die Songs noch besser rüber als auf dem Album. Die Locations waren im Freien, ein großes Risiko für den Veranstalter, denn bei Regen hätte das Ganze abgesagt werden müssen. Und wir wissen alle, dieser Sommer war nun ja ein wenig feucht. Die Stimmung unter den Gästen war grandios. Alle waren einzig und allein wegen der Musik da und jeder hatte ein Lächeln im Gesicht, ich eingeschlossen. Ich habe mich im Anschluss bei jedem einzelnen Musiker für den tollen Abend bedankt, und auch ihnen war die Dankbarkeit für das Publikum deutlich ins Gesicht geschrieben, trotz einer kleinen Invasion von Mücken, die sich im Steinhof hartnäckig am Schlagzeuger von Paulie Cerra festgebissen haben.

Den Alltag ein paar Stunden vergessen

Und da war es wieder, dieses Gefühl, das mich zurückversetzt hat in die Zeit, die mich dazu gebracht hat, überhaupt Musik zu machen. Ich habe mich gefühlt wie als Teenager, der viele Konzerte in der Liederbühne Runding oder damals in der Kinobar in Waldmünchen (wer kennt die noch?) besucht hat und danach überglücklich und inspiriert war und sofort eine Band gründen wollte. Dieses direkte und ungefilterte Erlebnis, wenn Musiker ihre selbstgeschriebenen Songs aufführen und Sachen passieren, die nur auf einem Livekonzert passieren können. Vor allem auf diesen kleinen Gigs, bei denen die Zuschauerzahl schon physikalisch begrenzt ist und man sich danach noch mit der Band, dem Künstler/der Künstlerin unterhalten kann oder einfach nur dasitzt, sich die Ohren durchspülen lässt und den Alltag für ein paar Stunden komplett ausblendet. Alles ohne Stress und viel Aufhebens.

Kleine, intime Konzerte vor der Haustür

Ich muss ehrlich sagen, dass ich noch bei keinem der großen Stadionkonzerte dieses Gefühl hatte. Sei es bei Black Sabbath oder AC/DC, Guns n’Roses oder ZZ-Top. Da haben mir die Rahmenbedingungen (Parkplatzsuche, teueres und schlechtes Bier, fast immer schlechter Sound, überteuerte Karten…) das Erlebnis fast immer vermiest und ich habe mich dann mehr über mich selbst ärgern müssen, als dass ich die Band genießen konnte. Ich bin also ein großer Fan dieser kleinen und intimen Konzerte. Und mal ehrlich: Ist es nicht absolut phantastisch, dass wir sowas direkt vor unserer Haustüre geboten bekommen? Ich meine, ich wohne in Saffelberg bei Falkenstein und fahre 15 Minuten zu einem Auftritt einer Weltklasse-Band, deren Bassist lange Jahre mit Tina Turner auf Tour war. Jeder(!) sollte eigentlich dort hingehen. Insgeheim habe ich mich aber trotzdem gefreut, dass es nicht so überlaufen war, denn so war das Erlebnis für mich noch einzigartiger.

Mit Konzertbesuchen das Kulturangebot beeinflussen

Andererseits würde ich mir aber für Veranstalter wie Olli Zilk mehr Resonanz wünschen. Denn in Kötzting waren für die vielen mühsam organisierten Konzerte im Schnitt einfach zu wenig Besucher. So wenig, dass es eigentlich nicht wirtschaftlich tragbar ist und er überlegt, ob er sowas überhaupt noch mal wiederholen kann.

Stellt man irgendwo ein Bierzelt auf, dann kann man damit rechnen, dass man eine volle Hütte hat. Was sagt das über uns aus? Ich wünsche Olli und allen anderen Veranstaltern noch viel Durchhaltevermögen, aber auch wir alle müssen was dafür tun! Runter vom Sofa, die zehn Minuten den Ludwigsberg raufgehen. Klar, das ist eine gewisse Anstrengung, aber sonst wird es halt in Zukunft nur noch das geben, was nachgefragt wird: Partymucke im Festzelt, Komasaufen in der Disco und Zocken auf der Playstation. Wir haben die Wahl.