Volksfest
Schausteller mit Herz und Seele

Bei der Familie Vorlop spielen Entfernungen keine Rolle – erst recht nicht, wenn bei einem Familienmitglied ein neues Fahrgeschäft gesegnet wird.

31.08.2017 | Stand 16.09.2023, 6:27 Uhr
Peter Budig

Sohn Willi, Mama Bärbel, Papa Lutz, Tochter Jennyfer vor dem „Alpen Coaster“ – Pfarrer Martin Fuchs aus Berg (hinten) segnete das neue Fahrgeschäft. Foto: Budig/Südd. Schaustellerverband

Für die meisten Menschen ist der Arbeitsplatz vom Lebensmittelpunkt getrennt. Dort der Job, hier das Private. Es gehört zu den Besonderheiten des Schaustellerlebens, dass es diese Aufteilung nicht gibt. Nicht nur, dass Schausteller an den Volksfestplätzen ebenso leben, wie sie dort ihrem Unternehmerberuf nachgehen.

Dieser Ort wechselt auch noch während der Saison etwa alle zwei Wochen. Das heißt auch, dass sie die wenige Freizeit, die bleibt, hier und fast ausschließlich mit anderen Schaustellern verbringen. Wenn es allerdings etwas zu feiern gibt, dann kommt man auch zusammen. Entfernungen sind da kein Hindernis.

Am Montagfrüh war also Bärbel Vorlop, die Mutter, aus der Heimatstadt der Familie, aus Hemmingen bei Hannover gekommen. Willi, der Sohn, steht gerade mit einer Achterbahn in Regensburg, fuhr schnell von der Hauptstadt der Oberpfalz Regensburg nach Nürnberg. Hier in Nürnberg halten die Tochter, Jennyfer und Vater Lutz die Stellung.

Siebenstellige Summe investiert

Auf dem Volksplatz am Dutzendteich wurde jetzt erstmals das neue Fahrgeschäft aufgebaut, der „Alpen Coaster“, eine Familienachterbahn mittlerer Größe, eine sogenannte Wildcat. Diese Achterbahn haben Vorlops „nach einjähriger, zäher Verhandlung“, wie Vater Lutz verrät, dem Schwaben-Park, wo sie fest stationiert war, abgekauft. Bevor sie wieder eingesetzt werden konnte, eben erstmals hier in Nürnberg, wurde sie technisch vollkommen überholt und das Design verändert. Im neuen Gewand präsentiert sie sich als Alpenlandschaft.

„Eine siebenstellige Summe“, verrät Willi Vorlop, wurde in die neue Achterbahn investiert. Es ist bei Schaustellern üblich, sich für neue Geschäfte den Segen der Kirche zu holen. Pfarrer Martin Fuchs, der für die katholische Kirche in Nordbayern die Seelsorge für Schausteller übernimmt, kam eigens von Berg, wo seine Gemeinde ist, nach Nürnberg. Direkt am Platz vor dem Alpen Coaster begann er, eine kleine Andacht zu sprechen, die Bahn zu segnen und gemeinsam mit der Familie Vorlop, mit Gästen und Freunden zu beten. Viele Schausteller hatten Geschenke mitgebracht. In Andrea Dinkels Frankendorf stand ein Imbiss bereit.

„Wir sind auf diese Familienbahnen spezialisiert. Hier kann der Opa mit dem Enkel fahren und die Jugend hat auch noch Spaß daran“, erläutert Lutz Vorlop das Geschäftsmodell. Die Familie ist in der siebten Generation Schausteller. Und zum 50. Achterbahnjubiläum haben sie sich eine eigene kleine gedruckte, sehr bilderreiche Familienchronik erstellen lassen. „Was 1967 auf dem Stahlhochbahnsektor mit einer Bahn aus italienischer Pinfari Produktion begann, ist aktuell zu einem echten Imperium gewachsen“, kann man dort nachlesen.

Diese erste Bahn, die Pinfari, wurde inzwischen nach Brasilien verkauft. Ihr Nachfolger ist der Rock’n Roll Coaster, das Herzstück unter den Vorlop’schen Achterbahnen, der auch schon in Nürnberg aufgestellt war.

Als umsichtige Unternehmer haben die Vorlops ihr Familiengeschäft auf etliche Füße gestellt. Neben den Achterbahnen (zurzeit sind es drei) beschicken Vorlops die heimatlichen Weihnachtsmärkte rund um Hannover, dazu Rostock, Greifswald und Maastrich. Schon vor Jahrzehnten haben sie begonnen, dort Glühwein und andere Getränke zu verkaufen.

Ein reisendes Hüttendorf

Aus den Verkaufsbuden der ersten Jahre ist inzwischen ein reisendes Hüttendorf namens „Grand Tiroler“ erwachsen. Zu den beliebtesten Fahrgeschäften gehört außerdem Vorlops historische Eisenbahn. Sie wird allerdings nur sparsam eingesetzt. Ein eigener Fuhrpark von Zugmaschinen und Schleppern ist nötig, um die Volksfeste in ganz Deutschland zu beschicken.

Einheitlich lackiert in schickem hellgrau sind die Vorlop-Laster gut zu erkennen. Trotz der Freude über die Gäste und das neue Fahrgeschäft fand die Feier rasch ein Ende. Der Grund war ganz einfach: „Um eins muss ich in Regensburg eröffnen“, sagte ganz relaxt Willi Vorlop und setzte sich ins Auto.

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