Regensburg
Schleichender Weg in die Sucht

In der aktuellen Woche der seelischen Gesundheit liegt der Fokus auf den Problemen mit der Psyche.

15.10.2021 | Stand 15.09.2023, 23:57 Uhr
Angelika Lukesch
Wenn der Stress zu groß wird, drohen psychische Erkrankungen. −Foto: lukasbieri pixabay

Die Caritas Regensburg veranstaltete zu diesem Zweck eine Gesprächsrunde mit Experten und Betroffenen. Der Titel des digitalen Gesprächs lautete „Arbeitswelt und seelische Gesundheit – das Hamsterrad dreht nicht das Rad, sondern der Hamster“. Teilnehmer waren Dr. Stefan Gerhardinger (Psychologe und Leiter betriebliches Gesundheitsmanagement beim Caritasverband Regensburg), Marion Santl (Psychologin, Leiterin der Caritas-Fachambulanz für Suchterkrankungen Regensburg) sowie Volker Hiller (Familienvater, Ex-Betroffener einer Suchterkrankung).

Caritas-Sprecher Harry Landauer befragte die Gesprächspartner nach dem derzeitigen Stand in Sachen Suchterkrankungen, Burnout und Depression bei den betrieblichen Krankmeldungen sowie nach den Möglichkeiten zur Prävention, Hilfe, Therapie und Wiedereingliederung. Volker Hiller berichtete offen über seine eigene Krankheitsgeschichte, die von Alkoholismus, Depression und Burnout gekennzeichnet gewesen sei. Er habe bereits im Jahr 1999 Probleme mit dem Alkohol gehabt, habe diese jedoch mit einem Suchthilfeprogramm in den Griff bekommen, und sei für 17 Jahre trocken gewesen.

Erst Süchtiger, dann Suchtberater

Im Jahr 2017 habe er gespürt, dass ihm „alles zu viel wurde“. Mit dem Versuch, den Stress zu bewältigen, erhöhte sich der Suchtdruck, ein Burnout entwickelte sich und er habe sich nach einer Therapie gesehnt. Hiller warnte davor, zu meinen, dass Krankheiten wie Sucht, Depression, Burnout plötzlich aufträten. Vielmehr sei es ein schleichender Prozess. „Es gibt nicht den einen Punkt, an dem es beginnt“, warnte Hiller. Er selbst hat seine Probleme wieder in den Griff bekommen und kann, wie er selbst sagte, seine Krankheiten kontrollieren. Heute arbeitet er selbst als betrieblicher Suchtberater.

Psychologin Marion Santl erklärte, dass es im Betrieb und auch im privaten Leben wichtig sei, auf den anderen zu achten und, wenn man merke, dass etwas nicht mehr rundlaufe, das Gespräch suche. Mit dem ersten offenen Gespräch beginne die Hilfe. „Man muss frühzeitig ansetzen, um bei einem risikoreichen Konsum etwa von Alkohol einzuschreiten“, sagte Santl. Dr. Gerhardinger warnte ebenfalls vor dem schleichenden Verlauf von Sucht-, Depressions- beziehungsweise Burnout-Verläufen. „Es wird immer schlimmer, aber man will es nicht wahrhaben. Wichtig ist es, die Krankheit zu akzeptieren und damit umzugehen“, sagte der Psychologe.

Alle waren sich einig, dass die Stigmatisierung der Menschen mit Depressions- und Suchtproblemen heute nicht mehr so gravierend wie früher, aber in der Leistungsgesellschaft nach wie vor vorhanden sei. Es sei wichtig zu erkennen, dass die Zahl und die Häufigkeit der Arbeitsausfälle durch psychische Erkrankungen in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements sei für jedes Unternehmen wichtig, nicht zuletzt deswegen, um die Arbeitskraft der Mitarbeiter zu bewahren. Auch in der Berufswelt müsse seelische Gesundheit zentrales Thema sein. (lla)