Literatur
Schriftsteller Rosendorfer ist tot

Die „Briefe in die chinesische Vergangenheit“ machten ihn zu einem bekannten Schriftsteller. Mit 78 Jahren ist Herbert Rosendorfer gestorben.

20.09.2012 | Stand 20.09.2012, 17:19 Uhr

Der Schriftsteller, Maler und pensionierte Richter Herbert Rosendorfer ist tot. Foto: dpa

Herbert Rosendorfer war fast so etwas wie ein „Universalgelehrter“. Das sah nicht nur Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer so, der den „dichtenden Richter“ 2010 zur Verleihung des Corine-Buchpreises in München würdigte. Jetzt ist Rosendorfer gestorben – im Alter von 78 Jahren nach langem Leiden im Krankenhaus seines Geburtsortes Bozen. Bekannt wurde er mit dem Roman „Der Ruinenbaumeister“ von 1969 und vor allem mit dem Bestseller „Briefe in die chinesische Vergangenheit“ von 1983. Zuletzt, erst vor einigen Monaten, hatte Rosendorfer seinen Roman „Huturm“ veröffentlicht.

Den größten Teil seines Lebens verbrachte er in Bayern. „Mit seiner hintergründigen Komik und seinem subtilen Humor spricht er den Bayern aus der Seele“, sagte Seehofer damals. Und das tat er auf vielfältige Weise. Sein Schaffen reicht für mehr als zwei Leben. Doch Multitasking – ein moderneres Wort zur Beschreibung eines Universalgelehrten – schien für Rosendorfer nie eine Schwierigkeit zu sein. Er schrieb Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Abhandlungen zur Musik und Reiseführer. Er malte und komponierte – und machte nebenher auch als Richter Karriere.

Aus dem Gerichtssaal in die Bücher

Rosendorfer wurde 1934 in Bozen geboren, lebte während der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs in München und kehrte nach einem Aufenthalt bei seinen Großeltern im österreichischen Kitzbühel 1948 dorthin zurück. Früh entdeckte er seine Vorliebe für die Kultur: Nach dem Abitur studierte er Bühnenbildnerei an der Akademie der Bildenden Künste in München.

1954 wandte er sich dann der Juristerei zu. „Ich wollte doch etwas Solides machen und ich habe es nie bereut“, sagte er einmal. 1967 wurde er Amtsrichter in München, von 1993 an war er Richter am Oberlandesgericht in Naumburg. Was er im juristischen Alltag erlebte, fand – oft satirisch verarbeitet – den Weg in seine Schriften. Dichtender Richter war er, als richtender Dichter mit moralisch erhobenem Zeigefinger wollte er sich nicht verstanden wissen. Literatur könne aber versuchen, Werte wie Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit zu transportieren. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Jean-Paul-Preis (1999), dem Literaturpreis der Stadt München (2005) und eben dem Corine-Ehrenpreis (2010).

50 Jahre ein Wahl-Münchner

In seiner „Stief-Vaterstadt“ München verbrachte Rosendorfer rund 50 Jahre seines Lebens und lernte dort als Jurist „die Abgründe der Normalität und Höllen des Banalen“ kennen, wie die Stadt zur Verleihung des Literaturpreises im Jahr 2005 erklärte. Sein überaus reiches Werk zeuge „neben barock wuchernder Erzählfreude und hellsichtiger Beobachtungsgabe“ auch von „grimmigem Sarkasmus und Pessimismus“, urteilte die Jury.

Nach seiner Pensionierung kehrte Rosendorfer nach Südtirol zurück, wo er mit seiner dritten Frau und der gemeinsamen Tochter lebte. Dort widmete er sich hauptsächlich der Literatur und dem Schreiben. „Ich könnte gar nicht anders als weiterzuschreiben“, sagte Rosendorfer zu seinem 75. Geburtstag. „Wie die Kuh Milch gibt“, um es mit Richard Strauss zu sagen.“

In der Oberpfalz war Herbert Rosendorfer häufiger und gern gesehener (Lesungs-)Gast. Zuletzt konnte man ihn in Amberg erleben, wo Rosendorfer anlässlich der posthumen Kulturpreisverleihung eine Laudatio auf den von ihm so geschätzten Maler Michael Mathias Prechtl hielt. Rosendorfer bewunderte den ausgezeichneten Handwerker. In dieser Hinsicht war er bekennender Konservativer. In seinen „Briefen in die chinesische Vergangenheit“ lässt sich Protagonist Kao-Tei vom Künstler Prechtl erklären, warum die westlichen „Großnasen“ Fettecken für Kunst halten.

„Wir werden Herbert Rosendorfer als einen großartigen, von seinen Lesern geliebten Schriftsteller und als Freund in dankbarer Erinnerung behalten“, hieß es gestern in der Mitteilung seines Verlegers Helge Malchow. Seit 1989 war ein Großteil von Rosendorfers Werk, 17 Bücher, bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. Die Liste von Veröffentlichungen Rosendorfers ist weitaus länger. Deren Wirkung schätzte er 2010 in einem Interview mit MZ-Autorin Angelika Lukesch mit dem ihm eigenen Witz ein: „Ich bin der Rufer in der Wüste. Aber wenn es ein Jüngstes Gericht gibt, und der richtende Gott sagt: Was haben Sie dagegen getan, Rosendorfer? Dann sag ich: Nichts konnte ich tun, aber ich hab’s wenigstens gesagt. (dpa)