Einkaufen
Späti in Würzburg: Einkaufen nach 20 Uhr

Trotz bayerischer Sperrzeiten hat der Kiosk in der fränkischen Stadt bis 24 Uhr geöffnet. Ein Schlupfloch macht‘s möglich.

27.08.2019 | Stand 16.09.2023, 5:20 Uhr
Mirjam Uhrich

Petr Petrov und Julia Peikert kaufen zu später Stunde im Späti ein, Die Zucchini gab es als Geschenk dazu. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wer den Spätkauf nicht kennt, läuft leicht daran vorbei. Die Leuchtreklame ist kaputt, erst die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos erhellen die Buchstaben. „KIOSQUE“ prangt an einem Wohnblock in Würzburg, darunter in geschwungener Schreibschrift „Denkler Späti“. Vier Stufen führen von einer dunklen Einfahrt in den Späti. Gelächter zur Begrüßung, der Geruch von Pommes mischt sich mit dem von Bier.

Wenn die Straße wie ausgestorben wirkt, herrscht drinnen Hochbetrieb. Es ist gleich 22 Uhr. Stundenten drängen sich an der Kasse, sie kaufen Bier und Tabak. Ein Mann bestellt Pommes, seine Freunde lümmeln derweil auf den zu Hockern umfunktionierten Getränkekisten. In der Ecke sitzt ein Rentner und spielt an seinem Handy Videos der singenden Enkelin vor. Währenddessen diskutiert ein junges Pärchen, ob sie lieber Chips oder Eis zum Nachtisch wollen.

Riesige Bierauswahl

So geht das bis 24 Uhr. Dabei heißt es im „Bundesladenschlussgesetz“: Verkaufsstellen müssen ab 20 Uhr geschlossen sein. Das weiß auch der Kioskbetreiber Anis Ben Hamouda. Doch sein Späti ist als Café zugelassen. „Ich wollte wirklich ein Café machen. Aber die Leute wollten Bier“, sagt der 36-Jährige und seufzt.

Also verkauft er jetzt Alkohol und Wraps mit Hühnchen oder Falafel für den nächtlichen Heißhunger. An ein Café erinnern nur noch die zusammengewürfelten Holztische und Stühle. Das reicht aber, um unter das Gaststättengesetz zu fallen. Als Betreiber einer solchen Gaststätte darf Hamouda „Flaschenbier, alkoholfreie Getränke, Tabak- und Süßwaren an jedermann über die Straße abgeben“.

„Ich wollte wirklich ein Café machen. Aber die Leute wollten Bier.“Anis Ben Hamouda, Kioskbetreiber

Johannes Ernstberger läuft unschlüssig von Kühltruhe zu Kühltruhe. „Hier gibt’s so viel Bier, da kann ich jeden Tag ein anderes probieren“, sagt er lachend. Er sei jeden Tag hier, versichert der 27-Jährige. Schließlich entscheidet er sich für die Kühltruhe mit der Aufschrift „Spätitieren statt meditieren“ und holt zwei Flaschen raus.

Die Wände sind tapeziert mit solchen Sprüchen. „Sozial ist, wer Bier ran schafft“ prangt auf einem knallroten Plakat gleich neben den Kühltruhen. Das meint Anis Ben Hamouda genau so. „Die Leute kommen von sehr weit her. Wo sollen sie um die Uhrzeit sonst Bier bekommen?“, fragt er. Bei der Tankstelle sei es doch viel zu teuer. Seiner Meinung nach sollte es viel mehr Spätis in Bayern geben.

Der Rentner Emil Rösner mischt sich ein. Auch die Supermärkte müssten in Bayern länger offen haben, findet er. „Wenn du einkaufen willst, aber arbeiten musst – das ist halt blöd“, sagt der 67-Jährige. Er selbst sei zwar im Ruhestand, aber das Problem mit den Ladenöffnungszeiten kenne er noch zu gut.

Hamouda schüttelt den Kopf. „Wenn der Supermarkt um die Ecke auf hat, kommt doch keiner mehr zu mir.“ Dass er gerade unter einem Plakat mit der Aufschrift „Kapitalismus Kritik – das Original“ sitzt, ist wohl nur Zufall. Trotzdem, Emil Rösner bleibt dabei. „Ich will beim Einkaufen ein bisschen Zeit haben und bummeln.“ Selbst in seinem Heimatdorf in Baden-Württemberg habe der Supermarkt länger offen. „Und das ist wirklich ein kleines Kaff.“

Bayern ist am strengsten

Tatsächlich sind die Sperrzeiten in Deutschland nirgends so streng wie in Bayern. Zuletzt hatte die FDP im Landtag gefordert, dass Läden unter der Woche bis 24 Uhr öffnen dürfen. Doch auf Drängen der CSU hält der Freistaat am traditionellen Ladenschlussgesetz fest.

„Ich komme nicht vor acht Uhr nach Hause, und dann habe ich nichts zu essen“, sagt Petr Petrov, der mit einer Freundin an der Kasse ansteht. Er kauft sich dann eben einen Wrap im Späti. Ihr reicht das nicht immer. „Wäre schon gut, wenn ich mal eine Milch oder ein Brötchen kaufen könnte“, sagt Julia Peikert. Aber das gibt es in einem bayerischen Späti nicht. Die beiden verabschieden sich. Die 25-Jährige winkt mit einer überdimensionalen Zucchini. Wo sie die plötzlich her hat? „Ein Geschenk an der Kasse“, sagt sie im Rausgehen. Manchmal gibt es im Späti eben doch mehr als nur Bier.