Verkehr
Streit um Tafeln vor gefährlicher Kurve

Martin Hummel fordert für die Straße zwischen Gonnersdorf und Irlbach ein Tempolimit. Das Landratsamt setzt auf Warnhinweise.

16.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:53 Uhr
Die Kurve zwischen Irlbach (im Hintergrund) und Gonnersdorf hat es in sich. Deshalb war die Kreisstraße an dieser Stelle früher auf 70 km/h beschränkt. Jetzt ist das Tempolimit aufgehoben. −Foto: Fotos: Kreissl

Es sind nur 350 Meter. Aber die haben es in sich. Der Grund dafür ist die scharfe unübersichtliche Kurve auf dem kurzen Stück Kreisstraße zwischen Gonnersdorf und Irlbach. Wie dieser Gefahr zu begegnen ist, darüber streiten der Gonnersdorfer Martin Hummel und das Landratsamt seit fast einem Jahr. Durch einen Unfall, bei dem am Sonntag just an dieser Stelle zwei Frauen verletzt wurden, sieht sich Hummel bestätigt. Er fordert vehement eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 50 in diesem Bereich. Das Landratsamt setzt stattdessen auf auffällige Warnschilder und verzichtet seit knapp einem Jahr auf ein Tempolimit zwischen den beiden Ortschaften.

Die nasse Straße und nicht angepasste Geschwindigkeit macht die Polizeiinspektion Regenstauf in ihrem Pressebericht für den Unfall am Sonntag verantwortlich. Gegen 13.30 Uhr war dort eine 23-jährige Frau mit ihrem Renault von Gonnersdorf in Richtung Irlbach unterwegs. Kurz vor dem Ortsbeginn Irlbach kam sie im Kurvenbereich nach rechts von der Fahrbahn ab und krachte mit ihrem Fahrzeug gegen eine Baum. Dabei wurden die junge Fahrerin und ihre Beifahrerin verletzt und mussten in ein Regensburger Krankenhaus eingeliefert werden. Am Unfallfahrzeug entstand Sachschaden von etwa 2000 Euro. Die Feuerwehr Grünthal rückte aus, um den Verkehr zu regeln sowie ausgelaufenes Öl und Benzin zu beseitigen.

Zu Unfall mit ausgerückt

Mit ausgerückt ist am Sonntag auch Martin Hummel. Seit gut zehn Jahren ist der Gonnersdorfer bei der Feuerwehr Grünthal aktiv und war in dieser Zeit immer wieder bei Unfällen auf der Kreisstraße im Einsatz.Doch auch über sein Engagement bei der Feuerwehr hinaus hat sich der 55-jährige Ingenieur die Verbesserung der Verkehrssituation in seiner Heimatgemeinde Wenzenbach zur Aufgabe gemacht und nutzt dazu in seiner Freizeit sein berufliches Wissen als Fahrtechnik-Ingenieur bei der Firma Conti.Und weil ihm die Verkehrssicherheit ein besonderes Anliegen ist, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen, als das Landratsamt vor knapp einem Jahr die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Kreisstraße zwischen Gonnersdorf und Irlbach aufhob. Bis dahin hatte auf dem Teilstück Tempo 70 gegolten. „Schon das ist eigentlich zuviel“, betont Martin Hummel beim Ortstermin an der Straße.

Das sieht auch das Landratsamt so – und hat vor rund zwölf Monaten reagiert. „Die einzige Möglichkeit wäre hier eigentlich eine bauliche Maßnahme“, sagt Karl Remling, der Leiter der Verkehrsbehörde mit Blick auf die gefährliche Kurve zwischen Gonnersdorf und Irlbach. Das sei aber nicht zu machen. „Denn rechts geht’s steil rauf und links geht’s steil runter“, beschreibt Remling die Situation im Kurvenbereich. Trotzdem sollte die Sicherheit in diesem Abschnitt erhöht werden. Denn allein durch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 Stundenkilometer wird das nach Ansicht des Verkehrsexperten nicht erreicht. Im Gegenteil: Das Verkehrszeichen könne Autofahrern sogar suggerieren, dass die Kurve mit Tempo 70 zu durchfahren sei. Das sei aber aber an dieser Stelle ein Trugschluss. „Das schaffen nur geübte Fahrer mit sportlichen Fahrzeugen“, ist Remling überzeugt.

Tafeln erhöhen Aufmerksamkeit

Deshalb entschied sich seine Behörde nach einer Verkehrsschau stattdessen für sogenannte aufgelöste Richtungstafeln. Mit einem massiven roten Pfeil auf weißem Grund warnen die quadratischen Schilder vor der scharfen Kurve. Insgesamt zehn sind auf der Leitplanke montiert, fünf in jeder Richtung. Jeweils zwei Schilder haben zudem einen reflektierenden gelben Hintergrund, der gerade auch bei schlechter Sicht eine zusätzliche warnende Wirkung bringen soll. Karl Remling ist überzeugt davon, dass mit diesen Schildern die Aufmerksamkeit der Autofahrer vor der Kurve deutlich erhöht wird. Er beruft sich dabei auf Studien, die der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) vorliegen. Deren Pressesprecherin Petra Peter-Antonin bestätigt auf Anfrage der MZ, dass die Verdeutlichung eines Kurvenverlaufs durch aufgelöste Richtungstafeln generell als probates Mittel dem Stand der Technik entspricht. Dass eine reine Geschwindigkeitsbeschränkung ohne begleitende „harte“ Maßnahmen (beispielsweise ortsfeste Geschwindigkeitsüberwachung) eine bessere Ergebnisse bringt als die Richtungstafeln konnte ihren Worten zufolge bislang nicht nachgewiesen werden. Demgegenüber sei in einer Studie festgestellt worden, dass aufgelöste Richtungstafeln die beste Wirksamkeit erzielen, sofern sie so angebracht werden können, dass sie eine kontinuierliche optische Führung des Kurvenverlaufs ergeben.

Martin Hummel ist trotz der Argumente des Landratsamtes davon überzeugt, dass ein Tempolimit für das kurze Stück Staatsstraße die größte Sicherheit bringt. Dabei verhehlt der Gonnersdorfer gar nicht, dass es ihm auch darum geht, die Strecke für den überörtlichen Verkehr möglichst unattraktiv zu machen. Den würde Hummel, der mit seiner Familie direkt an der täglich von 6000 Fahrzeugen frequentierten Ortsdurchfahrt in Gonnersdorf lebt, lieber zur Gänze auf der parallel verlaufenden Bundesstraße sehen. Vor allem hat der Ingenieur aber die Unfallwahrscheinlichkeit im Blick, die seiner Meinung nach durch das fehlende Tempolimit deutlich erhöht wird. Schließlich könnten Autofahrer durch die gänzlich fehlende Geschwindigkeitsbeschränkung seiner Meinung nach sogar dazu verleitet werden, vor der Kurve auf die jetzt erlaubten 100 km/h zu beschleunigen. Außerdem befinden sich im Scheitelpunkt gleich zwei Zufahrten in die Kreisstraße. Während aus dem Weg vom angrenzenden Waldstück sicher nur sehr wenige Fahrzeuge auf die Kreisstraße fahren, ist das bei der gegenüberliegenden Zufahrt zu einem Partygelände mit Bolzplatz anders. Nach den Beobachtungen von Martin Hummel ist dieser Platz in den Sommermonaten gut frequentiert.

Der Gonnersdorfer Martin Hummel kämpft für ein Tempolimit auf der Kreisstraße R 6. In unserem Video stellt er seine Argumente vor.

Seine Argumente hat er gegenüber dem Landratsamt zudem mit einer aufwendigen Fahrdynamiksimulation für das Teilstück der Kreisstraße untermauert. Mit einem BMW der 5er-Reihe spielte er hier am Rechner die Szenarien durch, die sich bei Geschwindigkeiten von 50 bis zu 100 Stundenkilometern ergeben. Eine davon entspricht nach Auskunft von Hummel nahezu exakt dem Unfallgeschehen vom Sonntag. Sein Fazit: Der enge Kurvenbereich ist nur bis zu 60 km/h sicher zu durchfahren. Deshalb fordert Hummel Tempo 50 auf der kurzen Strecke. Noch besser wäre es seiner Ansicht nach, wenn die beiden Ortsschilder von Gonnersdorf und Irlbach sowie versetzt würden, dass das 350 Meter lange Teilstück zwischen den beiden Dörfern quasi zum auf 50 km/h beschränkten Innerortsbereich wird.

„Ein Unfallschwerpunkt ist das nicht“Klaus Baumer, Leiter der Polizeiinspektion Regenstauf

Das ist allerdings nach Auskunft von Karl Remling nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Seinen Worten zufolge dürfen Ortstafeln nur dort aufgestellt werden, wo die geschlossene Bebauung zumindest auf einer Straßenseite beginnt. Denn es sei für die Autofahrer möglicherweise verwirrend, wenn sie ohne erkennbare Bebauung innerhalb geschlossener Ortschaften befinden. Nicht anfreunden kann sich der Leiter der Verkehrsbehörde auch mit einer Beschränkung der Kreisstraße auf Tempo 50. Für eine solch massive Geschwindigkeitsbegrenzung außerhalb geschlossener Ortschaften müssten die entsprechenden Kriterien erfüllt sein. Doch komme hier weder Lärmschutz noch eine auffallende Unfallhäufung in Betracht.

Das bestätigt auch der Leiter der Polizeiinspektion Regenstauf, Klaus Baumer. „Ein Unfallschwerpunkt ist das nicht“, verdeutlicht er. Die Zahlen kennt Alfons Zenger, der Verkehrssachbearbeiter der Inspektion. Er weiß in der vergangenen vier Jahren von drei Unfällen mit insgesamt drei Leichtverletzten.

Das bestätigt der Regenstaufer Polizeichef Klaus Baumer: „Ein Unfallschwerpunkt ist das nicht.“ Auch er glaubt, dass durch die Richtungstafeln die Warnwirkung deutlich verbessert wird. Doch ob mit oder ohne Tempolimit – Baumer verweist generell auf die Eigenverantwortung der Autofahrer. „Grundsätzlich muss jeder seine Geschwindigkeit den Verhältnissen anpassen“, betont er.

Ob auf der Kreisstraße zwischen Irlbach und Gonnersdorf das letzte Wort gesprochen ist, steht derzeit noch nicht fest. Zwar hat das Landratsamt den Antrag von Martin Hummel auf ein Tempolimit oder eine Zusammenlegung der Ortsschilder ebenso abgelehnt wie seinen Widerspruch gegen die Entscheidung. Doch nach dem Unfall vom Sonntag wird sich die Verkehrsbehörde noch einmal mit der gefährlichen Kurve beschäftigen. „Wir werden das Geschehen analysieren und dann entscheiden, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind“, sagt Karl Remling. Von der Wirksamkeit der Richtungstafeln ist er aber unabhängig davon weiter überzeugt. Das zeige beispielsweise eine andere gefährliche Kurve an der Bundesstraße bei der Hagelstädter Bahnunterführung. Dort ist seinen Worten zufolge nichts mehr passiert, seit solche Tafeln aufgestellt wurden.

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