Hintergrund
Symbol für das Unbekannte und Mythische

Reisende, Abenteurer, Suchende – Flüsse verkörpern in der Literatur oft Geheimnisvolles und Gefährliches.

03.01.2014 | Stand 03.01.2014, 15:37 Uhr

Ein Mann fährt in Mopti, dem „Venedig Malis“, über den Niger. Foto: dpa

„Die grüne Donau kam, breit und behäbig, rauschte der Stadt zu“ – der Fluss empfängt die beiden Jungen in Georg Brittings Erzählung „Brudermord im Altwasser“, als sie an seinem Ufer entlang zum Haus ihres Vaters zurücklaufen. Kurz zuvor haben sie durch einen dummen Streich ihren jüngeren Bruder getötet. Das schwarze Altwasser hat ihn verschluckt. Jetzt lassen sie die wilde Natur, ihren Abenteuerspielplatz, hinter sich und eilen dem rettenden Dom der Stadt zu.

Ein Fluss muss in der Literatur nicht der wilde Amazonas oder der unerforschte Niger sein, um Gefährlichkeit zu vermitteln. Dazu reicht die heimische Donau kurz vor Regensburg. In der Mystik vieler Völker markiert der Fluss den Übergang vom Leben zum Tod. Und inspirierte Literaten: Der griechische Totenfluss Styx etwa taucht in Dantes „Göttlicher Komödie“ und Thomas Manns „Tod in Venedig“ auf. Auch die Lethe, ebenfalls ein Fluss der griechischen Unterwelt, dessen Wasser Vergessen verheißt, ist ein beliebtes Motiv: Shakespeare, Goethe, Beckett, Brecht, Keats – sie alle nehmen in ihren Werken Bezug auf die Lethe.

Flüsse sind somit etwas Bedrohliches, Geheimnisvolles; damit aber auch etwas, das Neugier weckt: Entdecker folgten seit jeher dem Lauf großer Flüsse und erforschten die Natur an ihren Ufern. Die Ströme sind Verkehrsadern, gleichzeitig bieten sie Schutz und Nahrung. In T. C. Boyles Roman „Wassermusik“, der auf einer wahren Begebenheit beruht, macht sich der Abenteurer Mungo Park auf, die Quelle des Niger zu suchen. Er überlebt die Reise nicht. Ob Kämpfe mit Tuareg, denen er nach Berichten mit großer Brutalität begegnet war, oder tückische Stromschnellen schuld waren, konnte in der Realität nicht geklärt werden. In Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ zieht es Naturforscher Alexander von Humboldt an Orinoko und Amazonas.

Die Erforschung unbekannter Welten war ein Kindheitstraum für den passionierten Wissenschaftler. Denn vor allem für Kinder bleiben Flüsse eine Welt voller Abenteuer: Tom Sawyer und Huckleberry Finn verstecken sich nicht umsonst auf einer Insel inmitten des Mississippi. Ihre Angehörigen halten sie für tot – und freuen sich umso mehr, als die beiden auf ihrer eigenen Trauerfeier auftauchen. Die Fahrt auf dem Fluss muss nicht immer tragisch enden. (kw)