Jubiläum
SZ-Redakteur spricht am Chamer RSG

Mit dem Vortrag von Tobias Haberl zum Thema „Gefahren des digitalen Zeitalters“ endet die Reihe im Zuge des 50-Jährigen.

07.06.2019 | Stand 16.09.2023, 5:38 Uhr
Elisabeth Angenvoort

Oberstudienrat Berno Secknus überreicht Tobias Haberl (r.) eine gläserne Eule, als ein Symbol von Weisheit und Schutz Foto: Angenvoort

Es war der letzte Vortrag in einer Reihe von ausnahmslos hervorragenden Beiträgen ehemaliger Schumanisten, die im Zuge des Schuljubiläums stattgefunden hatten. Mit Tobias Haberl habe man sich zuletzt noch ein „echtes Schmankerl“ zurück ans Robert-Schuman-Gymnasium (RSG) geholt, sagte die stellvertretende Schulleiterin Angela Schöllhorn in ihrer Begrüßung vor voll besetzten Reihen am Donnerstagabend. Tobias Haberl hat im Jahr 1995 sein Abitur am RSG gemacht und schreibt heute insbesondere für das Magazin der Süddeutschen Zeitung. 2011 wurde er in der Kategorie „Bestes Interview“ für den Journalistenpreis nominiert.

Sie freue sich auf einen „etwas provokanten Abend“, sagte Schöllhorn, und wurde sogleich von Haberl korrigiert: es werde ein „nicht nur etwas“ provokanter Abend werden, prognostizierte er. Mit der Wahl seines Themas traf Haberl in jedem Fall einen höchst empfindlichen Nerv unserer Zeit: Welche Gefahren birgt das digitale Zeitalter, welche Werte gilt es nicht nur zu bewahren, sondern zu verteidigen? Diese Fragen provozieren notwendigerweise zu „absolut ambivalenten“ Antworten und konträren Reaktionen.

Als Journalist, dessen Zunft sich nach Haberls Worten im hintersten Drittel der Bewertungsliste bezüglich „Beliebtheit“ bewegt, erlebt er die mit der Digitalisierung einhergehende Problematik seit Jahren hautnah: Das Zeitungssterben ist offenbar nicht mehr aufzuhalten, die Umstellung auf das Digitalgeschäft scheint langfristig unumgänglich. Haberls Recherchen zufolge gibt es zwar eine vordergründig intensive Auseinandersetzung mit dem Thema im (noch) geltenden Koalitionsvertrag – allein 13 Seiten widmen sich hier der Digitalisierung – das Ergebnis jedoch sei eine „unfassbar blumige und vage Definition“ ohne erkennbare Linie einer Einigung darauf, was Digitalisierung für unser Leben letztlich bedeutet. Haberl sieht hier durchaus „eine Gefahr, dass es im Chaos endet“: die Grenzen zwischen Utopie und Horror sind fließend.

Während Haberl selbst nach dem Abitur Phasen der Irrungen, ja sogar des Stillstands durchlaufen hat, auf die er durchaus auch mit Dankbarkeit zurückblickt, schwinden gegenwärtig diese Nischen der Freiheit, die Möglichkeiten eines „angstlosen Herumschildkrötelns“ immer mehr. Insbesondere die jungen Menschen stehen unter einem ständig wachsenden Druck von Selbstbehauptung, Leistungsforderung und Durchsetzung.

Erschreckende Beispiele

Zugleich täuscht der Umstand, ständig über die sogenannten sozialen Medien vernetzt zu sein, eine Nähe vor, die in Wirklichkeit Abstandslosigkeit und Abhängigkeit erzeugt. „Es bedarf eines Raumes, um sich einander zuneigen zu können“: Die Räume der digitalen Welt jedoch bleiben notwendig imaginär. Das Fatale daran ist die fehlende Realisierung dieser Tatsache. Sinnliche Erfahrungen, die das Wesen der menschlichen Existenz eigentlich bedingen, gehen zunehmend verloren: „Je verbundener wir in sozialen Netzwerken sind, desto mehr verlieren wir menschliche Nähe.“

Anhand mehrerer auf Fakten beruhender Beispiele verdeutlichte Haberl die ans Absurde grenzenden Auswirkungen digitaler Machbarkeiten, mit teilweise „grauenhaften Konsequenzen“ jenseits von jeglicher Moral: Das Klonen des Lieblingskaters scheint hier noch eine harmlose Variante. Was sich in China als staatliche Überwachung längst manifestiert hat, bewirken in unserer „liberalen“ Gesellschaft die „Global Player“ auf eine derart subtile Weise, dass die Steuerungs- und Manipulationsmechanismen kaum noch wahrgenommen werden. Die Auswirkungen allerdings sind greifbar und in ihrer Zunahme erschreckend: Burnout, Depressionen, Vereinsamung, um nur einige zu nennen.

Dialektik des Lebens

Er sei nicht seine Absicht, die Digitalisierung pauschal zu verteufeln, betonte Haberl. Vielmehr appeliere er an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen, selbst zu hinterfragen, „was gut ist für mich und was nicht“. Insofern könne er morgen denselben Vortrag unter positiven Vorzeichen halten: Digitalisierung kann das Leben auch einfacher machen; Vorteile und Nachteile entsprechen der grundsätzlichen Dialektik des Lebens. Der Bildungsauftrag von Schulen sollte es sein, den (jungen) Menschen jene Autonomie zu geben, die Voraussetzung ist für Kreativität, Leidenschaft, für ein soziales Miteinander. Eines von den Dingen, die er am RSG gelernt habe, sei: „...Bildung, das ist immer auch Herzensbildung, Charakter, Menschlichkeit“.

Haberl bedankte sich an dieser Stelle ausdrücklich bei der Schule und ihren Vertretern dafür, dass sie ihm eben diese Werte vermittelt und auf den Weg mit gegeben haben. „Freiheit braucht Regeln, um wirkliche Freiheit sein zu können und nicht im Chaos zu enden.“