Konflikt
Ukraine: Kleiner Mann ist der Verlierer

Der Regensburger Andreas Brunnbauer kennt die Ukraine und Russland. Er spricht über die Lage dort und die deutsche Haltung.

22.02.2022 | Stand 15.09.2023, 7:05 Uhr
Der russische Präsident Vladimir Putin lässt die Lage in der Ost-Ukraine derzeit eskalieren. −Foto: Alexei Nikolsky/dpa

Die Lage in der Ukraine eskaliert. Russlands Präsident Vladimir Putin hat nach der Anerkennung der beiden von Separatisten besetzten Regionen im Donbass Truppen dorthin abkommandiert. Der Regensburger Andreas Brunnbauer hat für den Freistaat Bayern in Russland gearbeitet. Auch in der Ukraine war er für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit tätig. Der Russland-Kenner bewertet im Interview die Lage vor Ort.

Sie kennen beide Länder gut. Was bedeuten die aktuellen Ereignisse für die Ukraine und für Russland?

Es ist eine Lose-Lose-Situation, beide Länder verlieren durch die von Russland herbeigeführte Krise. Effektiv sind die Ereignisse eine Katastrophe. Sowohl der Rubel-, als auch der Hrywnja -Kurs sind gefallen. Die Produkte werden teurer und ausländische Investitionen werden aufgrund der Unsicherheit nicht getätigt. Den einfachen Bürgern dieser Staaten geht es dadurch schlechter. Darüber hinaus führt die Situation zu einer weiteren Entfremdung beider Länder, die ja kulturell verwandt sind.

Viele Ukrainer haben Verwandte in Russland und umgekehrt, man hatte lange ein sehr positives Bild übereinander. Das hat sich leider in den letzten Jahren in die andere Richtung entwickelt. Sollte es zu einem offenen Krieg kommen, und aktuell sieht es danach aus, dann wird dieses Band durchtrennt. Die Rede von Präsident Vladimir Putin am Montag hat die Ukrainer schockiert. Er hat dabei der Ukraine das Existenzrecht abgesprochen. Er sprach davon, dass gewisse Teile historisch russisches Gebiet seien. Das haben auch viele Russen als negativ empfunden.

Putin versucht, sich als Helfer der angeblich in der Ukraine verfolgten russischen Bevölkerung darzustellen. Wie realistisch ist das?

Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass es sich bei dem Argument um reine Propaganda handelt. Meine Kollegen in der Ukraine sprachen bis auf eine Ausnahme Russisch. Trotzdem fühlten sich alle als pro-europäische Ukrainer. Die Sprache sagt nichts darüber aus, wie man politisch denkt.

Es gibt auch eine relativ große russische Exil-Gemeinde. Ich bin in der Ukraine mit Russisch relativ gut durchgekommen. Durch ein neues Gesetz wird in den Amtsstuben ausschließlich Ukrainisch gesprochen, aber es gibt keine Verfolgung der russischen Bevölkerung in der Ukraine.

Immer wieder heißt es, man habe Russland nach der Wende versprochen, die Nato nicht nach Osten auszuweiten. Kann man die russische Bevölkerung mit diesem Szenario tatsächlich in einen Krieg führen?

Ich hoffe nicht, aber ich habe das Gefühl, man versucht es. Unabhängig davon, ob dieses Argument nun zutrifft oder nicht, wird es in den russischen Medien so dargestellt, dass die Nato Russland bedroht und dass es eine existenzielle Bedrohung Russlands sei, wenn sich die Nato in der Ukraine ausbreitet. Aber dieses Argument kann man entkräften, wenn man die baltischen Staaten ansieht. Diese sind Teil der Nato und ebenso weit von Moskau entfernt.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Gaspipeline North Stream 2 auf Eis gelegt. Schaden sich Deutschland und auch die EU durch Sanktionen wirtschaftlich selbst?

Natürlich schaden wir uns wirtschaftlich selbst, aber es gibt aus meiner Sicht keine Alternative.