Schwandorf
VdK-Studie: Häusliche Pflege am Limit

Schwandorfs Kreisgeschäftsführer Steinkirchner fordert weitreichende Reformen und eine unabhängige Beratung für Pflegende.

22.05.2022 | Stand 15.09.2023, 5:10 Uhr
Setzen sich für Verbesserungen für die häusliche Pflege ein: Schwandorfs VdK-Kreisgeschäftsführer Bernd Steinkirchner und VdK-Pflegebegleiterin Monika Runz. −Foto: Brigitte Altmann

Mehr als ein Drittel der Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen, fühlen sich extrem belastet und können die Pflegesituation nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht mehr bewältigen. Dies ist eines von vielen Ergebnissen der bislang größten Studie zur Situation in der häuslichen Pflege, die die Hochschule Osnabrück im Auftrag des Sozialverbands VdK durchgeführt hat.

„Die Ergebnisse bestätigen: Die häusliche Pflege ist am Limit. Es rächt sich, dass sie jahrelang ein Stiefkind der Politik war und sträflich missachtet wurde. Wird dieser Kurs fortgesetzt, gehen wir einer düsteren Pflege-Zukunft entgegen!“, sagte VdK-Kreisgeschäftsführer Bernd Steinkirchner.

56.000 Menschen wurden befragt

Die Studie basiert die auf der Online-Befragung von 56 000 Menschen im vergangenen Jahr. Demnach sind 72 Prozent der Pflegenden weiblich. Die Hälfte der Befragten versorgt ein Elternteil. Jeder zweite Pflegende ist im Rentenalter und körperlich selbst nicht mehr fit: 63 Prozent haben täglich körperliche Beschwerden und 59 Prozent geben an, wegen der Pflege die eigene Gesundheit zu vernachlässigen.

„Diese Menschen brauchen dringend Unterstützung, und zwar eine, die auch wirklich zur Verfügung steht, zu ihren Bedürfnissen passt und sie unbürokratisch erreicht“, fordert Steinkirchner. Obwohl ein Großteil der Befragten sich mehr von den bisher möglichen Entlastungsangeboten wünscht wie etwa Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege oder Verhinderungspflege, werden diese Leistungen größtenteils von ihnen nicht in Anspruch genommen. Dieser Widerspruch hat laut Mitteilung des VdK verschiedene Gründe: Zum einen gebe es nicht genügend Kapazitäten professioneller Pflegeanbieter.

Zahlen:Unterstützung:
Mehr als 80 Prozent der 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause von nahestehenden Menschen versorgt. Nur 2,3 Prozent von ihnen können sich vorstellen, in einem Pflegeheim versorgt zu werden.Damit dieser Wunsch, zuhause gepflegt zu werden, für möglichst viele wahr werden kann, startete der VdK eine Kampagne zur Stärkung der häuslichen Pflege unter dem Motto „Nächstenpflege braucht Kraft und Unterstützung“.

„Wir brauchen daher dringend den Anspruch auf einen Tagespflegeplatz – so wie es diesen auch auf einen Kindergartenplatz gibt“, forderte Schwandorfs VdK-Pflegebegleiterin Monika Runz. Ein weiterer Grund für die geringe Inanspruchnahme seien die oft hohen Zuzahlungen. Über die Hälfte der Befragten schreckt dies davon ab, einen Pflegedienst, die Tagespflege, Verhinderungspflege oder und Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen. Vom Pflegegeld, das 82 Prozent der Befragten bekommen, bliebe sonst zu wenig übrig, befürchten sie. Zudem wird jeder Fünfte vom Antragsverfahren und der Dauer des Prozederes der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege abgeschreckt.

Ein einheitliches Budget soll helfen

„Wir brauchen eine grundlegende Reform der Unterstützungsleistungen“, so Pflegebegleiterin Runz. Ein einheitliches Budget, in das alle Ansprüche einfließen, würde vielen Menschen deutlich besser helfen. „Dann würden nicht genutzte Leistungen auch nicht mehr verfallen. Man nutzt das Geld für die Leistung, die einem was bringt. Zudem muss es möglich sein, dass damit auch die Personen bezahlt werden, die die Betroffenen schnell und verlässlich unterstützen und entlasten können: die Nachbarin, Freunde, Ehrenamtliche“, so Runz.

„Dringend notwendig ist zudem eine unabhängige Beratung“, betont Steinkirchner. Denn die Studie zeige auch: Erhält ein pflegender Angehöriger keine Beratung, werden deutlich weniger Pflegeleistungen in Anspruch genommen. Wird beraten, steigt die Wahrscheinlichkeit, eine Leistung zu nutzen, um ein Vielfaches – etwa bei der Tagespflege von 17 auf 83 Prozent.

„Anders als professionelle Pflege-Dienstleister oder der Pflegeberuf haben Menschen, die ihre Nächsten zu Hause pflegen, keine Lobby. Sie haben keine Zeit, um auf die Straße zu gehen. Deshalb geben wir ihnen eine Stimme“, sagte Steinkirchner. Den Anfang machte der VdK mit einer Demonstration ohne Menschen, für die er die Botschaften seiner pflegenden Mitglieder auf Schildern vor dem Kanzleramt aufgestellt hat.