Beruf
Vom Bader zum Frisör

Seit 111 Jahren ist der heutige „Salon Creative“ in Familienbesitz. Früher wurden dort auch Zähne gezogen, heute wird gepierct.

14.03.2019 | Stand 16.09.2023, 5:49 Uhr

Vier Generationen auf einem Bild: Johanna Gierl (81), Vanessa Krönauer (29), ihre Tochter Anna-Lena (8) und Karin Krönauer (53) in ihrem Friseursalon in Teisnach. Foto: Lea Arbinger

Karin Krönauer hat 1989 den Friseurladen „Salon Creative“ in Teisnach von ihrer Mutter Johanna Gierl übernommen. Sie folgte dem Beispiel ihrer Mutter, die den Salon ihrer Mutter weiterführte. Bis 1908 reicht die Geschichte des Familienbetriebs zurück. In jenem Jahr bekam der approbierte Bader Johann Kern die Erlaubnis, sich in Teisnach niederzulassen und eine Baderstube in der Pfleiderer-Fabrik einzurichten. Ein Bader war ein Alleskönner: Arzt, Zahnarzt und Friseur in Personalunion.

Johann Kern übergab die Baderstube später an seinen ältesten Sohn Hans Kern, den Opa von Karin Krönauer. Dieser erlernte neben dem Bader- auch das Friseurhandwerk und eröffnete mit seiner Ehefrau Johanna den ersten eigenen Friseursalon. Sie war ebenfalls ausgebildete Damen- und Herrenfriseurin und führte den Salon nach Kriegsbeginn 1939 allein. Ihre beiden Kinder erlernten das Friseurhandwerk. Tochter Johanna Gierl führte bis 1989 den Salon in Teisnach. Die heute 81-Jährige schneidet noch immer regelmäßig Kunden die Haare. „Die Arbeit hält mich jung.“

Die Seniorchefin des Salons erinnert sich noch genau daran, wie ihr Vater als Bader den Kunden die Zähne gezogen hat. „Ohne Spritze oder Ähnliches. Das hat es ja früher noch nicht gegeben“, erinnert sie sich. Als sie noch ein Kind gewesen sei, habe sie dem Vater immer bei der Arbeit zugeschaut. „Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er dasteht und seine Arbeit macht“, erzählt sie.

Auf Dreadlocks spezialisiert

Die 81-Jährige hat ihre Ausbildung in Hemau gemacht. Als ihre Mutter 1952 unerwartet starb, kam sie nach Teisnach zurück und übernahm 1954 die Verantwortung für den Friseurladen. Mit ihrem Mann baute das „Hannerl“ – wie sie von ihren Stammkunden genannt wird – ein Haus und richtete dort den Salon ein, der sich bis heute kaum verändert hat. „Früher war nirgends ein Friseur, heute gibt es allein in Teisnach fünf“, sagt Johanna Gierl.

„Man muss sich spezialisieren, damit man Kunden bekommt“, fügt ihre Tochter Karin an. Man müsse vor allem mit dem Herzen dabei sein, dann habe man auch Spaß an der Arbeit. Deren Tochter Vanessa hat in den vergangenen Jahren mehrere Fortbildungen gemacht, unter anderem für Nageldesign. Karin Krönauer ist auf Haarverlängerungen und Dreadlocks spezialisiert. „Wir sind auch eine Art Kummerkasten. Wenn jemand sauer in den Laden kommt, dann schaffen wir es, dass er lachend wieder geht“, verspricht Karin Krönauer.

Seit 1908 habe sich im Handwerk einiges verändert. „Früher hat man Hochsteckfrisuren getragen und ich habe sehr viele Wasserwellen gelegt“, erzählt Johanna Gierl. Heute lerne man das nicht mehr, das sei vorbei. Dass die Dauerwelle aus der Mode gekommen ist, bedauert keine der drei Frauen. „Können muss man es aber trotzdem“, so Johanna Gierl. Heute trage man mehr das Nicht-Gemachte. Leichte Wellen und ohne Konturen. In Silber und Pastellfarben müsse man viel färben.

Die Ausbildung an sich habe sich auch stark verändert. Johanna Gierl habe vier, sechs und dann acht Mark im Monat in den drei Lehrjahren bekommen. „Heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen“, erinnert sich die Rentnerin. Im Landkreis Regen gab es damals keinen einzigen freien Ausbildungsplatz, deswegen musste sie damals in die Oberpfalz.

Keine Lehrlinge mehr

Beide Kinder von Johanna Gierl haben das Friseurhandwerk gelernt und die beiden Töchter von Karin Krönauer haben es ihrer Mutter gleich getan. Auch Urenkelin Anna-Lena (8) will nach aktuellem Stand in das Geschäft einsteigen. „Man kann sie zu nichts zwingen. Was sie dann letztendlich lernen will, sieht man ja dann“, sagt ihre Mama Vanessa Krönauer. Lehrlinge bilden sie im „Salon Creative“ nicht mehr aus, heute ist es ein reiner Familienbetrieb, der am Samstag Geburtstag feiert.

Seit vielen Jahren wird der Beruf des Baders nicht mehr ausgeübt. Karin Krönauer könne sich gut vorstellen, den Bader wieder aufleben zu lassen. „Ich würde das gerne machen. Da hätte ich keine Berührungsängste.“ Es sei schade, dass diese alten Traditionen nach und nach aussterben. Krönauer pierct ihre Kunden, früher hat sie tätowiert – auch ohne Betäubung.